Monika Ligner, Pflegerin. Aber vor allem Betriebsrätin

Foto: privat

Das Altenwohnheim Kitzbühel hat den BewohnerInnen einiges zu bieten: Bio-Frischkost, Friseursalon und Kino. Für die Beschäftigten ist die Pflegearbeit aber vor allem eines: Arbeit.

„Wenn ein Bewohner hier auf dem nassen Boden ausrutscht, dann schützt die Gewerkschaft auch dich“. Solche Sätze sagt Monika Ligner regelmäßig. Weil sie mit abstrakten Formeln, wie die über die Relevanz des gewerkschaftlichen Organisationsgrads, oft nicht weit kommt. 23 Mitglieder hat sie so in den vergangenen zwei Monaten geworben. Ligner, die sich nie für Gewerkschaften interessierte. Und heute mehr Betriebsrätin ist denn Pflegerin.

Mit 46, während ihrer Ausbildung zur Pflegeassistentin, lernte Ligner nicht nur etwas über ihren künftigen beruflichen Alltag, sondern auch, dass sie in diesem für ihre Rechte und Löhne kämpfen muss. Mehr als sie das zuvor als Friseurin, später als Friseurmeisterin, tun musste. Einen Eindruck davon bekam sie bereits während ihrer Ausbildung. „Weil man mit 46 als Friseurin out ist“, sattelte sie um, wagte einen Neuanfang und drückte nochmal die Schulbank. Für ein monatliches Nettoeinkommen von 590 Euro, knappe 500 davon gingen an ihren Vermieter.

Glänzende Fassade

Das sei keine leichte Zeit gewesen. Ihre Tochter machte zur selben Zeit eine Lehre, das Haushaltseinkommen war dementsprechend überschaubar, erinnert sie sich heute. Mehrmals erwog sie, abzubrechen. „Ich bin froh, dass ich das hinter mir habe“. Bereut hat sie den Schritt dennoch nicht.

Seit 2007 arbeitet Ligner im Altenwohnheim Kitzbühel. 118 Einzelzimmer, mehrfach ausgezeichnete Frischküche mit regionaler Bio-Kost. Friseursalon und Kino inklusive. Doch das üppig ausgestattete Wohnheim inmitten des traumhaften Kitzbüheler Alpenpanoramas kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pflegearbeit immer noch Pflegearbeit ist. Psychisch und physisch herausfordernd und wenig honoriert.  

Auch im Altenwohnheim Kitzbühel ist der Personalbestand auf Kante genäht, mit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich die Situation noch einmal verschärft. Das ist auch der Grund warum Ligner, 1956 geboren und eigentlich schon in Pension, von 5,5 noch einmal auf 20,5 Wochenstunden aufstockte. „Es geht um Menschen, um keine Maschinen, die man einfach abstellen könnte“, sagt sie. Menschen, die seit Einführung der Maskenpflicht „unser Lächeln nicht mehr sehen können“.  

Immerhin: auch einige positive Episoden brachte die Pandemie mit sich, im Falle Ligners einen Kurztrip zurück ins alte Berufsleben. Da der hauseigene Salon im Altenwohnheim Kitzbühel qua Lockdown-Verordnung schließen musste, schlüpfte Ligner in ihre alte Rolle als Friseurin. Das mit dem Haareschneiden sei wie mit dem Fahrradfahren, das verlernt man so schnell nicht. „Das ist sehr gut angekommen und hat Spaß gemacht“, lacht Ligner.

Die Pandemie nutzen

Doch viel lieber erzählt Ligner von ihrer Arbeit im Betriebsrat, dem sie seit sieben Jahren angehört. Im Zwei-Wochen-Rhythmus treffen sich sämtliche Mitglieder, dabei vertrete man „natürlich“ die Interessen der Beschäftigten. Aber das Verhältnis zur Geschäftsführung sei gut, am Ende könne es nur gemeinsam gehen. Und meistens geht es gut.

Vor zwei Jahren wurde sie erneut in den Betriebsrat gewählt, derzeit besucht sie zudem die Gewerkschaftsschule. Um noch mehr über die Organisation von ArbeitnehmerInneninteressen zu erfahren. Denn gerade in der Pflege bräuchten die Angestellten mehr „Gewicht“ – für Lohnverhandlungen, Arbeitszeitverkürzung und KV-Abschlüsse.

„Wenn ein Bewohner hier auf dem nassen Boden ausrutscht, dann schützt die Gewerkschaft auch dich“

Monika Ligner

Ligners Argumente für eine Mitgliedschaft leuchten auch den SkeptikerInnen ein. Rund 80 Prozent der insgesamt 150 MitarbeiterInnen in ihrem Betrieb seien bereits bei der Gewerkschaft. Aber bei der Frage der Mitgliedschaft sei das wie mit dem Impfen. Viel hilft viel, aber manche wollen eben nicht, „da kann man dann nichts machen“.

Und „nach“ der Pandemie, so hofft Ligner, herrsche nicht nur wieder gesundheitliche „Normalität“, sondern dann werde auch in Sachen Arbeitsbedingungen etwas weiter gehen. Dafür gelte es, die öffentliche Aufmerksamkeit, die die Pflegebranche in den vergangenen Monaten erfuhr, zu nutzen.

„Land und Leute haben mich hierhergezogen“

Ursprünglich kommt Ligner aus Neukölln, „West-Berlin“, wie es damals hieß. Doch mit dem „Mauerfall“ zog es Ligner in die Ferne. Ihre einstige Heimat war nicht mehr die Alte. Und Osttirol, bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Urlaubsdomizil, wurde vor 27 Jahren zur neuen Heimat.

Osttirol, das war anfangs nichts weiter als eine Überlegung. „Und dann habe ich mir das genauer angeschaut, habe eine Wohnung gefunden – und ein halbes Jahr später war ich da“. „Land und Leute haben mich hierhergezogen und meine Kinder sind bis heute dankbar, dass ich den Schritt gewagt habe“. Ein Schritt, der bis heute Spuren in Ligners Duktus hinterlässt. Berlinerisch mit etwas Tirolerisch, Ergebnis sind Sätze wie: „Für mene graujen Jehirnzellen ist das manchmal zach“.

Doch noch sind Jehirnzellen und Körper in Topform. Trotz Pensionsalter denkt Ligner derzeit nicht ans Aufhören. Viele in der Branche lechzen in ihrem Alter der Pension entgegen oder hören vorher auf, körperlich und seelisch entkräftet. „Ich kann das“, sagt Ligner. Wie immer mit ruhiger, gediegener, aber überzeugter Stimme. Trotzdem will sie, sobald sich der Personalstand in ihrem Betrieb stabilisiert hat, wieder auf 5,5 Wochenstunden reduzieren.

Was die Zukunft bringt, sei offen. 2024 sind wieder Betriebsratswahlen, „und so lange würde ich ganz gerne noch Betriebsrätin bleiben“. Auch die Gewerkschaftsschule wäre dann abgeschlossen. „Aber eins ist ganz sicher: wenn ich für mich merke, es geht nicht mehr, dann ist‘s gut. So ehrlich bin ich auch zu mir und allen anderen“.

Zur Person:

Monika Ligner, geboren 1956, ist in Berlin-Neukölln geboren und kam vor 27 Jahren nach Osttirol. Heute lebt sie in Kitzbühel. Die gelernte Friseurin und Friseur-Meisterin arbeitet nach einer weiteren Ausbildung seit 2007 als Pflegerin im Altenwohnheim Kitzbühel.

Worte Reichen nicht – die Forderungen der GPA für den Sozialbereich:

  • Ein monatlicher steuerfreier Bonus von 150 Euro für Beschäftigte im privaten Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich als Anerkennung für zusätzliche Schwerstarbeit.
  • Generell wird natürlich auch eine bessere Bezahlung gefordert.
  • Ein zusätzlicher freier Tag pro Monat für alle. Dieser Erholungstag soll gemeinsam mit der Wochenendruhe konsumiert werden.
  • Die GPA-Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bleibt aufrecht.
  • Helfende Hände fehlen! Die GPA setzt sich für die Schaffung von 20.000 Arbeitsplätzen im Support-Bereich ein: Jobs werden vom Träger bereitgestellt, von der öffentlichen Hand finanziert. Das qualifizierte Personal soll um 20 Prozent aufgestockt werden.
  • Ohne PraktikantInnen gibt es in Betrieben keine reibungslosen Abläufe. Eine faire Bezahlung von zumindest 950 Euro soll endlich Gerechtigkeit schaffen.
  • mehr unter https://worte-reichen-nicht.at/

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