Buchtipp: Nur Mut zum Rollentausch

Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit

Die Mutter beruflich erfolgreich? Der Vater in Karenz? Beides ist möglich. Das neue Buch von Frauen-Coach Verena Florian zeigt das auf und spornt zum Aufbrechen alter Klischees an.

Wie Beruf und Familie zu vereinbaren sind, mag oberflächlich betrachtet ein leidiges Thema sein, über das insbesondere in Österreich seit Jahrzehnten diskutiert wird. Dennoch ist jetzt „Mut zum Rollentausch“ von Verena Florian zum richtigen Zeitpunkt erschienen. Erst vor wenigen Wochen beschloss der Nationalrat den Papamonat. 1998 hatte der damalige ÖVP-Familienminister Martin Bartenstein noch gemeint: „Das ist nicht finanzierbar.“

Ein Verdienst des Buches ist daher zusammenfassend darauf hinzuweisen, wie viele kleine Schritte in unserem strukturkonservativen Land schon gesetzt wurden. Das Besondere an Verena Florians Methode ist, dass sie dazu 50, großteils anonymisierte, Interviews geführt hat – einerseits mit beruflich erfolgreichen Frauen wie Managerinnen, Politikerinnen oder Unternehmerinnen, andererseits mit Vätern, die wegen ihrer Kinder in Karenz gegangen sind. Zudem steuert sie – selbst Mutter von zwei (inzwischen erwachsenen) Töchtern, die sich die Familienzeiten mit ihrem Partner teilte – einen wertvollen Input aus der eigenen (Berufs-)Erfahrung und Coaching-Praxis bei.

Vorreiter Skandinavien

Skandinavien war erstaunlich früh dran und modern bei der Einführung der Väterkarenz in den 1960er Jahren, unterstreicht die Autorin. Noch erstaunlicher ist, dass sie unverblümt erklärt: „Der Grund für die Entwicklung liegt sicher darin, dass es hier keine ideologische Gehirnwäsche wie im deutschsprachigen Raum des Austrofaschismus und Nationalsozialismus gab, wo die Rollenbilder von Männern und Frauen so deutlich vorgegeben waren.“ Trotzdem ging in keinem der Länder die Entwicklung hin zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern von allein, „es gab meistens Impulse durch die Politik, die Veränderungen herbeiführten“, so Verena Florians Analyse. Die sie durch zahlreiche Daten untermauert, was ihren Befund auf weite Strecken unverrückbar macht.

Es gibt aber auch Passagen, die das Buch zu einer leisen Kampfschrift machen. Etwa wenn die Coaching-Expertin Schlüsse aus ihrer beruflichen Expertise zieht und sie schreibt: „Es braucht Männer, die starke Frauen aushalten“, und „es braucht Frauen, die Männer bei den Kindern aushalten“ – Sätze, die zu den besten des Buches zählen. Freilich handelt es sich dabei um ein Generationen-Problem und eines der tradierten patriarchalen Gesellschaft. Aus Sicht der Frauen herrschen großer Druck und schlechtes Gewissen, wenn sie bereits nach vier Monaten Babykarenz wieder Vollzeit arbeiten beziehungsweise wenn sie nach einjähriger Karenz noch nicht zurück in den Beruf gehen (wollen). Berufstätigen Vätern wird die Situation genausowenig erleichtert, auch Männer in Karenz oder Teilzeit haben oftmals Nachteile im Berufsleben zu befürchten.

Vätern die Entscheidung erleichtern

„Es darf keine Portion Mut brauchen, um den Schritt zu gehen“, meint denn auch einer der interviewten Väter. „Der Boden muss vonseiten der Organisation aufbereitet sein. Da darf es keine Nachteile geben, dann entscheidet man leichter.“ In Klein- und Mittelbetrieben sieht das wieder anders aus, wie die Zahlen der Arbeiterkammer (Wiedereinstiegsmonitoring) zeigen. „Aber auch die KMUs werden umdenken müssen“, fordert Verena Florian.

Hier ist die einzige Schwäche des Buches auszumachen: Da die InterviewpartnerInnen fast ausschließlich der beruflichen A-Schicht angehören, bleibt die Situation von HandwerkerInnen, Supermarkt-Angestellten oder in anderen Klein- und Mittelbetrieben unterbelichtet. Andererseits dienen die zitierten Beispiele aus verschiedenen höheren beruflichen Positionen, dem Journalismus oder Finanzsektor als positive Rollenmodelle.

„Früher gab es Talkshows, wo besprochen wurde, wenn einer sich geoutet hat. Stillende Mütter im Parlament, Schwangere durften nicht im Fernsehen sein! Aber so geht es Schritt für Schritt“, wird die Vorständin einer österreichischen Bank zitiert. „Ich bin davon überzeugt, wenn es in den Firmen viele Interventionen gibt, wird es gehen. Aber es braucht immer eine Person, die sich dafür einsetzt, und die sollte hoch oben sein!“.

Angesichts des Gaps zwischen Branchen und Wohnorten bleibt zu hoffen, dass Eliten wie auch Stadt-BewohnerInnen eine Vorreiterfunktion beim Aufbrechen von alten Rollenmodellen haben. So nehmen in Wien etwas mehr als 28 Prozent der Väter Karenz, in den anderen Bundesländern im Schnitt die Hälfte davon. Die niedrigsten Werte verzeichnen Burgenland und Vorarlberg mit nur rund zehn Prozent. Im Vergleich dazu gehen in Norwegen und Schweden durchschnittlich 80 Prozent der Väter in Karenz. Verena Florian schreibt: „Wenn die Inanspruchnahme der Väterkarenz in der Langsamkeit weitergeht wie bisher, dann wird es 2150 die Gleichstellung der Geschlechter geben, was die Aufteilung der (unbezahlten) Pflege- und Hausarbeit betrifft.“

Halbe halbe im Haushalt

Das ist einerseits ernüchternd. Andererseits hat sich auch hier im Laufe der Jahrzehnte bereits einiges verändert. Die Autorin untermauert mit Zahlen der Statistik Austria (Zeitverwendungsstudien): „Frauen wenden in allen Lebensphasen im Vergleich zu Männern fast doppelt so viel Zeit für die Haushaltsführung auf, am meisten zwischen 20 und 59 Jahren, die wichtigste Phase der Berufstätigkeit, für die sie sich dementsprechend weniger Zeit nehmen (können). Demgegenüber sind Männer länger erwerbstätig als Frauen und nehmen sich in allen Lebensphasen weniger Zeit für den Haushalt und mehr Zeit für Freizeitaktivitäten. Dabei haben sie sich schon stark gebessert: Der Anteil der Männer, die sich überhaupt an der Haushaltsarbeit beteiligen, hat sich seit Anfang der 1980er Jahre von nicht einmal einem Viertel auf drei Viertel erhöht.“

In Summe legt Verena Florian mit ihrem Buch mehrfach den Finger in die Wunde. „Es zeigt sich, dass der Wille stark sein muss für ein Mädchen oder eine junge Frau in Österreich, die den Wunsch hat, unabhängig zu sein, und beruflich etwas erreichen will.“ Zusätzlichen Ansporn liefert sie am Ende des Buches, indem sie Tipps gibt, wie berufstätige Familienmenschen eine verbesserte Jobsituation erreichen könnten – von mehr Netzwerken und mehr Mut bis hin zu weniger Perfektionismus.

Verena Florian

Mut zum Rollentausch – 50 beruflich erfolgreiche Frauen und Männer in Väterkarenz erzählen.

Falter Verlag, Wien 2019, 263 Seiten, ISBN 9-7354-396345, € 22,90.

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