Angesichts der rücksichtslosen Geschäftspraktiken von Online-Konzernen wie Amazon und einer weitgehend tatenlosen Politik, gibt es immer mehr Stimmen, die Konsequenzen im Arbeits-Steuer-und Umweltrecht fordern.
Rund 80 Prozent der Steuerlast in Österreich wird derzeit von den ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen erbracht. Die Gefahr, dass die Kosten der COVID-19-Krise wieder auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt werden, ist hoch. Das ist ungerecht, denn es gibt einige auch in Österreich tätige Unternehmen, die von der Pandemie profitieren und daran wachsen. Sie zahlen geringe Steuern, halten sich kaum an Arbeitsgesetze und belasten zudem die Umwelt. Während etwa der Online-Konzern Amazon Milliardengewinne einstreicht, bleiben Umwelt, stationäre HändlerInnen und ArbeitnehmerInnen auf der Strecke.
Erniedrigende Arbeitsbedingungen
Das Geschäftsmodell von Online-Riesen wie Amazon oder Alibaba muss transparent werden und sich Regellungen beugen, fordern die Gewerkschaft GPA, der Handelsverband und Greenpeace in einer gemeinsamen Erklärung. „Es ist kein Geheimnis, dass Amazon als schlechter Arbeitgeber gilt“, erklärt Gewerkschaft GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Dass es weltweit Missstände bei Amazon gibt, haben zahlreiche – auch verdeckte – Recherchen ans Licht gebracht. Den Beschäftigten soll nicht einmal Zeit für einen Toiletten-Gang bleiben – wer zu oft das WC aufsucht, der fliegt. Die MitarbeiterInnen werden überwacht (auch durch einen Algorithmus, der ihre Arbeit kontrolliert und auswertet), Gewerkschaftsaktivitäten behindert und Betriebsratsarbeit unterbunden. Erst Ende Juni wurde an sechs Amazon-Standorten in Deutschland gestreikt.
Nicht viel besser präsentiert sich Amazon in Österreich – im Sommer 2019 konnte die Gewerkschaft GPA fragwürdige Praktiken im Paket-Verteilzentrum Großebersdorf (Bezirk Mistelbach) aufdecken (ein zweites Verteilzentrum wurde heuer in Wien Liesing eröffnet). Die Vorwürfe reichen von Überwachung der Belegschaft über Disziplinierungsmaßnahmen bis hin zu erniedrigenden Vorschriften, denen die Beschäftigten ausgesetzt seien.
„Am schlimmsten ist es, dass man am Anfang der Woche nicht weiß, ob man am Ende der Woche noch einen Job hat“
Ehemaliger Beschäftigter von Amazon
Ein ehemaliger Amazon-Mitarbeiter fasst die beklemmenden Arbeitsverhältnisse so zusammen: „Am schlimmsten ist es, dass man am Anfang der Woche nicht weiß, ob man am Ende der Woche noch einen Job hat“. Ein Scanner, der als Arbeitsgerät benutzt wird, registriert die Arbeitsleistung – die MitarbeiterInnen selbst haben jedoch keine Möglichkeit, ihre Daten einzusehen. Anhand der Auswertung entscheidet sich, ob die Beschäftigung verlängert oder der Mensch gefeuert wird. Wer im Verteilzentrum arbeitet, darf keine persönlichen Gegenstände bei sich tragen: das gilt u.a. für Handys, Uhren, Gürtel und selbst Kaugummi.
Auch ist ein überwiegender Anteil der Beschäftigten im Lager nicht direkt bei Amazon angestellt, sie sind Leiharbeitskräfte. GPA-Vorsitzende Barbara Teiber: „Gemeinhin werden LeiharbeiterInnen von Firmen engagiert, um Spitzen abzudecken, aber nicht für die Regelarbeit“. Um einen derartigen Missbrauch in Zukunft zu unterbinden, fordert die Gewerkschaft GPA von der Regierung: der Anteil an Leiharbeitskräften in einem Unternehmen muss auf 50 Prozent beschränkt werden. „Außerdem sollen Leiharbeitskräfte nach 12 Monaten, sofern sie es wünschen, fix angestellt werden“, erklärt Teiber. Auch die Situation der beschäftigten FahrerInnen und BotInnen ist schlecht. Zwischen 80 und 300 Pakete pro Tag müssen sie zustellen, ein 12-Stunden-Arbeitstag ist keine Seltenheit. Dabei wird überwiegend mit Subunternehmen und Scheinselbstständigen gearbeitet. Eine Prüfung auf Scheinselbstständigkeit durch die österreichische Gesundheitskasse ist daher dringend erforderlich. „Und dass Arbeitgeber falsche Angaben machen und die Ansprüche der ArbeitnehmerInnen deshalb verjähren, das darf es nicht länger geben“, so Barbara Teiber.
Amazon zahlt kaum Steuern
Amazon ist extrem erfolgreich. Im ersten Halbjahr ist der Online-Riese weltweit um 40 Prozent gewachsen. Dem stationären Einzelhandel hingegen, gingen heuer in Österreich mehr als ein Drittel der Umsätze verloren. Im Oktober waren 60.000 Handelsangestellte arbeitslos gemeldet, 10.000 Menschen mehr als im Oktober 2019. Amazon ist geschickt darin, die Grenzen auszuloten und das beinahe in jedem Bereich: „Dabei handeln sie allerdings unmoralisch, respektlos und menschenunwürdig“, weiß Teiber. Auch Abgaben werden geschickt umgangen. Auf drei Viertel seiner aus dem EU-Umsatz erzielten Gewinne zahlt Amazon keine Steuern. Die Gewerkschaft GPA fordert eine echte Digitalsteuer in Österreich – anders als jene von der Regierung präsentierte und bloß umgestaltete Werbeabgabe. Die echte Digitalsteuer umfasst nicht nur Umsätze aus der Online-Werbung (wie derzeit), sondern auch Erträge aus dem Verkauf von Nutzerdaten und aus Online-Plattform-Gebühren. Zusätzlich will GPA-Vorsitzende Teiber: „Da eine Gewinnbesteuerung national nicht möglich ist, schlagen wir eine fiktive Gewinnbesteuerung, von fünf Prozent des Umsatzes vor”. Das brächte etwa 130 Millionen Euro. Ferner fordert die Gewerkschaft GPA die Einführung der digitalen Betriebsstätte – auch wenn Digitalkonzerne in Österreich keine greifbare Betriebsstätte unterhalten, so müssen sie trotzdem Steuern zahlen. Etwa 300 Millionen Euro würde Österreich dadurch einnehmen, schätzt die Universität Wien.
Entsorgung bleibt auf der Strecke
Dass Amazon nicht bloß bei Menschen, Moral und Steuern empfindlich an die Grenzen geht, beweist auch die Verpackungsentsorgung – auch hier werden Gesetzeslücken schonungslos ausgenutzt.
„Wir können die Ausreden der politisch Verantwortlichen nicht länger hören“
Barbara Teiber
Im Online Handel werden etwa 150 Millionen Pakete jährlich an Einzelkunden verschickt, davon gehen 33 Millionen an den Absender retour. Jedes Jahr werden in Österreich mindestens 1,3 Millionen zurückgeschickte Pakete vernichtet. Gerade Amazon zerstört und entsorgt systematisch einwandfreie zurückgesendete Neuware und treibt damit den Wegwerf-Wahnsinn auf die Spitze. „Jedes Unternehmen in Österreich muss für die Verpackung, die es auf den Markt bringt, eine Abgabe zahlen – dem entzieht sich Amazon“, erklärt Alexander Egit, Greenpeace-Geschäftsführer in Zentral- und Osteuropa. „Als internationales Unternehmen kann es dafür aber nicht in die Haftung genommen werden“, ärgert sich Egit: „Deshalb fordern wir, dass Amazon die Entsorgungskosten über eine Plattform-Haftung entrichten muss“.
Die Marktmacht von Amazon – und nicht nur von diesem Konzern – hat längst ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Gesetze, die solch Monopolstellungen durchbrechen sind überfällig: „Wir können die Ausreden der politisch Verantwortlichen nicht länger hören“, ärgert sich GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Beinahe noch weniger erträglich ist die schiere Untätigkeit der Politik: Vorschläge, wie sich die Übermacht bremsen und begrenzen ließe und Ausgleich für den stationären Handel geschaffen werden könnte, liegen seit Jahren auf dem Tisch – geschehen ist bis dato Nichts. Die Bundesregierung verwies stets auf Brüssel und die EU-Kommission. Aus Sicht von HändlerInnen, GewerkschafterInnen und Umweltorganisationen läuft Österreich jedoch langsam die Zeit davon.