Wo ein Wille, da ein Weg

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Umweltschonend den Arbeitsplatz zu erreichen, das geht. Je nach Branche und Größe bieten Österreichs Unternehmen unterschiedliche Modelle an. Freilich hilft es, wenn die Politik entsprechende Rahmenbedingungen ermöglicht. Ein KOMPETENZ-Rundruf von Tirol über Oberösterreich bis Wien.

Thomas Eichlberger ist auf tausend. „Es reicht!“, echauffiert sich der Betriebsratsobmann von Schachermayer in Linz über die tägliche Verkehrssituation im Industrie- und Hafenviertel der oberösterreichischen Landeshauptstadt. „Ich habe deswegen heute Bürgermeister Klaus Luger einen Brief geschrieben“, zieht Eichlberger im Interview vom Leder. Dass die Beschäftigten zusätzlich zu den neun Arbeitsstunden pro Tag drei Stunden für den Verkehr von und nach zu Hause einplanen müssten, manche würden täglich bis zu 40 Kilometer einpendeln. Dass zwar mehr Busse in die Linzer Industriezeile verkehrten als früher, sie aber aufgrund des Fahrplans drei Mal so lang bräuchten und dreimaliges Umsteigen notwendig sei.

Selbst von dem Stressor betroffen, hat Thomas Eichlberger mit KollegInnen ein Konzept für den öffentlichen Verkehr zum Industrieviertel entworfen. Neben Schachermayer, einem Großhändler für holz-, metall- und glasverarbeitende Gewerbebetriebe und Industrien im Bereich Bauen und Wohnen, sind auch andere Firmen betroffen, sagt er und spricht von insgesamt 10.000 bis 20.000 ArbeitnehmerInnen. Die Anregung, beispielsweise eine Haltestelle um drei Meter zu versetzen, um den Fließverkehr zu verbessern, wurde jedoch abgeschmettert mit dem Argument, die Busstation wäre unterkellert. Da fühlt sich der verärgerte Arbeitnehmervertreter veräppelt. „Sie können schreiben, dass die Stimmung sehr angespannt ist. Die Leute brauchen nämlich Lösungen – und zwar nicht nur bei den Themen Asyl und Migration.“

50 Cent pro Liter eingespartem Benzin

Bei der Firma E+E Elektronik in Engerwitzdorf unweit von Linz tut man sich da wesentlich leichter. Aber nicht etwa, weil der Standort auf einer grünen Wiese errichtet wurde. Das Eletronikunternehmen ist spezialisiert auf die präzise Messung von Feuchte und Temperatur. Seit dem Jahr 2002 ist es ISO-zertifiziert aufgrund seiner Umweltschutzmaßnahmen sowie Mitglied im Klimabündnis Österreich. Und um den Umweltschutzgedanken weiter zu tragen, sollten auch die Beschäftigten möglichst arm an Emissionen in das Unternehmen kommen können, war die Devise, schildert Matthias Maier.

Konkret sichert eine Betriebsvereinbarung seit dem Jahr 2003 den Beschäftigten dort zu, dass das Unternehmen „emissionsreduzierendes Fahrverhalten“ von und zur Arbeit fördert. Zur Auswahl stehen PKW-Fahrgemeinschaften oder die Benützung des Fahrrads. Das bewirke „eine Reduktion des unternehmensweiten CO2-Ausstoßes“, was der oberösterreichische Klimabündnisbetrieb mit Geld honoriert: 50 Cent pro Liter an eingespartem Treibstoff. Die Förderung wird durch die Anzahl der TeilnehmerInnen dividiert, so dass die MitarbeiterInnen am Jahresende eine anteilsmäßige Prämie erhalten.

Obwohl die Lage des Betriebes nicht gerade mit öffentlichen Verkehrsmitteln gesegnet ist, wird die Maßnahme sehr gut angenommen: „Von den circa 280 MitarbeiterInnen fahren regelmäßig 52 in einer Fahrgemeinschaft und 25 mit dem Rad zur Arbeit“, berichtet Betriebsratschef Matthias Maier. Das ist immerhin mehr als ein Viertel der Belegschaft. Die Fahrgemeinschaften erfordern einiges an Flexibilität. Ein Vorteil ist sicherlich, dass in Gleitzeit gearbeitet wird. Und dass es für die RadfahrerInnen obendrein überdachte Abstellplätze gibt – sowie Duschmöglichkeiten.

E-Bikes zum Ausleihen

Die MitarbeiterInnen von Swarovski Optik können sich für 10,66 Euro pro Monat ein E-Bike ausleihen.

In Tirol setzt Swarovski Optik in Absam unweit der „Radfahrstadt“ Innsbruck ebenfalls auf Rad fahrende MitarbeiterInnen. Auf einigermaßen spektakuläre Art: Heuer wurden bereits zum zweiten Mal 50 E-Bikes unter der Belegschaft verlost. Dabei handelt es sich um eine Kooperation mit dem Kufsteiner Start-Up-Unternehmen Greenstorm. Swarovski Optik übernimmt die gesamten Kautionskosten von 2.200 Euro pro Rad. Die MitarbeiterInnen können sich zudem für 10,66 Euro pro Monat ein E-Bike ausleihen.

Mittlerweile hat jede/r siebte der rund 760 MitarbeiterInnen ein Firmen-E-Bike. Das Unternehmen – erzeugt werden fernoptische Geräte wie Ferngläser, Teleskope, Zielfernrohre u.a. – will so zu einer Verkehrsberuhigung beitragen gleichermaßen wie die Gesundheit und Fitness seiner MitarbeiterInnen fördern. Die Rad-Aktion ist Teil eines umfassenden Angebots an Sozialleistungen des Unternehmens. „Natürlich unterstützt“ der Betriebsrat diese Maßnahmen, unterstreicht Vorsitzender Heinz Sonnweber auf Anfrage. Zusätzlich zu den kostenlosen Werksbussen übernehmt der Betrieb die Gebühren für die Jahreskarte der öffentlichen Verkehrsmittel.

Hunderte Radabstellplätze

Ebenfalls mit hunderten überdachten Radstellplätzen für die fast 900 MitarbeiterInnen auftrumpfen kann das Austrian Institute of Technology (AIT) in der Giefinggasse in Wien-Floridsdorf. „Bei uns kommen wirklich viele mit dem Rad in die Arbeit, auch jetzt im Winter. Im Sommer findest du da keinen freien Abstellplatz“, schildert Betriebsrat Andrew Lindley. Gut, dass die rot-grüne Stadtregierung das Radwegenetz in den vergangenen Jahren massiv ausbaute. Jetzt verläuft der Radweg direkt vor dem vor einem Jahr bezogenen AIT-Neubau entlang der Siemensstraße.

Ebenfalls eine Betriebsvereinbarung regelt, dass bei vorab registrierten Fahrgemeinschaften und bei Radfahrern drei Cent pro eingespartem Auto-Kilometer als Prämie rückerstattet werden. Ganz engagierter Arbeitnehmervertreter führt Lindley sogar die eigenen Sportvereine des AIT ins Treffen, die zur Bewusstseinsbildung und zu mehr körperlicher Mobilität der Beschäftigten beitragen sollen. Angedacht ist weiters, die Fahrzeugflotte an E-Autos auszubauen; das AIT hat in der näheren Umgebung Niederösterreichs (Seibersdorf, Tulln Wiener Neustadt) weitere Zweigstellen. Ladestationen für E-Bikes und -Autos sind selbstverständlich vorhanden.

Verkehr bewegt

Verkehr bewegt, im buchstäblichen Wortsinn und emotional, ja, „er greift in das Gesellschaftsleben ein“, sagt Siegfried Meisel von Frequentis. Das Familien- und inzwischen internationale Unternehmen mit Sitz in Wien-Favoriten entwickelt Kommunikations- und Informationssysteme für den Verkehr – allerdings primär, um die Flugsicherung zu managen sowie öffentliche Sicherheit und Verkehr, also bei Polizei, Feuerwehr, Rettung, Schifffahrt und Bahn. Der Betriebsrat hat das Thema „Weg zur Arbeit und wieder nach Hause“ bereits ausführlich bearbeitet. Nicht zuletzt deshalb, weil die fast tausend MitarbeiterInnen in Wien-Favoriten am eigenen Leib negative Auswirkungen der so genannten Parkraumbewirtschaftung, also Kurzparkzonen, in Teilen des 10. Bezirks und im angrenzenden 12. Bezirk spüren, „zeitlich und/oder finanziell“, schildert Betriebsrat Meisel. „Das hat bei uns zu Schreiduellen geführt.“

Laut einer internen Umfrage unter den Beschäftigten sind rund 30 Prozent aus unterschiedlichen Gründen auf den PKW angewiesen, aber doppelt so viele fahren – manche ein- bis eineinhalb Stunden – mit dem Auto zur Arbeit. Die Parkplätze am Firmengelände und außerhalb, etwa beim angrenzenden HighTechCenter am ehemaligen Philips-Gelände, sind erschöpft. Das Fahrrad kommt entfernungs- und wetterabhängig nur für zehn Prozent der Beschäftigten in Frage.

Der Betriebsrat hofft daher, dass in naher Zukunft die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, um in die Favoritner Innovationsstraße zu gelangen, vom Unternehmen durch verschiedene Maßnahmen gefördert wird. Diese Überlegungen sind aber noch ein „ungelegtes Ei“ und bedürfen weiterer Vorbereitung. Siegfried Meisel denkt beispielsweise in Richtung eines „Job-Tickets“ oder Unterstützung für Pendler, die vereinzelt aus Linz und aus dem Waldviertel einpendeln. Den Frequentis-MitarbeiterInnen ebenso wie der Verkehrssituation zu gute kommen bereits die Vertrauensarbeitszeit ohne Kernzeit und die Möglichkeit für „Home Office“.

Anbindung an die Öffis

Kalt erwischt von der angrenzenden Parkraumbewirtschaftung in Teilen des 11. Bezirks wurde auch die Firma Herba Chemosan am Stadtrand von Wien-Simmering. Die Parkplätze am Firmengelände reichen für ein Drittel der Beschäftigten – schließlich fährt auch hierher pro PKW meist nur eine Person, erzählt Franz Georg Brantner, Betriebsratsvorsitzender bei der Pharmagroßhandelsgesellschaft. Der freie Parkraum im Bezirk werde teilweise von Wochenpendlern verstellt.

Um die Haidestraße am Simmeringer Stadtrand zu erreichen, bleiben die Öffis: Busse und insbesondere die Schnellbahn mit eher längeren Fahrtintervallen sowie die etwas entfernter liegende U-Bahn. Deshalb hat das Unternehmen als Zubringer eine Handvoll (ehemals chinesischer) Leihfahrräder angekauft und zur Verfügung gestellt – allerdings existieren nur mehr wenige davon. Der Betriebsrat will weiter verhandeln, dass möglicherweise E-Roller angeschafft werden und die Beschäftigten ebenfalls ein Job-Ticket erhalten.

Shuttlebus reduziert Autofahrten

Ein Express Shuttlebus bringt die MitarbeiterInnen von Boehringer Ingelheim von der U-Bahn oder Schnellbahnstation zum Büro
Foto: Boehringer Ingelheim

Dieses will auch der Betriebsrat bei Boehringer Ingelheim in Wien-Meidling noch durchsetzen. Sowie als weitere Option einen Fahrtkostenzuschuss. Vorerst aber kann Betriebsratsvorsitzende Irmgard Gettinger von einer ziemlich erfolgreichen Mobilitätsinitiative berichten: „Der Shuttlebus ist der Hit bei uns!“ Durchgesetzt hat ihn ein firmeninternes Mobilitätsteam mit Beteiligung des Betriebsrates. Denn durch den Ausbau des relativ innerstädtischen Standortes fielen Firmenparkplätze weg und auch eine allenfalls grüne Wiese, um zusätzliche zu errichten, berichtet Gettinger. Seit zwei Jahren bringt der Express-Shuttle die Öffi fahrenden MitarbeiterInnen direkt von der Schnellbahn- oder der U-Bahn-Station zum Büro. Zusätzlich hat Boehringer Ingelheim gemeinsam mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen eigenen öffentlichen Stiegenabgang vom Bahnhof Hetzendorf zur Ostseite der Altmannsdorfer Straße Richtung Firmengelände errichtet. Für die Rad fahrenden MitarbeiterInnen gibt es 200 Stellplätze, Spinde und Duschen.

Die Zahlen geben dem Pharmaunternehmen recht, wie firmeninterne Umfragen aus 2016 und 2018 unter den rund 2.000 MitarbeiterInnen am Wiener Standort belegen. Gelangten früher 53 Prozent der Beschäftigten mit dem Auto zur Arbeitsstelle, waren es zuletzt nur mehr 29 Prozent; demgegenüber ist der Anteil der Öffi-BenutzerInnen von 36 auf 57 Prozent gestiegen, 14 Prozent fahren mit dem Rad oder kommen zu Fuß (früher: 11 Prozent). Für nächstes Jahr wird bei den AutofahrerInnen eine weitere Senkung auf bis zu 20 Prozent angepeilt, bei den Öffi-BenutzerInnen eine Steigerung auf bis zu 65 Prozent. Für sein Mobilitätskonzept wurde Boehringer Ingelheim 2017 mit dem Umweltpreis der Stadt Wien ausgezeichnet.

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