Es gibt viel zu tun für Marcus Eder. Vom Börsengang der Firma bis zukünftigen Trends reichen die Herausforderungen. Der Betriebsrat geht offen auf Menschen zu, das hilft ihm Anliegen für die ArbeitnehmerInnen durchzusetzen. Und auch privat ist er gerne in Gesellschaft.
Marcus Eder kocht gerne, seine Spezialität ist der Kaiserschmarren. „Doch bevor der Schmarren auf den Teller kommt, muss er mit Kristallzucker karamellisiert werden. Die entstehende Kruste macht den guten Geschmack aus“, schwärmt Eder, ausgebildeter Forschungs- und Entwicklungsingenieur und beim Unternehmen Otto Bock (Prothesen, Orthesen, Rollstühle, etc) in Wien tätig. Das Tüfteln ist seine Leidenschaft, er liebt auch gesellige Runden und lädt oft Freunde zu sich nach Hause ein. Dass er sich gerne und lebhaft mit anderen austauscht, hilft ihm in seiner Betriebsratsarbeit. Als Betriebsrats-Vorsitzender vertritt er 570 Angestellte und in seiner Funktion als Betriebsausschussvorsitzender sind es insgesamt 710 ArbeitnehmerInnen.
Der Betriebsrat setzt sich durch
Als sich vor etwa acht Jahren ein rauer Ton im Unternehmen einschlich, war es an der Zeit, einen Betriebsrat zu gründen. „Die Geschäftsführung begann, Vollzeit-Mitarbeiter als so genannte FTE (Full-time equivalent) – eine Größe zur Messung der Arbeitszeit – zu bezeichnen“, erinnert sich Eder. „Gleichzeitig kam es zu betrieblichen Verschlechterungen, etwa bei der Gleitzeit oder bei den Dienstreisen.“
Die Betriebsratsgründung wurde zuerst sehr gemischt gesehen. Einige meinten: „Wir sind ein gutes Unternehmen und da brauchen wir so etwas nicht“, erinnert sich Marcus Eder. Die Geschäftsführung zeigte sich über den Wunsch, aktiv an Entscheidungen teilzuhaben durchaus „gekränkt“. „Viele Vorgesetzte missverstehen den Betriebsrat als Boten, der bloß die Belegschaft davon informiert, was in der Führungsetage entschieden wurde“, weiß der heute 44-Jährige. „Doch als ArbeitnehmerInnen-Vertreter wollen wir mitgestalten und mitentscheiden.“ Ein Anspruch, der mittlerweile auch vom Eigentümer akzeptiert wird. Einiges konnte in den vergangenen Jahren bereits erreicht werden: angefangen von einer Gleitzeit-Betriebsvereinbarung (BV) ohne Kernzeit und mit zusätzlichen freien Tagen und einer BV zur Mobilität: MitarbeiterInnen können von daheim aus arbeiten, aber auch vom Nebenwohnsitz oder dem Wohnort naher Angehöriger. Überdies hat die Belegschaft Anspruch auf die Jahreskarte der Wiener Linien, Obst und Kaffee gibt es in der Firma gratis.
„Viele Vorgesetzte missverstehen den Betriebsrat als Boten, der bloß die Belegschaft davon informiert, was in der Führungsetage entschieden wurde“
Marcus Eder
Marcus Eder ist vielbeschäftigt, er muss sich in verschiedene Sachbereiche – von Recht über Fort- und Weiterbildung, Mitarbeiterführung, Technik und Wirtschaft – einarbeiten. Die Themen werden im Betriebsratsgremium gemeinsam besprochen, und man einigt sich dort über das weitere Vorgehen. Dazwischen gilt es, Konflikte als Mediator zu lösen oder aber ArbeitnehmerInnenrechte durchzusetzen.
Zukünftige Technik sollte dem Menschen dienen
Gerade auch im technischen Bereich ist es entscheidend, sich permanent mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Forschungs- und Entwicklungsingenieur Eder beschäftigt sich intensiv mit Augmented reality (AR), der computergestützten Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Sichtbar gemacht durch eine AR-Brille, in Eders Fall eine HoloLens 2 von Microsoft. Programme können durch Gesten und Augenkontakt gesteuert, die Realität mit Virtuellem angereichert und durch Informationen erweitert werden. „Gerade in der Arbeitswelt werden sich dadurch viele Möglichkeiten ergeben“, erklärt Marcus Eder.
Die Wartung großer Anlagen könnte damit aus der Ferne erfolgen. „Mittels AR-Brille können ExpertInnen genaue Anweisungen geben, ohne dabei vor Ort sein zu müssen.“ Verschiedene Arbeitsschritte lassen sich dreidimensional einzeichnen, Informationen können eingeblendet werden. Vieles ist denkbar, nicht nur bei der Arbeit mit Maschinen. Zudem lassen sich etwa internationale Besprechungen im dreidimensionalen Raum abhalten, ohne, dass der eigene Platz dafür verlassen werden muss. Das würde viele Reisen einsparen auch aus ökologischer Sicht ein interessanter Aspekt.
Eder: „Ich denke, dass die Augmented reality gemeinsam mit KI (künstliche Intelligenz) und machine learning (ML) die Arbeitswelt in den kommenden Jahren mehr verändern wird als dies das Smartphone getan hat“. Damit der technische Segen kein Fluch wird: die Interessenvertretungen müssen hier ansetzen und Vieles im Sinne der Menschen mitgestalten. „AR in Kombination mit KI bietet das Risiko, dass der Mensch der Technik dient und nicht umgekehrt“, gibt Marcus Eder zu bedenken. „Daher müssen wir uns als ArbeitnehmerInnenvertreter mit dem Thema auseinandersetzen und es positiv beeinflussen.“
Starke Gewerkschaft erleichtert die Verhandlungsposition
Derzeit muss sich der Betriebsrat vor allem mit dem angekündigten Börsengang von Otto Bock auseinandersetzen. Beratungsunternehmen haben sich die Firma angesehen, und fordern Optimierungen. Allerdings bilden gewonnene Kenn-Zahlen nicht immer die gesamte Wirklichkeit ab. „Es ist ein zähes Ringen“, erklärt Eder. „Wenn das Unternehmen durch den Börsengang internationaler wird, wollen wir keine österreichische Kolonie werden.“ Wichtige Entscheidungen sollen weiterhin vor Ort getroffen werden, nicht in einer im Ausland beheimateten Zentrale.
„Wir möchten, dass auch mehr Leute aus der Belegschaft in die Gewerkschaft eintreten, denn nur eine starke Gewerkschaft kann gute Bedingungen verhandeln und einen starken Kollektivvertrag abschließen.“
Marcus Eder
Unterstützt wird der Betriebsrat dabei von der GPA. „Bevor wir größere Aufgaben angehen, binden wir unseren Gewerkschafts-Sekretär Roland Widowitsch mit ein.“ Vor allem Informationen, welche Standards in anderen Unternehmen üblich sind, was gut und weniger gut funktioniert und worauf man bei Verhandlungen achten soll, sind essentiell und werden von der GPA beigesteuert. „Ich schätze den Input unseres Gewerkschafts-Sekretärs, gerade jetzt, wo wir durch den Gang an die Börse alle sehr gefordert sind“, macht Marcus Eder deutlich. „Wir möchten, dass auch mehr Leute aus der Belegschaft in die Gewerkschaft eintreten, denn nur eine starke Gewerkschaft kann gute Bedingungen verhandeln und einen starken Kollektivvertrag abschließen.“
Die gut besetzte Gästecouch
Um seinen Arbeitsstress abzubauen, ladet der Entwicklungsingenieur gerne Freunde zu Filmabende ein. Kochen, Wandern und Reisen sind weitere Hobbys. Das letzte Jahr seines Studiums absolvierte Marcus Eder in Südafrika. Nach dem Abschluss ging es auf Weltreise. „Damals habe ich Südafrika, Singapur, Hongkong, China, Australien und Neuseeland gesehen.“ Dadurch hat er Couchsurfing kennengelernt. Inzwischen ist er selbst zum Gastgeber geworden. Das Sofa in seiner gerade Mal 34 Quadratmeter kleinen Wohnung empfängt Couchsurfer aus aller Welt. Hier gibt es nur wenig Rückzug, wenn ein Reisender zu Gast ist.
„Ich habe ein Hochbett, das den großen Raum noch einmal in ein Oben und Unten trennt. Weder kann ich den Gast auf der Couch beobachten, noch kann ich gesehen werden“, erklärt Eder das bissel Privatsphäre. „Aber Couchsurfing heißt ja nicht, ich möchte mich zurückziehen. Wer das will, geht ins Hotel.“ Ein Gefühl von Jugendherberge und Freunde besuchen, die allerdings noch unbekannt sind. Für Eder ist es derzeit ein „verreisen neben einem Vollzeitjob. Da kommt die Welt zu Dir nach Hause – für Gastgeber und Gast eine Möglichkeit, an sich und den Erlebnissen zu wachsen“. Bis dato haben es sich rund 250 Menschen auf der Couch gemütlich gemacht – sie lernten Wien aus einer heimeligen Perspektive kennen.
Manch Erlebnis als Gastgeber fiel sehr ungewohnt aus, erinnert sich Eder. Und abseits der eigenen Komfortzone. Im Profil eines Couchsurfers stand als Referenz: er stinkt! „Ich öffnete die Tür, der Geruch war tatsächlich unerträglich“, berichtet Eder. Dem jungen Mann konnte er aber erklären, eine angebotene Dusche künftig anzunehmen. „Während er duschte habe ich sein gesamtes Gepäck und den Rucksack gewaschen.“ Innerhalb von drei Tagen brachte er ihm bei, den köstlichen Kaiserschmarren zuzubereiten. Statt schlechtem Geruch hatten die folgenden Referenzen den Schmarren zum Inhalt – und das lobend, freut sich Gastgeber Eder. „Ich habe gelernt, mit einer unangenehmen Situation zurecht zu kommen und konnte außerdem jemandem helfen.“ Die karamellisierte Kaiserschmarren-Kruste wird nun auch dank Eder in ganz Europa und darüber hinaus mit Wonne verkostet.
Zur Person:
Marcus Eder ist beim Unternehmen Otto Bock (Prothesen, Orthesen, Rollstühle, etc) in Wien. Als Betriebsrats-Vorsitzender vertritt er 570 Angestellte und in seiner Funktion als Betriebsausschussvorsitzender sind es insgesamt 710 ArbeitnehmerInnen.