Bundesregierung ersetzt Mindestsicherung durch Sozialhilfe

Quelle: Diakonie, Grafik GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit, Lucia Bauer

Die Leistungen der neuen Sozialhilfe für Familien sind deutlich niedriger als Hartz IV in Deutschland.

Trotz der heftigen Kritik von Opposition, Gewerkschaften, Kirchen und NGOs hat der Nationalrat am 25.4.2019 mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ die Sozialhilfe Neu beschlossen. Das Grundsatzgesetz wird mit 1. Juni in Kraft treten, bis Jahresende 2019 haben die Bundesländer Ausführungsgesetze zu beschließen. Substanzielle Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Begutachtungsentwurf wurden nicht vorgenommen. Klargestellt wurde kurzfristig, dass Spenden und Heizkostenzuschüsse der Länder nicht angerechnet werden und der Bonus für behinderte Personen von den Ländern verbindlich auszuzahlen ist. Der Bonus für Alleinerziehende bleibt jedoch weiterhin eine Kann-Bestimmung im Gesetz, den die Bundesländer nach eigenem Ermessen gewähren können.

Auf Menschen, die auf Unterstützung in Form der Sozialhilfe angewiesen sind, kommen jedenfalls drastische Kürzungen vor, die bei Familien mit Kindern mehrere Hundert Euro ausmachen werden.

Zentrales Element der Sozialhilfe Neu ist die massive Verschärfung der degressiven Ausgestaltung der Richtsatzhöhen Das erste Kind erhält maximal 25 Prozent der Basisleistung von rund 885 Euro, das zweite Kind 15 Prozent, das dritte und jedes weitere Kind erhält bloß noch 5 Prozent der Basisleistung, das sind nur rund 44 Euro pro Kind! Angesichts der Unsachlichkeit dieser extrem niedrigen Werte wird von ExpertInnen die Verfassungskonformität der Sozialhilfe in Zweifel gezogen. In der alten Regelung zur Mindestsicherung war für die Kinder ein Wert von 18 Prozent des Einzelrichtsatzes bzw. 15 Prozent ab dem vierten Kind vorgesehen. Daran hat sich auch trotz der deutlichen Kritik während des Begutachtungsverfahrens nichts geändert.

Auf Menschen, die auf Unterstützung in Form der Sozialhilfe angewiesen sind, kommen jedenfalls drastische Kürzungen vor, die bei Familien mit Kindern mehrere Hundert Euro ausmachen werden. Die Diakonie Österreich hat inzwischen auch schon nachgerechnet, dass Familien in Österreich künftig weniger Geld erhalten werden, als das in Deutschland im Rahmen von Hartz IV der Fall ist. Eine Familie mit drei Kindern würde demnach 270 Euro pro Monat weniger erhalten als eine vergleichbare Familie in Deutschland. Bei diesem Vergleich wurden die Richtsätze der neuen Sozialhilfe den Hartz IV Leistungen gegenübergestellt, wobei die zweckgewidmeten Wohnkosten jeweils ausgeklammert wurden, aber Familienbeihilfe, Mehrkindzuschläge und Absetzbetrag Berücksichtigung fanden. Die Warnung, dass mit der Sozialhilfe Neu und auch mit der im Regierungsprogramm festgehaltene Abschaffung der Notstandshilfe Armut geschaffen und der Weg in Richtung Hartz IV geebnet würde, ist also durchaus berechtigt. Die wiederholt geäußerten Beteuerungen von Ministerin Hartinger-Klein, wonach es mit ihr kein Hartz IV in Österreich geben werde, entpuppen sich schon bereits jetzt als nicht haltbar.

Dreh- und Angelpunkt der neuen Regelung ist vor allem die systematische Schlechterstellung von MigrantInnen und asylberechtigten Personen. Der Anspruch auf die reguläre Richtsatzhöhe ist an den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse (Deutsch B1 bzw. Englisch C1) gebunden. Kann das Sprachniveau nicht nachgewiesen werden, sind die zugstehenden Leistungen um 300 Euro niedriger.  Was hier in zynischer Weise als Qualifizierungsbonus bezeichnet wird, sanktioniert fehlende Sprachkenntnisse an sich und nicht etwa die Weigerung, Deutsch zu erlernen. Hier ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung das Budget des AMS und damit auch die Mittel für Sprachkurse deutlich gekürzt hat. Da die Pflicht zum Nachweis von Deutschkenntnissen auch über den Pflichtschulabschluss erfolgt, könnte die Kürzung schätzungsweise auch etwa 40.000 ÖsterreicherInnen ohne Pflichtschulabschluss treffen. Nicht zuletzt sollen Sprachkenntnisse auch durch „persönliche Vorsprache bei der Behörde“ nachgewisen werden können, wobei einigermaßen fraglich ist, wie in einer Gesprächssituation mit einer/einem SachbearbeiterIn bestehende Sprachkenntnisse überprüft werden sollen.

Mit Beseitigung der bisherigen Mindestsicherung zerstört die Bundesregierung fahrlässig das unterste Auffangnetz des österreichischen Sozialsystems. Ersetzt wird es durch ein System, das anstatt von Mindestleistungen die Richtsätze an Obergrenzen knüpft, an die sich die Bundesländer zu halten haben. Während der Mindestsicherung die Vermeidung und Bekämpfung der Armut zugrunde gelegt wurde, soll die Sozialhilfe dezidiert die Zuwanderung ins österreichische Sozialsystem verhindern helfen. Indem möglichst viele von einem Anspruch auf Leistungen ausgeschlossen werden, bekämpft die Sozialhilfe also die Armen und nicht mehr die Armut.

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