Das Coronavirus wird die Zahlen wohl kräftig durcheinander geschüttelt haben. Aber: es sind auch Zahlen, die sichtbar machen, warum es gerade in der aktuellen Krise so wichtig wäre, dass zum Beispiel die von der Regierung versprochenen Finanzhilfen auch bei den kleinen Unternehmen ankommen.
In seinem Mitte März erschienenen Buch „Statistisch gesehen“ präsentiert der Volkswirt Klemens Himpele, er leitet die Magistratsabteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien, Zahlenmaterial aus Österreich und Deutschland (Verlag Ecowin). Er macht dies mit viel Humor und streut viel Hintergründiges und Vordergründiges ein. So entsteht ein Geflecht an Zusammenhängen, das zeigt: ja, auch mit Zahlen kann man die Welt erklären.
Doch zurück zu Österreichs derzeit gebeutelter Wirtschaft. In Österreich sind – oder waren es eben bis zum Corona-bedingten Shutdown Mitte März – überwiegend kleine und mittelständische Betriebe aktiv. 87 Prozent der Unternehmen hier zu Lande haben weniger als zehn MitarbeiterInnen. Sie sind die JobgeberInnen für ein Viertel der Beschäftigten in Österreich und zeichnen für 19 Prozent der Wertschöpfung, aber auch für 19 Prozent der Investitionen verantwortlich. 0,4 Prozent der Betriebe beschäftigen 250 oder mehr MitarbeiterInnen. Obwohl wenige an der Zahl (insgesamt sind es 1.160 Unternehmen) sind sie allerdings ArbeitgeberInnen von einem Drittel der Beschäftigten in Österreich. Sie tragen zu 38 Prozent der Wertschöpfung bei und tätigen 37 Prozent der Investitionen.
Himpele hat sich aber auch die Wirtschaftsstruktur Österreichs genauer angesehen: 70 Prozent der Bruttowertschöpfung werden heute im Dienstleistungssektor erwirtschaftet. Damit ist das Land dienstleistungsdominiert. 28,5 Prozent stammen aus dem Bereich Produktion, nur mehr ein Prozent aus der Land- und Forstwirtschaft. Hier zeichnet der Autor auch den Wandel nach, der in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden hat. In den 1960er Jahren lag die Land- und Forstwirtschaft noch bei elf Prozent und der Produktionsbereich war mit 47 Prozent dominant. Der Dienstleistungssektor erzielte 42 Prozent der Wertschöpfung. Dieser Strukturwandel ist allerdings kein nur österreichisches Phänomen, sondern EU-weit zu beobachten.
Der österreichische Wohlstand verdanke sich wissensintensiven Produkten und Dienstleistungen, hält Himpele fest. Mit 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gab Österreich 2017 den zweithöchsten Wert in der EU – nach Schweden – für Forschung und experimentelle Entwicklung aus. Österreich investiere also erhebliche Summen in die Zukunft, schaffe es aber noch nicht, zu den Innovation Leadern aufzusteigen. Die Investitionen würden sich aber bei einem anderen Parameter schon stark auswirken: Die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen ist in Österreich 16,3 Prozent höher als im Durchschnitt der EU. Einen Zuwachs an Jobs erwartete der Experte (jedenfalls im März vor dem Shutdown) im Sozialbereich und in qualifizierten Dienstleistungsberufen wie etwa dem IT-Sektor.
Die Wirtschaft wurde durch die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus schwer durchgebeutelt. Man wird sehen, welche Unternehmen die Krise überstehen und welche schließen müssen, was auch immer mit dem Verlust von Jobs einhergeht. In anderen Kapiteln porträtiert Himpele unter anderem Wien und sieht sich etwa an, wer in dieser Stadt lebt. 47 Prozent der WienerInnen sind auch in Wien geboren, erfährt man da etwa, 36 Prozent haben ein anderes Geburtsland als Österreich, 17 Prozent sind in einem der anderen acht Bundesländer geboren. Ein ähnliches Bild ergebe sich übrigens, wenn man die Vergleichszahlen von 1920 anschaue, „mit dem entscheidenden Unterschied, dass viele der ‚Ausländer’ damals aus der Habsburgermonarchie kamen, heute kommen sie zur Hälfe aus der EU, zur Hälfte aus Drittstaaten“.
Doch woher stammen die WienerInnen von heute, die nicht in Österreich zur Welt kamen? Das wäre eine gute Frage für eine Rätselrunde beim sommerlichen Grillen. Jene, die permanent anprangern, „die Ausländer“ seien schon zu viele, kann man dabei aufklären: 64 Prozent der Wiener Bevölkerung wurden in Österreich geboren. Und jenen, die meinen, die Stadt werden von AfghanInnen überrannt: sie machen 0,9 Prozent der Wohnbevölkerung aus. 4,7 Prozent der WienerInnen stammen aus Serbien und Montenegro, 3,5 Prozent aus der Türkei. An dritter Stelle stehen hier die Deutschen mit 2,7 Prozent, dicht gefolgt von PolInnen mit 2,6 Prozent und BosnierInnen mit 2,5 Prozent. Jeweils 1,2 Prozent der WienerInnen stammen aus Syrien sowie Ungarn, 0,9 Prozent aus der Russischen Föderation.
All das zu wissen, könnte sich bei Debatten angesichts des anlaufenden Wiener Wahlkampfes durchaus als nützlich erweisen. Insgesamt bietet das Buch einen informativen Spaziergang durch Österreich und Deutschland und zeigt: so manche Zahl rückt so manche Schieflage in den Köpfen gut zurecht.
Klemens Himpele
„Statistisch gesehen. Echte Zahlen statt halber Wahrheiten aus Österreich und Deutschland“
Salzburg/München 2020
Ecowin Verlag, 216 Seiten
24 Euro
ISBN 978-3-7110-0249-5