Das war die „Akademie für sozialen und ökologischen Umbau“

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Vom 19. bis 21. April diskutierten GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen, WissenschafterInnen und KlimaaktivistInnen in der Arbeiterkammer Wien eine soziale und ökologische Zukunft. Bericht über ein nicht immer einfaches Verhältnis.

„Die Gewerkschaften scheren sich nur um Lohnerhöhungen und Arbeitsplätze, nicht um’s Klima!“ – „den KlimaaktivistInnen sind die Beschäftigten egal!“ – so verläuft, grob vereinfacht und zugespitzt, der Graben, der Klima- und Gewerkschaftsbewegung oftmals entzweit. Diese Gräben zu schließen, Schnittpunkte zu finden und gemeinsam für ein besseres Leben zu kämpfen, war das Anliegen der dreitägigen Akademie für sozialen und ökologischen Umbau, die von der Gewerkschaft GPA mitorganisiert wurde. Rund 150 GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen, WissenschafterInnen und KlimaaktivistInnen trafen sich zu einem intensiven Austausch im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien. Zwar war sämtlichen Beteiligten von Anfang an klar, dass gute Arbeitsplätze und eine intakte Umwelt untrennbar zusammenhängen – nur die Vorstellungen vom Weg in eine bessere Zukunft unterschieden sich teils gravierend.

Tag 1: Abtasten

Tag 1 stand ganz im Zeichen des Kennenlernens. Wie sind eigentlich KlimaaktivistInnen organisiert? Was treibt ein Betriebsrat den lieben langen Tag? Welche Rolle kann die Wissenschaft in diesem Prozess spielen? Schon Mittwochvormittags wurde schnell klar, dass die Lebensrealitäten, die politischen Beweggründe, Ängste und Sorgen des jeweiligen Gegenübers teils nur vage bekannt sind. Gewerkschaften und BetriebsrätInnen treiben vor allem Fragen wie diese um: Was passiert mit den Lohnabhängigen in besonders umweltschädlichen Branchen? Können wir einen 55-Jährigen, der sein halbes Leben Verbrenner schraubte, tatsächlich so einfach umschulen? Wie wollen wir einen spitzenverdienenden Flugzeugpiloten von einem ÖBB-Job begeistern?

Vor allem Industriejobs standen regelmäßig im Fokus der Debatte. Die Branche zählt hierzulande mehrere Hunderttausend Beschäftigte, gleichzeitig gilt sie als besonders umweltschädlich. Aber: Auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Industrie ist besonders hoch – und somit das Potential, den sozialökologischen Wandel aktiv mitzugestalten.

Am Vormittag gaben Markus Marterbauer (Abteilungsleiter Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien) und Klimaaktivistin Katharina Rogenhofer Inputs zum sozialen und ökologischen Umbau. Nachmittags wurden diese Überlegungen in sechs verschiedenen Workshops vertieft. Da spätestens hier die meisten Köpfe rauchten, wurden allfällige Fragen bei einem einstündigen Spaziergang und einem gemeinsamen Abendessen in lockerer Atmosphäre diskutiert.

Tag 2: Zu Besuch im Kraftwerk Simmering

Der zweite Tag begann etwas ab vom Schuss, genauer auf dem Kraftwerksgelände der Wiener Energie in Wien-Simmering. Nach einem gemeinsamen Austausch über die Erfahrungen des ersten Tages stellten acht Organisationen ihre Arbeit bzw. einzelne Projekte an verschiedenen Stationen vor, unter anderem „System Change Not Climate Change“, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft vida oder das Klimavolksbegehren. Highlight war unbestreitbar Station 8: Eine Führung durch die Halle der größten Wärmepumpe Europas, die von Simmering aus bis zu 112.000 Haushalte mit Wärme versorgen kann.

Zurück in der Arbeiterkammer standen Workshops zu sogenannten „Querschnittsthemen“ auf dem Plan. Unter anderem David Mum, Mitglied der GPA-Bundesgeschäftsführung, referierte darüber, wie ein gutes Leben ohne Wirtschaftswachstum aussehen könnte. Andere Workshops gingen der Frage nach, wie BetriebsrätInnen Einfluss auf eine ökologische Produktion üben können oder wie eine Daseinsvorsorge unter öffentlicher Kontrolle aussehen könnte.

Der Tag wurde abgerundet von einer prominent besetzten Podiumsdiskussion. System Change-Sprecherin und Co-Organisatorin Lucia Steinwender, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl und Soziologe Klaus Dörre diskutierten zentrale Fragestellungen und Hindernisse auf dem Weg in eine soziale und ökologische Zukunft. Allen voran Dörre betonte hierbei die Wichtigkeit „demokratischer Planung“ – nicht eine „Managerkaste“, sondern die Beschäftigten sollten über die Produktion im Unternehmen entscheiden.

Tag 3: Seit‘ an Seit‘ in eine soziale und ökologische Zukunft? 

Ein Streitpunkt, den die TeilnehmerInnen von der Podiumsdiskussion mit in den dritten Tag brachten, war die Frage nach der Bereitschaft, Konflikte einzugehen. KlimaaktivistInnen kritisierten die „sozialpartnerschaftliche Harmoniebedürftigkeit“ der Gewerkschaftsbewegung und forderten, mit den Herrschenden stärker auf Konfrontationskurs zu gehen. Die Zeit des Konsenses und der Positionspapiere sei vorbei. Von Gewerkschaftsseite standen Überlegungen im Zentrum, bestehende konsensorientierte Dialog- und Verhandlungsforen beizubehalten. Mit allzu radikalen Schritten laufe man Gefahr, die breite Unterstützung der Lohnabhängigen zu verlieren.

Nach drei langen und intensiven Tagen war man weit davon entfernt, derlei Konflikte aus dem Weg zu räumen. Die Interessen, politischen Forderungen, Lebensrealitäten und Ressourcen von GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen, KlimaaktivistInnen und WissenschafterInnen unterscheiden sich teilweise gravierend. Diese Gruppen miteinander in Austausch zu bringen, war mit Sicherheit die größte Errungenschaft dieser Veranstaltung. Zukünftig will man dort, wo es sinnvoll erscheint, gemeinsam kämpfen. Als Positivbeispiel wurde hier der Bahnstreik vom November vergangenen Jahres genannt, der von Klimaaktivist:innen von Fridays For Future und System Change Not Climate Change unterstützt wurde. Fix ist, eine Akademie soll es auch im kommenden Jahr wieder geben. Ein erster Schritt ist getan: Es gibt schon mal eine WhatsApp-Gruppe.

Die Akademie für sozialen und ökologischen Umbau fand vom 19. bis 21. April 2023 im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien statt. An ihr nahmen rund 150 GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen, WissenschafterInnen und KlimaaktivistInnen teil. Die Akademie wurde u.a. organisiert von der AK Wien, GPA, ÖGB, Fridays For Future, System Change not Climate Change, Attac, Universität Wien, BOKU Wien. Link: https://sozialundoekologisch.org/

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