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Foto: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit, Lucia Bauer

Clara Frisch ist Expertin in der Abteilung Arbeit und Technik der GPA-djp. Im Interview erklärt sie was beim Weg von und zur Arbeit verbessert werden kann.

KOMPETENZ: Warum ist der Arbeitsweg für die GPA-djp zum Thema geworden?

FRITSCH: Obwohl jeder und jede Beschäftigte einen Arbeitsweg hat – außer die, die ausschließlich zu Hause arbeiten und selbst die fahren ab und an in die Firma – ist noch viel zu wenig hingeschaut worden, wie der Arbeitsweg aussieht und wie er besser gestaltet werden kann. Es macht einen Unterschied, ob ich entspannt in die Arbeit komme oder ob ich dreimal wöchentlich beinahe zu spät bin, weil der Weg so schlecht einschätzbar ist. Mobilität ist zunehmend ein Thema, mit dem sich auch die Gewerkschaft auseinandersetzt. Wir wollen aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, an ein paar Stellschrauben zu drehen.

KOMPETENZ: Wie sieht der typische Arbeitsweg in Österreich aus? Wie lange dauert er? Wie weit fährt man und womit fährt man in die Arbeit?

FRITSCH: Die durchschnittliche Dauer des Arbeitsweges ist eine knappe Stunde pro Tag. Für 13 Prozent der Bevölkerung ist allerdings der Weg in nur eine Richtung schon über 45 Minuten lang – das ergab eine Studie des Verkehrsministeriums. Also in etwa jeder achte Kollege bzw. jede achte Kollegin ist täglich eineinhalb Stunden damit beschäftigt in die Arbeit und wieder nach Hause zu gelangen.

„Die durchschnittliche Dauer des Arbeitsweges ist eine knappe Stunde pro Tag. Für 13 Prozent der Bevölkerung ist allerdings der Weg in nur eine Richtung schon über 45 Minuten lang.“

Clara Frisch

Der zurückgelegte Weg wird dabei über die Jahre immer länger. Arbeitete man 1995 durchschnittlich 9,5 km vom Arbeitsplatz entfernt, so ist diese Distanz in knapp 20 Jahren auf 12 km angestiegen. Allerdings ist die Dauer der Wegstrecke fast gleich – zumindest durchschnittlich betrachtet – man ist also einfach schneller unterwegs. Das hat schon auch finanzielle Auswirkungen: je weiter man fährt, desto mehr kostet es in der Regel auch. Das darf man nicht unterschätzen.
Die Antwort auf die dritte Frage, wie der Arbeitsweg zurückgelegt wird, lautet: mit dem privaten Auto. Laut aktuellen IFES-Daten ist das Burgenland Spitzenreiter, wo 90 Prozent der Beschäftigten den Arbeitsweg mit dem PKW zurücklegen. Und Wien ist Schlusslicht mit 32 Prozent. Das hängt eindeutig zusammen mit dem Vorhandensein von Alternativen und öffentlichem Verkehr. In der Großstadt Wien, wo der öffentliche Verkehr relativ gut ausgebaut ist, fahren über die Hälfte der Bevölkerung mit Bus, Bim oder Bahn in die Arbeit. Das ist meiner Meinung nach auch verständlich, weil der Stadtverkehr mit den vielen Verkehrsteilnehmer*innen, Staus, Baustellen und Umleitungen oft kein Vergnügen ist.

KOMPETENZ: Gab es überraschende Ergebnisse in den Studien, die du zu dem Thema gelesen hast?

FRITSCH: Ja, die gab es. In Vorarlberg werden 24 Prozent der Arbeitswege mit dem Rad zurückgelegt. Das ist fast doppelt so viel wie im österreichischen Durchschnitt, der fast 13 Prozent beträgt. Wie der Arbeitsweg bewältigt wird, ist also nicht unbedingt eine Frage von Höhenmetern.
Was ich auch überraschend fand ist, dass es nach wie vor einen Gendergap gibt; also für 39 Prozent der Frauen ist das private Auto das Mittel der Wahl während 53 Prozent der Männer mit dem Auto fahren.
Was mir bislang wenig bewusst war, ist, dass öffentlicher Verkehr in vielen Regionen Österreichs und zu bestimmten Zeiten nicht gut funktioniert. Jede dritte PendlerIn ist mit dem Fahrplanangebot sehr unzufrieden. Und selbst in der Stadt gibt es für Menschen, die Schicht- oder Nachtarbeiten – und das sind nicht wenige – keine passenden Angebote.

KOMPETENZ: Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat den Arbeitsweg mitzugestalten?

Fotos: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit, Lucia Bauer

FRITSCH: Ein Betriebsrat hat mir kürzlich erzählt, dass sie die Abteilungen im Betrieb motiviert haben, bei der Aktion „Österreich radelt“ mitzumachen und dadurch ein richtiggehender Wettbewerb zwischen den Abteilungen entstanden ist, wer mehr Kilometer zusammenbringt. Manche sind dadurch über den Sommer gänzlich aufs Fahrrad umgestiegen.
Was ich so aus den Betrieben gehört habe, ist, dass es mit den Fahrgemeinschaften nicht so gut klappt. Vielleicht könnte man das noch attraktiver für die Beschäftigten machen, indem beispielswiese Fahrgemeinschaften eigene Goodies erhalten.
Dann nutzen viele die Mitsprachemöglichkeit bei der Gestaltung des Betriebsgeländes. Wenn ausreichend Parkplätze – sowohl für PKW als auch für Räder oder E-Roller und Ähnliches – zur Verfügung stehen, ist schon einiges gewonnen. Wenn zum Beispiel im Schichtbetrieb gearbeitet wird, wären eigene fix reservierte Parkplätz für diejenigen nötig, die die anstrengende Nachtschicht arbeiten, damit die Kolleg*innen nicht noch zusätzlich mit Parkplatzsuche belastet werden.
Über den BR-Fonds können verschiedene Angebote finanziert werden. Es gibt Betriebsrät*innen, die zum Beispiel gemeinsam mit dem Management E-Bikes zur Verfügung stellen, mit denen die Beschäftigten den Weg von der nächstgelegenen Bahnstation in die Arbeit flott und unkompliziert zurücklegen können. „Parkplatzsuche ade“ heißt das Motto dort. Der Betriebsrat könnte sich auch an den Kosten für die Miete in „Park-and-Ride“-Garagen beteiligen.
Andere wiederum kämpfen für gleitende Arbeitszeiten, damit die Kolleg*innen auch zu weniger stauanfälligen Zeiten in den Betrieb kommen können oder sich in weniger volle Pendler-Züge quetschen müssen. Jeder Betrieb hat seine eigenen Möglichkeiten und für jeden Betrieb ist etwas Anderes wichtig. Gemeinsam mit der Belegschaft kann der Betriebsrat herausfinden, wo der Schuh drückt und dort dann ansetzen.

KOMPETENZ: Was ist eine Forderung an die Politik in Sachen Arbeitsweg?

FRITSCH: Zuerst einmal wäre da ein Verbesserungsbedarf beim Jobticket. Das kann vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Unserer Meinung nach müssten den Kolleg*innen aber auch Netzkarten zur Verfügung gestellt werden. Derzeit geht das nur, wenn es keine eigenen Streckenkarten gibt oder die Netzkarte höchstens den Kosten einer Streckenkarte entspricht – also zum Beispiel in Wien. Das ist dem Jobticket wenig förderlich.
Dann sollte das Pendlerpauschale dringend reformiert werden. Die Arbeitnehmer*innen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Arbeit fahren, müssen besser aussteigen.
Und der öffentliche Verkehr braucht einen massiven Ausbau. Es nützt ja nichts, wenn ich zwar mehr Geld im Börsel hab, weil ich mir das Benzin erspare und ein Jobticket von der Chefin erhalte, aber dafür drei Stunden in die Arbeit brauche, weil der Bus nicht öfter fährt oder ich drei Mal umsteigen und ewig warten muss.

KOMPETENZ: Kann der oder die einzelne Beschäftigte auch etwas tun?

Das ist im Regelfall nicht so einfach, weil man sich den Arbeitsweg ja nicht selbst aussucht. Den muss man hinnehmen, wie er ist. Und wenn man vom Waldviertel nach Wien pendelt, gibt es außer dem PKW nicht viel andere Möglichkeiten. Das einzige, was man selbst beitragen kann, ist innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen möglichst entspannend zu agieren. Eine Freundin von mir hat beispielsweise ihre sehr lange Schnellbahn-Fahrt zu einer Lesestunde umgewidmet. Ohne das e-book in der Tasche geht sie gar nicht mehr außer Haus. Ein Kollege hat mit kürzlich erzählt, dass seine Strategie auf der abendlichen Staustrecke im Auto lautet: Brahms-Konzerte hören und Stresspunkte an den Schläfen massieren. Früher hat er im Stau Telefonate erledigt und dabei Informationssendungen im Radio gehört; das hat noch mehr Hektik ausgelöst. So muss wohl jede und jeder die passende Methode finden, sich nicht noch mehr zu stressen als es ohnehin schon der Fall ist.

KOMPETENZ: Wie fährst du selbst in die Arbeit?

Ich habe das große Glück, dass mein Arbeitsweg mich mit dem Rad quer durch eine große Wiener Grünanlage, den Prater, führt. Das ist jetzt im Herbst besonders schön mit buntem Laub, Morgennebel und einer frisch asphaltierten Hauptallee. Und in Bälde bekommen wir ja auch einen großzügigen Fahrradabstellplatz im Haus mit genügend Platz für alle. So ist ein Arbeitsweg mehr Freizeitvergnügen als Horrorfahrt.

Pendlerpauschale

Ob Anspruch auf ein Pendlerpauschale besteht, und wenn ja in welcher Höhe, kann mit dem Pendlerrechner berechnet werden.

Welche Beihilfen dein Bundesland PendlerInnen gewährt, erfährst du hier.

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