Gerechte Verteilung erwünscht

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Millionenerbin und „taxmenow“-Sprecherin Marlene Engelhorn tritt dafür ein, dass Hochvermögende mehr Steuern bezahlen. Um das Thema Verteilungsgerechtigkeit in die öffentliche Debatte zu bringen, gründet sie im März einen Bürger:innenrat, der 25 Millionen Euro aus ihrem Erbe an die Allgemeinheit rückverteilen soll.

KOMPETENZ: Warum ist Ihnen das Thema Steuergerechtigkeit ein Herzensanliegen?

Engelhorn: Ich möchte, dass wir uns als Gesellschaft mehr umeinander kümmern, dieses Prinzip gehört institutionalisiert. In Österreich gibt es keine Steuergerechtigkeit. Auf der Einnahmenseite werden Vermögende kaum zur Kasse gebeten, 80 Prozent der Steuereinnahmen kommen aus Arbeit und Konsum. Es ist einfach ungerecht und unsinnig, dass Hochvermögende für ihr Einkommen aus Erbschaften oder Schenkungen keine Steuern abführen müssen, während die Abgaben auf Arbeit immer stärker steigen.

KOMPETENZ: Wird dadurch die bestehende Ungleichverteilung von Reichtum weiter verstärkt?

Engelhorn: Ja, es ist krass: Ein Prozent der Österreicher:innen hat Zugang zu 50 Prozent des Vermögens. Die restlichen 99 Prozent der Bevölkerung teilen sich die andere Hälfte. Der Reichtum ist tatsächlich in der Hand weniger Menschen: Die untere Einkommenshälfte der Österreicher:innen besitzt gerade einmal drei Prozent aller Vermögenswerte.

Diese immensen Ungleichheiten sind das Ergebnis von politischen Entscheidungen, die in den letzten 40 Jahren Vermögende immer weiter entlastet haben. Hochvermögende müssten keine Abstriche in ihrer Lebensführung machen, wenn sie für ihr ererbtes Vermögen, das ihnen allein aufgrund des Zufalls ihrer Geburt zufällt, ein oder zwei Prozent Steuern abführen würden. Die breite Masse der Arbeitnehmer:innen kämpft im Gegensatz dazu aktuell mit steigenden Preisen und wird durch die Steuern auf Arbeit und die Güter des täglichen Bedarfes immer stärker belastet.

Geld ist eine geteilte Ressource – wenn sie an einem Ende konzentriert wird, fehlt sie logischerweise am anderen Ende. Je mehr Vermögen sich also bei einigen wenigen Reichen anhäuft, desto angespannter wird die Situation für alle anderen.

KOMPETENZ: Wodurch wird die aktuelle Verteilungsdynamik verstärkt?

Engelhorn: Unser Wirtschaftssystem verstärkt bestehende Ungleichheiten, weil es eng an das politische System gekoppelt ist. So geben die Reichen vor, welche Steuermodelle angewandt werden – zu ihrem eigenen Vorteil.

Vermögen entsteht ja auch durch die Gesellschaft. Ohne die Arbeit und das Leben von 99 Prozent der Bevölkerung könnte das eine, reiche Prozent kein leistungsloses Einkommen erwirtschaften. Überreiche können nur Vermögen haben, weil andere Menschen ihre Einkommen dafür aufwenden um Miete zu bezahlen, Sachgüter und Rohstoffe zu kaufen oder um Ressourcen zu nutzen. Die Gewinne fließen zur besitzenden Klasse zurück.

KOMPETENZ: Wie könnte man verteilungspolitisch gegensteuern?

Engelhorn: Ich fände es gerecht, für Einkommenszuwächse aus Kapital oder Ressourcen, für die ich als Besitzerin ja tatsächlich gar nicht arbeiten muss, Steuern zu bezahlen – wie für jedes Einkommen aus Erwerbsarbeit auch.

Hochvermögende werden jedes Jahr alleine durch die Renditen für ihr Geld noch reicher – durch den steigenden Wert von Finanzprodukten, Rohstoffen oder durch das Eigentum an Ressourcen, für das andere Mieten oder Gebühren bezahlen müssen.

Das Problem dabei ist, dass angehäuftes Eigentum und das daraus erwirtschaftete Vermögen die Einkommen der arbeitenden Bevölkerung weiter abzieht. Dadurch wird ein soziales Prekariat geschaffen, während Vermögen steuerlich nicht angetastet wird.

„Überreiche müssten sich nicht einschränken, wenn sie ein oder zwei Prozent Steuern auf ihre Vermögenszuwächse zahlen.“

Marlene Engelhorn

KOMPETENZ: Wäre eine progressive Kapitalertragssteuer eine gute Lösung?

Engelhorn: Ja, denn es hätte schon eine große Wirkung, wenn alleine auf den Zuwachs von Vermögen Steuern eingehoben würden. Ich bin der Meinung, dass die Einkommenssteuern grundsätzlich anders gestaltet werden müssten – Vermögen darf nicht weiterhin ignoriert werden.

Wir müssen uns bewusst sein, dass unser Steuersystem von den Reichen und Mächtigen festgelegt wurde um ihre eigene Position zu festigen. Es bildet die Machtverhältnisse einer Gesellschaft ab und bestimmt die soziale Lage der Menschen. Individuelle Fähigkeiten spielen hier kaum eine Rolle, denn für geerbtes Vermögen hat man in der Regel gar nichts geleistet.

KOMPETENZ: Sie sind selbst hochvermögend und finden Steuern auf Vermögen großartig?

Engelhorn: Ja, weil niedrige Steuern auf Vermögen keine positiven Effekte auf die Gesamtgesellschaft haben –  das hat eine Studie der London School of Economics gezeigt. Steigen die Gewinne der Unternehmen, wird deswegen nicht mehr in den Betrieb oder die Arbeitsbedingungen investiert – meist werden Boni für die Manager:innen oder Dividenden für die Aktionär:innen ausbezahlt.

Ich fordere seit Jahren als Teil der Bewegung „taxmenow“ eine gerechtere Besteuerung von Hochvermögenden. Wir möchten Aufmerksamkeit für die bestehende Ungleichbehandlung von Besitz, Arbeit und Gütern des täglichen Bedarfes im Steuersystem erreichen und damit einen öffentlichen, demokratischen Diskurs zum Thema Verteilungsgerechtigkeit anstoßen.

In Deutschland werden jährlich rund 400 Milliarden Euro vererbt, zwei Prozent davon, also 8 Milliarden bleiben beim Fiskus. Das ist eine de-facto-Steuer von zwei Prozent, dabei liegt der Mindestsatz bei sieben Prozent. Auch hier sind Ausnahmen die Regel. Und dennoch: Mit diesen Einnahmen könnte man auch bei uns sinnvolle soziale Maßnahmen setzen.

KOMPETENZ: Sie stellen rund 90 Prozent Ihres Erbes zur Rückverteilung an die Allgemeinheit zur Verfügung. Sie könnten sich damit auch einfach ein sorgenfreies Leben gönnen.

Engelhorn: Es sind gesamt mindestens 90 Prozent, mit dem „Guten Rat” überschreite ich diese Grenze. Das Thema Rückverteilung beschäftigt mich aber schon sehr lange. Wir müssen Vermögen dahin verteilen, wo es zu wenig davon gibt. Ich möchte zu dem Themenkomplex aber kein Berechtigungsgefühl aufbauen und werde keine Rolle in dem Verteilungsprozess spielen. Daher habe ich den „Guten Rat“ ins Leben gerufen, der sich mit der Verteilungsfrage beschäftigen wird. Ich möchte etwas verändern, indem ich meine Macht dem demokratischen Prozess überlasse.

Wir haben 10.000 Menschen eingeladen, sich an der Entscheidung zu beteiligen, wie jene 25 Millionen Euro, die ich zur Rückverteilung an die Allgemeinheit zur Verfügung stelle, verwendet werden.

Der „Gute Rat“ konnte legitimes Interesse an der Diskussion des Verteilungsthemas belegen, wir konnten daher 10.000 zufällige Adressen aus dem Melderegister von in Österreich gemeldeten Bürger:innen anschreiben. Aus jenen, die mitmachen wollen, wird das Foresight Institut 50 Leute auswählen, die repräsentativ für die in Österreich lebende Bevölkerung sind. Dabei werden Faktoren wie Einkommen, Familienstand, Nationalität und Wohnort berücksichtigt.

Diese Menschen sollen dann an sechs Wochenenden von März bis Juni in Salzburg die Verteilungsfrage von Vermögen diskutieren und die Rückverteilung der 25 Millionen demokratisch bestimmen.

„Ich möchte erreichen, dass öffentlich über mehr Verteilungsgerechtigkeit diskutiert wird.“

Marlene Engelhorn

KOMPETENZ: Was erwarten Sie sich von dem Bürgerrat?

Engelhorn: Ich will, dass das Thema Verteilungsgerechtigkeit in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung rückt und dass alle Vermögenden im Land stärker besteuert werden. Die Diskussion darüber muss demokratisiert werden, die Menschen müssen verstehen, dass sie mitbestimmen können, wenn sie sich einbringen.

Der „Gute Rat“ wird die Verteilungsfrage von Vermögen breit diskutieren und entscheiden, wie das zur Verfügung gestellte Geld verteilt wird. Auf das Ergebnis bin ich schon sehr gespannt.

KOMPETENZ: Klingt nach einem aufwendigen Prozedere?

Engelhorn: Jede Art von Gerechtigkeit muss erkämpft werden, jede nachhaltige Veränderung ist das Ergebnis mühsamer Prozessarbeit. Eine gerechte Verteilung kann kein Geschenk der Reichen an ärmere Bevölkerungsschichten sein. Die meisten Veränderungen passieren von unten nach oben.

Die Reichen werden nicht von alleine die Probleme der Armen lösen. In einer Demokratie müssen sich die Wenigen dem Willen der Mehrheit beugen, wobei der Minderheitenschutz immer respektiert und gewahrt werden muss. Wenn wir es schaffen, gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten zu verändern, dann können wir etwas bewegen. Solche Veränderungen entsprechen selten dem Wunsch der Mächtigen – die Gesellschaft als Ganzes muss Verbesserungen durchsetzen, damit sie zum Recht werden. Ich rechne mit grobem Widerstand jener, die meinen, Sie hätten etwas zu verlieren.

KOMPETENZ: Haben die Reichen Angst vor einem Verlust von Macht und Wohlstand?

Engelhorn: Diese tiefsitzende Angst der Überreichen hat mit der Realität nichts zu tun. Einstellige Steuern auf bestehendes Vermögen ändern wenig am Reichtum der besitzenden Klasse, sie reduzieren höchstens den weiteren Zuwachs an Vermögen in einem geringen Ausmaß.

Vermögende und große Firmen haben bei uns mehr Einfluss auf die Ausgestaltung des Rechtssystems als einfache Bürger:innen. So verfügt Amazon beispielsweise über eine größere Rechtsabteilung als die Europäische Union und kann dadurch für entsprechenden Druck sorgen, nationale Rechtssysteme für das Unternehmen vorteilhaft auszugestalten. Auch das Stiftungs- und Gesellschaftsrecht bietet jede Menge legale Schlupflöcher, damit Superreiche ihren Wohlstand bequem verwalten können.

Ich glaube daran, dass unser „Guter Rat“ einen guten Verteilungsmodus erarbeiten wird. Die Ergebnisse derartiger sozialer Ausgestaltungsprozesse können ins Rechtssystem einfließen und unsere Gesellschaft verändern. Nichts ist unveränderbar, auch nicht die Privilegien der Überreichen.

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