Elfriede Stuphan ist Betriebsrätin bei SPAR. Regelmäßig besucht sie Filialen, um nah an den Sorgen und Anliegen der MitarbeiterInnen zu sein. Vom Staat hätte sie gerne einen Corona-Tausender für die „HeldInnen der Krise“.
Elfriede Stuphan hat turbulente Monate hinter sich und weiß: auch die nächsten Woche und Monate werden nicht einfach. Seit 2005 ist sie bei SPAR als Betriebsrätin tätig, seit 2017 Mitglied im Zentralbetriebsrat. 40.000 Menschen arbeiten österreichweit in den Filialen der Supermarktkette. Einmal in der Woche macht sie eine Filialtour und hört sich vor Ort an, welche Sorgen die MitarbeiterInnen plagen. „Was muss ich tun, wenn ich meine Arbeitszeit verkürzen will? Wie kann ich mich in eine andere Filiale versetzen lassen? Was muss ich tun, wenn ich in Pension gehen möchte?“ sind einige der Fragen, mit welchen sie dann üblicherweise konfrontiert ist.
Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie rückten andere Dinge in den Vordergrund. „Vor allem am Anfang war die Zahl der Anfragen enorm. MitarbeiterInnen wollten sich selbst schützen, aber es gab keine Masken. Es kamen Verordnungen heraus, aber viele Fragen wurden darin nicht klar beantwortet: Wer kann sich freistellen lassen? Wer ist eine Risikoperson? Das hing alles in der Luft. Ich habe vormittags Auskunft gegeben und nachmittags war schon wieder alles anders. Das hat mich sehr gefordert.“ Als dann die Schutzausrüstungen in den Filialen eintrudelten, stellten sich neue Fragen. „Acht Stunden mit Maske und vielleicht auch noch Brille arbeiten zu müssen, ist auch hart.“
Bitte Abstand halten!
Selbstschutz ist bis heute ein Thema, das Beschäftigte an sie herantragen, erzählt Stuphan. Sie hätten dafür zu sorgen, dass in den Filialen Abstand gehalten wird, aber bei ihren Besuchen in den SPAR-Supermärkten sehe sie selbst, „wie die Kunden zu den MitarbeiterInnen gehen und ihnen oft viel zu nahe kommen. Sie denken sich nichts dabei, aber für die Beschäftigten ist das eine schwierige Situation“.
Erfreulich sei, dass sich das Unternehmen inzwischen für den besonderen Einsatz der MitarbeiterInnen erkenntlich zeigte. Vollzeitbeschäftigte erhielten 150 Euro, Teilzeit Arbeitende 75 Euro. „Jetzt hoffe ich, dass so eine Zahlung nochmals kommt, denn es ist noch nicht das Ende.“ Aber auch den Staat nimmt sie hier in die Pflicht. Gerade die Angestellten im Lebensmittelhandel seien über Wochen als die „HeldInnen der Krise“ bezeichnet worden. „So ein Corona-Tausender für die HeldInnen der Krise wäre nicht schlecht.“
Coronavirus-bedingt hat Stuphan für einige Wochen die Besuche in den Filialen eingestellt. Inzwischen aber ist sie wieder wöchentlich auf Tour. Abstandhalten wird bei diesen Besuchen groß geschrieben, auf das Händegeben bei der Begrüßung verzichtet sie inzwischen ebenso.
Eine Spätberufene wird Gewerkschaftsmitglied – und Betriebsrätin
Stuphan lebt seit ihrer Kindheit in Niederösterreich. Sie ist eine Spätberufene, sowohl was die Arbeit im Handel als auch ihre Tätigkeit als Betriebsrätin angeht. Nach ihrer Schulzeit im Internat bei den Englischen Fräulein in St. Pölten begann sie ihre berufliche Laufbahn zunächst als Vignettenzeichnerin bei Lilienporzellan und war später in der Rohproduktion tätig. Inzwischen gibt es die Porzellanmanufaktur schon seit Jahren nicht mehr. Als Stuphan den Betrieb verließ, um sich um ihre drei – inzwischen erwachsenen – Kinder zu kümmern – wurden dort aber noch fleißig die typischen Teller und Tassen im bunten Daisy-Design gefertigt und auf andere Stücke die typische rustikale Rose gemalt.
Die Kinder wurden größer und Stuphan zog es wieder in die Arbeitswelt. 2000 fing sie bei SPAR zu arbeiten an. Etwas mehr als ein Jahr später kam sie zum ersten Mal in Kontakt mit dem Betriebsrat: „2002 hatte ich in der Familie drei Todesfälle und da hat keiner gewusst, wie das ist mit der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung. Da habe ich mich an den Betriebsrat gewandt.“ Dabei wurde ihr Interesse sowohl an Gewerkschafts- als auch Betriebsratsarbeit geweckt.
Stuphan wurde Gewerkschaftsmitglied und absolvierte, da sie zu der Zeit nur 20 Stunden arbeitete, daneben die Gewerkschaftsschule. Wenn sie etwas macht, dann ordentlich, sagt sie. Auch als sie in früheren Jahren einmal zusätzlich zu ihrem Hauptjob als Vertreterin für Staubsauger arbeitete, habe sie sich zur Gebietsleiterin fortgebildet. Sie hat aber auch die Prüfung zur Imkerin abgelegt und betreut nun sowohl Bienenstöcke in ihrem eigenen Garten als auch solche, die auf einer Wiese hinter einer SPAR-Filiale stehen und von der Handelskette gesponsert werden. „Wenn ich etwas mache, möchte ich auch das fachliche Knowhow beherrschen“, sagt sie.
Viele MitarbeiterInnen wissen nicht, was im Kollektivvertrag steht
Ihr großes Ziel als Betriebsrätin war, bis zu ihrer Pensionierung einen Jugendvertrauensrat im Unternehmen zu installieren. Das Ziel hat sie bereits erreicht, diesen Februar wurden die sechs Mitglieder dieses Gremiums gewählt. „Das sind Leute, die erlernen die Betriebsratsarbeit von jung auf. Damit bin ich sehr glücklich. Das ist der Nachwuchs für den Betriebsrat.“ Die Kollektivvertragsverhandlungen seien immer wieder aufs Neue eine Herausforderung, da sei es gut, wenn es MitarbeiterInnen gebe, die hier ein entsprechendes Bewusstsein hätten.
Was Stuphan bei ihren Besuchen in Filialen immer wieder feststellt: viele MitarbeiterInnen meinten, das, was ihnen an Ansprüchen zustehe, sei gesetzlich verankert. „Aber das meiste steht im Kollektivvertrag.“ Oft sei das dann ein Aha-Erlebnis, nicht selten treten Menschen dann der Gewerkschaft bei. „Das sehe ich sehr positiv, denn das zeigt, dass es gelingt zu vermitteln, da ist jemand, der sich um mich kümmert. Der Marktleiter ist in der Arbeitgeberfunktion. Aber der Betriebsrat ist ein Arbeitnehmer, der Auskunft geben kann.“
Freuen würde sich Stuphan, wenn die Kollektivvertragsverhandlungen sich einmal anders anfühlen würden, als immer in der Bittsteller-Position zu sein. Ihre Hoffnung ist, dass die Arbeitgeberseite sieht, was die MitarbeiterInnen in der Corona-Krise geleistet hätten und weiter leisten. „Schön wäre, wenn da mehr Wertschätzung spürbar wird. Das wäre ein großer Schritt.“ Dass man sich manchen Zielen oft besser mit Bedacht annähert, weiß sie auch im Privatleben. Die passionierte Motorradfahrerin wählt bei Touren den langsamen Weg über Land- oder sogar noch kleinere Straßen. Es geht um die Freude am Fahren, nicht nur das Ziel. Genauso viel Freude bereitet ihr auch die Arbeit als Betriebsrätin. „Man sieht, dass man etwas bewegen kann.“
Zur Person
Elfriede Stuphan, geb. 1963 in Wilhelmsburg, zunächst Vignettenzeicherin bei Lilienporzellan, später dort in der Rohproduktion tätig. Nach der Geburt der inzwischen erwachsenen drei Kinder für einige Jahre Familienpause, ab 2000 bei SPAR tätig, seit 2005 Betriebsrätin, seit 2017 stellvertretende Vorsitzende des Zentralbetriebsrats von SPAR.