Helmut Mayer ist seit 2020 Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrats der Lagermax-Gruppe. Die Corona-Krise hat vielen MitarbeiterInnen stark zugesetzt. Ein Teil der Belegschaft ist noch immer in Kurzarbeit. Der Betrieb spürt zudem schon seit Jahren den Wandel der Branche: die Konkurrenz durch Frächter aus Osteuropa hat bereits viele Jobs gekostet.
Langsam sei wieder etwas Aufschwung spürbar, jedenfalls im klassischen Speditionsgeschäft, sagt Helmut Mayer. Er vertritt rund 650 Angestellte, die in den verschiedensten Sparten der Lagermax-Gruppe an sieben Standorten in Österreich beschäftigt sind: das reicht von Transporten verschiedenster Art von Autos über Möbel, Stückgut und Müll, der recycelt werden soll, bis hin zum Paketdienstgeschäft (dem Unternehmen gehört ein Teil von DPD). Außerdem werden Kleinstfahrzeuge wie Dreiradfahrzeuge beispielsweise zu Eiswägen oder Werbefahrzeugen umgebaut. Sorgen bereitet ihm aber der Bereich der Autotransporte.
Lagermax transportiert Neufahrzeuge vom Werk bis zu den einzelnen Autohäusern. Während im hochpreisigen Kfz-Segment sowie bei Motorrädern keine krisenbedingte Veränderung der Nachfrage zu spüren war, „ist das Klein- und Mittelwagensegment stark eingebrochen“, erzählt Mayer. Die Folge: rund 270 MitarbeiterInnen (davon 150 Angestellte und 120 ArbeiterInnen) seien immer noch in Kurzarbeit – „da sind wir mittlerweile schon bei Phase vier“. Das führe bei einigen zu finanziellen Notständen, „da haben wir auch Leuten helfen müssen, mit Vorschüssen, mit Einmalzahlungen aus dem Betriebsratsfonds, mit dem Herstellen eines Kontakt zu Hilfsorganisationen oder der Schuldnerberatungsstelle“.
„Da haben wir auch Leuten helfen müssen, mit Vorschüssen, mit Einmalzahlungen aus dem Betriebsratsfonds, mit dem Herstellen eines Kontakt zu Hilfsorganisationen oder der Schuldnerberatungsstelle“
Helmut Mayer
Zehn bis 15 Prozent weniger Gehalt könne existenzbedrohend sein, etwa wenn eine Familie einen Kredit wegen eines Hausbaus aufgenommen habe oder der Partner in einer anderen Branche, etwa der Gastronomie oder Hotellerie tätig ist und arbeitslos wurde. Zu Kündigungen gab es dank des Kurzarbeitsmodells jedoch nicht, ist Mayer froh. Allerdings haben mehr Beschäftigte als ein einem üblichen Jahr das Unternehmen verlassen – jene, die in einen Betrieb wechseln konnten, wo Kurzarbeit nicht nötig war, haben diese Chance ergriffen.
Coronacluster im Unternehmen
Aber auch das Virus an sich stellte und stellt das Unternehmen vor Herausforderungen. Durch Clusterbildungen seien manche Abteilungen teils lahmgelegt worden, inzwischen versuche man mit Teststraßen für mehr Sicherheit zu sorgen und ersuche an jenen Standorten, wo man solche nicht einrichten könne, die MitarbeiterInnen, sich regelmäßig testen zu lassen. Derzeit sei die Geschäftsführung mit Befürwortung der Betriebsräte dabei, eine Impfaktion für die Belegschaft zu engagieren, das Land habe hier für den Betrieb Impfstoff zugesichert. Allerdings hätten etwa am Standort Straßwalchen mit an die 500 Beschäftigten erst 80 Personen Interesse gezeigt. „Da geht es auch um den Impfstoff“, meint Mayer. Viele jüngere Frauen würden sich nicht mit AstraZeneca impfen lassen wollen. Er hoffe, dass wenn klar sei, dass ein anderer Impfstoff zum Einsatz komme, sich mehr MitarbeiterInnen für die Impfung anmelden. Vor allem viele Jüngere seien hier derzeit noch eher negativ eingestellt.
Insgesamt sei das Speditionsgeschäft ein zunehmend schwieriges, erzählt Mayer. Diese Entwicklung habe mit dem Beitritt Österreichs zur EU begonnen und sich mit der Osterweiterung massiv verstärkt. „Früher hat man im Transportgewerbe gutes Geld verdient. Mittlerweile drehen alle an der Preisschraube.“ Frächter aus dem Osten würden „um ein Butterbrot fahren“. Sie würden nicht nach Stunden, sondern Kilometern bezahlt. Das führe auch zu menschenunwürdigen Zuständen: die Fahrer würden zum Beispiel oft Tage lang auf dem Parkplatz vor der Spedition quasi campieren, weil sie auf Ware warten. Lagermax ermögliche ihnen, das Sozialhaus, in dem Fahrer Duschen, Toiletten, aber auch Getränke- und Essensautomaten zur Verfügung stehen, mitbenutzen können und auch nichts dafür zahlen müssen. „Das sind Menschen, die auch menschlich behandelt gehören.“ Müssten die Fahrer vor anderen Unternehmen warten, hätten sie nicht einmal die Möglichkeit, sich zu duschen. Die EU habe zwar inzwischen vorgegeben, dass nicht mehr im Lkw übernachtet werden dürfe. Doch das sei eine hohle Regelung: denn wer zahle die Unterkunft? Das scheitere an den finanziellen Möglichkeiten der Fahrer.
„Früher hat man im Transportgewerbe gutes Geld verdient. Mittlerweile drehen alle an der Preisschraube. Frächter fahren um ein Butterbrot.“
Hemut Mayer
Auch österreichische Frachtunternehmen würden heute bereits teils einen Fuhrpark von Ländern in Osteuropa aus betreiben. Dort würden die arbeitsrechtlichen Regelungen, die in Österreich gelten, nicht greifen, ebenso wenig der Kollektivvertrag. Die Lagermax-Gruppe habe früher wesentlich mehr Lkw-Fahrer als heute beschäftigt. Am Standort Straßwalchen seien es zum Höchststand an die 100 gewesen, nun sei es nur mehr die Hälfte, Tendenz fallend. Mayer plädiert hier für eine EU-weite Regelung. Es müsste die Arbeit in der ganzen Union gleich bezahlt werden. Anders sei das Problem nicht zu bewältigen. Er verweist zudem auch auf den Umweltaspekt. Wenn es nichts koste, Lkws durch halb Europa zu schicken, werde auch kein Umstieg auf die Bahn bei längeren Strecken erfolgen.
Weg von der 40-Stunden-Woche
Angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen sei es auch schwierig, als Betriebsrat und Gewerkschafter auf Verbesserungen zu pochen, sagt Mayer. Er versucht es trotzdem. Seit diesem Jahr sitzt er auch im Verhandlungsteam für den Kollektivvertrag für Speditionsangestellte. Dieser sieht immer noch eine 40-Stunden-Woche vor. „Wenn wir da zumindest einmal auf 38,5 Stunden herunterkämen, würden das die KollegInnen sehr begrüßen.“ Denn das habe die Coronakrise auch gezeigt: jene, die in Kurzarbeit waren oder sind und mit dem Geld gut auskamen, sie waren mit sechs Stunden täglicher Arbeitszeit sehr zufrieden. Das zeige sich auch darin, dass in jenen Abteilungen, in denen die Kurzarbeit bereits ausgelaufen und nun viel zu tun sei, MitarbeiterInnen nicht mehr so gerne Überstunden leisten, hier komme es immer wieder zu Debatten.
Außer für die 38,5-Stunden-Woche setzt sich Mayer dafür ein, dass der Kriterienkatalog in dem KV, der jene Faktoren auflistet, für die es finanzielle Vorrückungen gibt, überarbeitet wird. Der Kollektivvertrag für Speditionsangestellte ist leistungsorientiert. MitarbeiterInnen müssen Kriterien erfüllen, um im Gehaltsschema vorzurücken, dazu gehören etwa Schulungen oder aber das Ausüben einer Spezialfunktion wie die einer Sicherheitsvertrauensperson oder eines Brandschutzbeauftragten. „Hier sind wir dabei, Erleichterungen auszuverhandeln, sodass Beschäftigte leichter das nächste Level erreichen können.“
Andererseits gehe es aber auch darum, den Status Quo zu verteidigen, betonte Mayer. Stichwort: Wochenendarbeit. Speditionen in anderen Ländern seien sieben Tage die Woche aktiv. Samstagsarbeit komme auch bei Lagermax teilweise bereits vor, zudem werde an Feiertagen, die etwa in Deutschland keine Feiertage seien, ebenfalls teils gearbeitet, zum Beispiel im Dispositionsbereich, denn wenn es da etwa Probleme bei einer Zustellung gebe, dann müsse ein Ansprechpartner da sein. „Aber wir wollen das so gering als möglich halten.“
Schwierige Rahmenbedingungen
Froh ist Mayer, dass es ein gutes Einvernehmen mit der Geschäftsführung gibt. Hoch rechnet er dieser an, dass seine Vorgängerin, die vergangenen Herbst das Unternehmen verließ und so er bei der Betriebsratswahl zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, ihn einen Monat lang in dieser neuen Aufgabe einweisen konnte. Gemeinsam seien sie zu allen Standorten gefahren. Dass er dafür bereits freigestellt worden sei, „das ist keine Selbstverständlichkeit“. Dafür wisse er eben auch, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwierig seien – bis auf das Paketgeschäft. Das sei in der Coronakrise derart gewachsen, dass man neuen Lagerraum bauen habe müssen. Für die Interessen der Fahrer ist Mayer allerdings nicht zuständig, denn Lagermax sei nur für Dinge wie Disposition, Verrechnung, Kundendienst zuständig. Die Zustellung erfolge durch Kleinstunternehmer, die auf eigene Kasse für den DPD fahren. Und ja, das sei ein hartes Geschäft und die Fluktuation groß. Mayer ist sich auch dieser Problematik bewusst. Aber als Betriebsrat kann er sich nur um die Interessen der Angestellten kümmern und hat schon damit alle Hände voll zu tun.
Zur Person
Helmut Mayer, geb. 1972 in Oberösterreich, Lehrausbildung zum Speditionskaufmann bei der Lagermax AG, dort seitdem beschäftigt. Zunächst Sachbearbeiter und Zolldeklarant, dann nach dem Wehrdienst von 1993 bis 2020 Markenverantwortlicher und Zolldeklarant bei der Lagermax Autotransport in Straßwalchen. Seit den 1990er Jahren im Betriebsrat aktiv, seit rund fünf Jahren stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, seit 2020 freigestellter BR-Vorsitzender. Mayer lebt mit seiner Partnerin in Oberösterreich, ist Vater von vier Kindern und Großvater von zwei Enkelinnen. In seiner Freizeit kümmert er sich um den Fußballnachwuchs des FC Munderfing, engagiert sich im Mittelalterverein Schneegattern, wandert, macht Radtouren und kümmert sich um den Garten.