„Wer nicht kämpft, hat schon verloren“

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Weil er sich nicht alles gefallen lassen wollte, gründete Joe Zaunbauer 2014 einen Betriebsrat. Seither kümmert er sich um die Belegschaft, die mehrere Besitzerwechsel, eine Insolvenz und die Corona-Krise zu verkraften hat.

Schnell ans Ziel. Seine Lehre als Einzelhandelskaufmann mit KFZ-Schwerpunkt absolvierte Joachim „Joe“ Zaunbauer bei Porsche Oberlaa. Bald wechselte er zum Autozubehör-Unternehmen Forstinger: „Da komme ich punkto Karriere schneller voran, dachte ich mir“, erzählt der heute 36-Jährige. Tatsächlich stieg Zaunbauer 2005 als Filialleiter-Stellvertreter ein, konnte schnell seine eigene Filiale übernehmen. 

Auf seinem Weg nach oben hatte Zaunbauer nicht mit dem von Angst geprägten Firmenklima gerechnet – die MitarbeiterInnen ließen „so gut wie alles mit sich machen und es gab in diesen Jahren keine Stelle im Unternehmen, an die wir uns vertraulich hätten wenden können“, erinnert er sich.

Wider der 100-Kilometer-Pendelei

Den finalen Anlass, 2014 einen Betriebsrat zu gründen, boten Versetzungen, die vom Forstinger, damals einfach so angeordnet wurden. Joe  Zaunbauer: „Da sollte auf einmal quer durch Österreich versetzt werden, manche Mitarbeiter hätten 100 Kilometer pro Tag pendeln müssen – auch mich hat es getroffen!“.

Wesentlich einfacher wäre es gewesen, in ein anderes Unternehmen zu wechseln, doch derart wollte sich der Filialleiter nicht verabschieden. „Das kann ich mir nicht gefallen lassen, probieren wir einen Betriebsrat zu gründen“, sagte sich Zaunbauer. „Denn wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

„Da sollte auf einmal quer durch Österreich versetzt werden, manche Mitarbeiter hätten 100 Kilometer pro Tag pendeln müssen – auch mich hat es getroffen!“

Joachim Zaunbauer

Mit Wissen gründen

Der erste Weg sollte zur GPA-djp führen, dachte sich auch der angehende Betriebsrat Joe Zaunbauer. „Wir hatten drei Monate Vorbereitungszeit, führten intensive Gespräche in der der GPA-djp-Zentrale im 3. Bezirk und bekamen sämtliche wichtigen Informationen“, erzählt Zaunbauer, der die Gewerkschafts-Termine nach der Arbeit absolvierte. Von der geplanten Gründung wussten am Anfang nur zwei KollegInnen: „Aber wir merkten bald, dass wir mehr Leute brauchen und haben das Umfeld erweitert“. Wenig Begeisterung zeigte der Arbeitgeber, die ersten Termine konnten nur in Anwesenheit eines Anwalts der Arbeitgeberseite stattfinden. „Das Verhältnis war schwierig“, weiß Zaunbauer, der sich auf die Unterstützung von GPA-djp-Regionalsekretär Dieter Preinerstorfer verlassen konnte. „Er ist jedes Treffen mit uns durchgegangen, war bei den Terminen dabei und hat sich auch mit den Unternehmensanwälten auseinandergesetzt.“

Mit Erfolg: das Betriebsratsgremium wurde 2014 gewählt, 2018 erfolgte die die Wiederwahl.

Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Großer Arbeitseinsatz für den frischen Betriebsrat

Gleich drei Forstinger-Eigentümer sah der Betriebsrat seit seiner Gründung 2014 an sich vorüberziehen – 2018 sollte ein Desaster mit sich bringen, das Unternehmen war insolvent. „Das war ein Schock für uns alle – am Monatsende kam kein Geld mehr aufs Konto.“ Die Insolvenz führte zu massivem Stress, bei den MitarbeiterInnen und dem Betriebsrat: „Am Anfang hat es sich angefühlt, als ob ich mit jedem einzelnen Mitarbeiter ein Telefonat geführt habe“. Gewaltig war die Verunsicherung der Beschäftigten. Wie es nun mit dem Arbeitsplatz weitergehen sollte, wie den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen sei und so viele andere Fragen drängten sich auf.

„Das war ein Schock für uns alle – am Monatsende kam kein Geld mehr aufs Konto.“

Joachim Zaunbauer

Zwar existiert ein österreichischer Insolvenz-Entgeltfonds, der für die Löhne der Belegschaft aufkommen sollte, doch das ganze Verfahren dauert mitunter sehr lange – Zeit, die den MitarbeiterInnen, die plötzlich ohne Lohn auskommen sollen, fehlt. Die Forstinger-Belegschaft ging zu ihrem Betriebsrat und der telefonierte sofort mit den jeweiligen Banken. Betriebsrat Zaunbauer: „Wir haben ihnen bestätigt, dass die Firma insolvent ist. Mit den Bankmanagern konnten wir teilweise zinslose Überziehungsrahmen für unsere MitarbeiterInnen ausverhandeln“. Im Laufe des Insolvenzverfahrens wurden 17 Filialen geschlossen, über 100 Beschäftigte mussten die Firma verlassen. Zaunbauer zeigt sich freilich auch zwei Jahre nach der Insolvenz erschüttert, ist aber froh, dass der Betriebsrat „einige MitarbeiterInnen“ an andere Unternehmen vermitteln konnte.

Corona dämpft den Neuanfang

Joe Zaunbauer und seine BetriebsratskollegInnen vertreten derzeit rund 500 ArbeitnehmerInnen, 636 waren es vor der Insolvenz. Der Betriebsratsvorsitzende bedauert die Abwesenheit eines Arbeiterbetriebsrats, doch auch an diesem Thema wird emsig gewerkt. „Wenn der Eigentümer wechselt, muss man praktisch bei Null anfangen. Doch ich denke, dass sich die Gespräche verbessert haben“, erklärt Zaunbauer. „Es herrscht ein besseres Klima, wir können sagen, was wir meinen und konstruktive Kritik äußern, die auch ernst genommen wird.“ Der Betriebsrat wird Jahr für Jahr stabiler, sein Stellenwert ist längst zu einer feststehenden Größe gewachsen.

Doch COVID-19 hat auch den Forstinger-Betrieb getroffen. „Wir sind aus dem Lockdown gut rausgekommen, doch am Anfang war es extrem schwierig, weil die Verordnungen ständig geändert wurden“, erinnert sich Zaunbauer. Schwierig war es aber die  Belegschaft zu erreichen. „Wir wollten unsere MitarbeiterInnen – die meisten waren zuhause – mit allen zur Verfügung stehenden Kanälen informieren“, erzählt der Betriebsratsvorsitzende. Das gestaltete sich schwierig, denn telefonisch waren die KollegInnen kaum zu erreichen, persönliche Gespräche konnten schon gar nicht stattfinden. Gemeinsam mit der Firma wurden wichtige Infos etwa über den Betriebsratsblog verbreitet: „Der Arbeitgeber hat gut reagiert, gemeinsam haben wir das alles sehr gut geschafft“. Denn das Geschäft lief nach dem Lockdown, Kurzarbeit gab es nur in den ersten drei Monaten.

„Wir sind aus dem Lockdown gut rausgekommen, doch am Anfang war es extrem schwierig, weil die Verordnungen ständig geändert wurden“

Joachim Zaunbauer

Gibt es eine Krise steigt die Belastungen für die Betriebsräte. „Wer Betriebsrat werden will, soll offen sein auf die andere Seite zuzugehen und einen langen Atem haben“, rät Zaunbauer. Auf diese Weise gelingt die Kommunikation wesentlich einfacher, ist der Gewerkschafter überzeugt.  Vor wenigen Wochen war Joe Zaunbauer  längere Zeit im Krankenstand, bei seiner Rückkehr warteten 50 Anfragen per Telefon und ein Haufen Post. „Die Anrufe habe ich Stück für Stück abgearbeitet, denn egal, um welches Problem es sich handelt, Betriebsräte sind der Ansprechpartner.“ Der Niederösterreicher bezeichnet sich selbst als Perfektionisten, der auf gute Vorbereitung vertraut: „Ich brauche länger, doch dafür funktioniert es“.

Zur Person:
Joachim Zaunbauers „größtes Hobby“ ist sein 4-jähriger Sohn Jan, mit dem er „jede freie Minute genießt“. Neben dem Schock der Forstinger-Insolvenz, war das Jahr 2018 auch in den zutiefst privaten Belangen ein Horror: Scheidung, letale Krebserkrankung des Vaters. Auch davon wollte sich der Betriebsrat nicht unterkriegen lassen: „Das Leben geht weiter, man muss kämpfen“. Was Zaunbauer an seiner Ausbildung geändert hätte: dem KFZ-Handel würde er heute den KFZ-Techniker vorziehen. „Das ist ein spannendes Spektrum – ich bin neugierig, wie sich Antriebstechniken und Mechaniker-Beruf weiterentwickeln werden.
Neben Obstacle-Runs (Hindernisläufen), schätzt Zaunbauer das Wandern. „Wer bei Forstinger arbeitet, hat auch Benzin im Blut – ich gehe gerne Motorradfahren.“ Mit seiner Suzuki Intruder ist er schon bis Nizza gereist: „Gemütlich fahren, Landschaft anschauen und ein bisschen abschalten“. Er ist  bekennender Rapid-Fan. Rapid Mitglied mit Saisonkarte. „Lange Zeit bin ich im Fanblock gestanden aber mit Kind wird alles ruhiger. Als Betriebsrat ist er für alle Mitarbeiter da, sogar für die Austria Wien Fans unter ihnen.

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