Ungleichheit bei Einkommen schlimmer als gedacht

Foto: Suzy Hazelwood von Pexels

Eine aktuelle Studie der Wiener Wirtschaftsuniversität zeigt, dass für den Großteil der ÖsterreicherInnen das reale Einkommen zwischen 2004 und 2016 stagnierte. Besonders Junge haben zu kämpfen.

Es ist eine Studie mit Sprengkraft: Die Ungleichheit bei den Einkommen in Österreich ist weitaus größer als bislang angenommen und erreicht, salopp formuliert,  amerikanische Verhältnisse. Demnach verdienen die einkommensstärksten zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung mehr als das Dreifache des österreichischen Durchschnitts und siebenmal mehr als die einkommensschwächste Bevölkerungshälfte. Zu diesem Ergebnis kommen Ökonomen der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), die den Zeitraum von 2004 bis 2016 unter die Lupe genommen haben. Dabei stellte sich heraus, dass die Finanzkrise 2008 die Ungleichheit zunächst verringert hat, seit dem Jahr 2012 geht die Einkommensschere aber wieder auseinander.

Emanuel List, einer der Studienautoren an der WU, fasst die Gründe für diese Entwicklung so zusammen: „Eigentlich wurde eine Annahme bestätigt, die wir schon erwartet hatten: Die Kapitaleinkommen spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Die Ungleichheit wird stark durch diesen Faktor getrieben.“ Gemeint ist damit die Tatsache, dass Einkommen aus Zinsen und Dividenden aber auch Unternehmensgewinne sehr stark konzentriert sind – stärker als mancher vermuten würde. Bei den reichsten zehn Prozent machen sie mehr als ein Drittel, beim reichsten Prozent sogar mehr als 50 Prozent aus. Das erklärt auch, warum das Auseinanderdriften bei den Einkommen im Zuge der Finanzkrise 2008 vorübergehend abgenommen hat: Kapitaleinkommen und Unternehmensgewinne sind damals besonders stark eingebrochen.

Junge am stärksten betroffen

Für den Großteil der ÖsterreicherInnen stagnierte das reale Einkommen in den untersuchten zwölf Jahren. Besonders hart trifft es dabei junge Menschen unter 30 Jahren. List dazu: „Bei den Jungen stellen wir tatsächlich einen negativen Pfad fest. Die Einkommensentwicklung ist real gefallen.“ Die Gründe dafür sind nicht eindeutig herauszufiltern –  die Einschätzung, dass es für Berufseinsteiger und jüngere Personen offenbar schwer ist, gut bezahlte Jobs zu finden, liegt aber nahe.

„Bei den Jungen stellen wir tatsächlich einen negativen Pfad fest. Die Einkommensentwicklung ist real gefallen.“

Emanuel List

Insgesamt verbessert sich die Situation durch funktionierende Sozialleistungen. So zeigt die Analyse der Ökonomen auch, dass der Großteil der Bevölkerung von der bestehenden Umverteilung – etwa im Bildungs- und Gesundheitssystem sowie im sozialen Wohnungsbau – profitiert. Darunter fallen Sachleistungen oder staatliche Dienstleistungen, die grundsätzlich allen BürgerInnen zur Verfügung stehen und die die verfügbaren Einkommen steigen lassen.

Auftrag an die Politik

Die Autoren haben für die Erhebung eine neue Methode eingesetzt und erstmals Daten aus Befragungen und dem Steuerregister mit Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verknüpft. Damit sollen die Ergebnisse präziser und vor allem mit anderen Ländern besser vergleichbar gemacht werden. Was die jüngsten Erkenntnisse für die heimische Wirtschaftspolitik bedeuten, beschreibt List wie folgt: „Gerade in der aktuellen Situation wo aufgrund der Corona-Krise fast bedingungslos Schulden aufgenommen werden, stellt sich die Frage, wie wir das zurückzahlen. Über vermögensbezogene Steuern nachzudenken ist vor diesem Hintergrund keine ideologische Forderung.“ Im Klartext: Ein Anziehen bei Vermögens- und Kapitalertragssteuern ist das Gebot der Stunde. 

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