Klare Regeln, faire Steuern

Laut Schätzungen entgehen dem Fiskus global 400 bis 800 Milliarden US-Dollar durch Geldwäsche und Steuertricks. Eine globale Mindeststeuer soll das zukünftig verhindern.
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Maßnahmen gegen die Steuerflucht: Nach der G20-Einigung auf eine globale Mindeststeuer im Oktober in Rom, ist die Verabschiedung der pCBCR-Richtlinie im EU-Parlament im November ein weiterer Erfolg für europäische und weltweite Steuerreformen.

Beim G20-Gipfel in Rom wurde Ende Oktober das ‚BEPS 2.0 Agreement’ verabschiedet. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine Einigung auf globale Mindeststeuern: Dem internationalen Steuerwettbewerb nach unten sollen endlich Grenzen gesetzt werden. Die 136 Länder, die das Abkommen unterzeichnet haben, haben sich verpflichtet, einen Steuersatz von 15 Prozent auf Gewinne einzuheben. Außerdem müssen Steuern an dem Ort abgeführt werden, wo tatsächlich die Gewinne erwirtschaftet werden.

Ebenfalls im Oktober enthüllte ein neues Leak, wie die Reichen und Mächtigen ihre Vermögen in Steuersümpfe umleiten: die sog. ‚Pandora Papers’ deckten einmal mehr versteckten Reichtum, Steuervermeidung und Geldwäsche auf. Dieser Einblick in die globale Schatten-Finanzwirtschaft bestätigt, wie dringlich Maßnahmen gegen die Steuerflucht sind.

EU gegen Steuervermeidung

Auf europäischer Ebene wurde im Rahmen der Plenartagung des EU-Parlaments Anfang November die ‚Richtlinie zur öffentlichen länderbezogenen Steuerberichterstattung’ verabschiedet. Diese Richtlinie ist unter dem Kürzel pCBCR („public Country-by-Country Reporting“) bekannt. Sie soll Transparenz schaffen, und damit die Voraussetzung für eine grundlegende Reform des europäischen Steuersystems.

„Wir müssen multinationale Unternehmen ebenso wie die Superreichen endlich daran hindern, ihre Gewinne in Steuersümpfe zu verschieben, während das Geld für Investitionen in Gesundheit, Bildung und Innovationen fehlt.“

Sophia Reisecker

„Auch wenn noch ein langer, steiniger Weg vor uns liegt – es geht voran. Gerade neue Leaks wie die Pandora Papers zeigen, welchen dringenden Handlungsbedarf wir haben, wenn es um europäische und internationale Steuerreformen geht“, sagt die Internationale Sekretärin der GPA, Sophia Reisecker. „Wir müssen multinationale Unternehmen ebenso wie die Superreichen endlich daran hindern, ihre Gewinne in Steuersümpfe zu verschieben, während das Geld für Investitionen in Gesundheit, Bildung und Innovationen fehlt.“

Globaler Mindeststeuersatz

Die Einigung auf einen globalen Mindeststeuersatz der G20 bezeichnet die EU-Abgeordnete und Gewerkschafterin Evelyn Regner als „einen kleinen, aber historischen Schritt“, denn: „Mit einem gemeinsamen Steuersatz von 15 Prozent ist dem zerstörerischen Steuerwettbewerb nach unten ein Riegel vorgeschoben.“

Das ‚BEPS 2.0 Agreement’ will verhindern, dass so wie bisher die steuerlichen Bemessungsgrundlagen vermindert werden („base erosion“), und die Gewinne dorthin verschoben werden, wo die Steuern niedrig sind („profit shifting“). Als zweiten zentralen Punkt haben sich die unterzeichnenden 136 Länder verpflichtet, einen Steuersatz von 15 Prozent einzuheben. Das Prinzip ‚Steuern dort zahlen, wo Gewinne erwirtschaftet werden‘ setzt sich somit durch, Regner sieht das als „einen Paradigmenwechsel“.

Nach Berechnungen des EU Tax Observatory werden die Einnahmen aus Körperschaftsteuern in der EU damit um mehr als 80 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen. Das entspricht einem Viertel des derzeitigen Körperschaftsteueraufkommens in der EU.

Pandora Papers

Das neue Leak, die Pandora Papers, sind Unterlagen von mehreren global tätigen Anwaltskanzleien und Treuhandgesellschaften, ähnlich wie davor die Panama Papers, die Paradise Papers, die Swissleaks u.a.m. Veröffentlicht wurden sie vom „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ). Laut ICIJ liegen dabei auch Daten von rund 330 PolitikerInnen aus 91 Ländern vor, darunter 35 amtierende oder ehemalige Staatsoberhäupter oder Regierungschefs.

Laut Schätzungen entgehen dem Fiskus global 400 bis 800 Milliarden US-Dollar durch Geldwäsche und Steuertricks. „Geld, das vor dem Hintergrund der Corona- und Klimakrise so dringend gebraucht wird wie nie“, betont Reisecker.

„Europaweit sind in den letzten dreißig Jahren die Unternehmenssteuern gesunken, obwohl internationale Multis Riesengewinne machen – die sie jedoch in Steuersümpfe verschieben.“

Sophia Reisecker

Mehr Steuertransparenz

Um auch in Europa die multinationalen Unternehmen endlich fair besteuern zu können, braucht es zuallererst Transparenz. Die Richtlinie zur öffentlichen länderweisen Berichterstattung (pCBCR), die das EU-Parlament Anfang November beschlossen hat, soll diese Transparenz nun herbeiführen: In der EU tätige Unternehmen ab einer bestimmten Größe werden dazu verpflichtet, länderweise ihre Steuerinformationen zu veröffentlichen.

„Was ‚fair besteuern’ heißt wird sofort klar, wenn man sich ansieht, wie sich die Besteuerung in den letzten Jahren zu Ungunsten der ArbeitnehmerInnen verändert hat“, kritisiert Reisecker das Ungleichgewicht der Steuerlasten: „Europaweit sind in den letzten dreißig Jahren die Unternehmenssteuern gesunken, obwohl internationale Multis Riesengewinne machen – die sie jedoch in Steuersümpfe verschieben.“

Die Europäische Kommission hat errechnet, dass ein multinationales Unternehmen im Schnitt um 30 Prozent weniger Steuern zahlt als ein Klein- und Mittelunternehmen. Auch Evelyn Regner sieht hier die Wurzel des Problems, denn: „Geschädigt werden also die anderen Steuerpflichtigen, die ArbeitnehmerInnen und die Klein- und Mittelunternehmen, sie müssen die Steuerausfälle der Multis ausgleichen. Dazu kommt, dass in Folge der Pandemie die Staaten Schulden aufnehmen mussten um Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Höhere Steuereinnahmen sind daher das Gebot der Stunde!“

„Geschädigt werden also die anderen Steuerpflichtigen, die ArbeitnehmerInnen und die Klein- und Mittelunternehmen, sie müssen die Steuerausfälle der Multis ausgleichen.“

Evelyn Regner

Wie funktioniert die öffentliche länderweise Berichterstattung (pCBCR) in der Praxis? In Europa operierende Unternehmen ab einer bestimmten Größe (Jahresumsatz über 750 Millionen Euro) müssen länderweise ihre Steuerinformationen veröffentlichen. Dazu gehören die Nettoumsätze und die Nettogewinne, aber auch die Anzahl der MitarbeiterInnen, die gezahlten Einkommenssteuern und nicht ausgeschüttete Gewinne. Diese Offenlegungspflicht gilt auch für Länder, die als Steueroasen fungieren.

Wie geht es weiter?

Die pCBCR-Richtlinie muss bis Ende 2023 umgesetzt werden. Sie enthält eine Überprüfungsklausel, die schon in vier Jahren schlagend wird. „Damit können wir die Richtlinie prüfen und verbessern“, stellt Regner in Aussicht. Das eröffnet auch die Möglichkeit, bei der Überarbeitung auch kleinere Unternehmen in die öffentliche Berichterstattung mit hineinzunehmen. „Ebenso werden wir die konsequente Umsetzung des BEPS 2.0 Agreements mit Argusaugen verfolgen“, betont die Steuerexpertin.

Auch andere Steuerreformen warten noch auf eine Einigung durch die Mitgliedsstaaten, darunter die europaweite Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Manche Länder haben eine solche Steuer bereits eingeführt, z.B. Frankreich.

Eine Digitalsteuer würde es den Mitgliedstaaten ermöglichen, Gewinne, die in ihrem Land erwirtschaftet wurden, zu besteuern. Das gilt auch dann, wenn ein Unternehmen dort keine physische Präsenz hat. „Solche Regeln würden sicherstellen, dass Online-Unternehmen in gleichem Maße Steuern zahlen wie beispielsweise jede Buchhandlung in Österreich“, sagt Reisecker. Digitalunternehmen trifft in Europa im Durchschnitt ein effektiver Steuersatz von 9,5 Prozent. In traditionellen Wirtschaftszweigen liegt er mit durchschnittlich 23,2 Prozent mehr als doppelt so hoch. „Da wird doch klar, dass hier ein Missverhältnis besteht und der stationäre Handel enorm benachteiligt ist“, kritisiert Reisecker.

Die Pläne zur Besteuerung großer Digitalkonzerne hat die EU-Kommission im vergangenen Sommer nun leider fürs erste auf Eis gelegt: Brüssel hatte ursprünglich im Juli einen Vorschlag vorlegen wollen, die USA drängten jedoch, die Pläne fallen zu lassen, da die Tech Giganten praktisch alle aus den Vereinigten Staaten kommen. Da nun bei BEPS 2.0 eine Einigung erzielt werden konnte, wurde die europäische Digitalsteuer zurückgestellt.

Einstimmigkeitszwang bei Steuerfragen

Um aber endlich das Tempo und die Schlagkraft all dieser Steuerreformen zu beschleunigen, wäre ein Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen im Rat notwendig. Das EU-Parlament macht dahingehend schon längere Zeit Druck.

Denn wichtige Gesetzesvorlagen werden von einzelnen Mitgliedstaaten blockiert, die ihre eigenen Interessen nicht dem Gesamtwohl unterordnen wollen, da auch in der EU selbst etliche Länder zu den Steueroasen gehören (v.a. Luxemburg, Irland, Malta). Entscheiden die Mitgliedstaaten in Steuerfragen mit einer qualifizierten Mehrheit, würde die EU umgehend handlungsfähiger.

Wieviel kostet diese Blockade einzelner Mitgliedsstaaten den SteuerzahlerInnen? Die Digitalsteuer würde, in der Minimal-Variante, mindestens rund 5 Mrd. Euro jährlich einbringen. Bei Mehrwertsteuern, die in der EU nicht harmonisiert und sehr betrugsanfällig sind, schätzt man die entgangenen Steuern beim Mehrwertsteuersystem auf 147 Mrd. Euro, dazu kommen noch 50 Mrd. Euro durch Mehrwertsteuerbetrug. Bei der Finanzertragssteuer entgeht den Mitgliedstaaten wegen einer fehlenden Vereinbarung mindestens 57 Mrd. Euro.

Auch das globalen Mindeststeuerabkommen BEPS 2.0 stellt mit 15 Prozent Gewinnsteuer zunächst einen minimalen Konsens dar. „Der Mindeststeuersatz sollte höher ausfallen, 25 Prozent wären ideal, und es sollte auch Konzerne mit einem Jahresumsatz von weniger als 750 Millionen Euro betreffen“, fordert Sophia Reisecker.

Doch die Einigung auf BEPS 2.0 und auch die pCBCR-Richtlinie haben trotzdem eine enorme Symbolkraft. „Wir zeigen, dass wir gemeinsam die Kraft haben, den Großen klare Regeln vorzugeben. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir grundlegende Steuerreformen – auch gegen die Interessen der Multis – durchsetzen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, ist Evelyn Regner überzeugt.

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