Arbeitsplätze im Lorenz-Böhler sind gesichert

Erik Lenz bei der öffentlichen Betriebsversammlung der AUVA-Beschäftigten am 6.3.2024
Foto: Edgar Ketzer

Erik Lenz, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der AUVA, hat im Chaos kühlen Kopf bewahrt und gemeinsam mit seinem Betriebsrats-Team die Beschäftigten des Unfallspitals sozial abgesichert. In den nächsten Wochen müssen viele Details ausverhandelt werden. Bis Ende des Jahres sollte die Belegschaft wieder unter einem gemeinsamen Dach arbeiten können.

KOMPETENZ: Das Lorenz-Böhler Unfall Krankenhaus wurde im März wegen mangelhaftem Brandschutz überraschend geräumt. Wann hat der Betriebsrat davon erfahren?

Lenz: Es gab Gerüchte und immer wieder waren Leute im Haus unterwegs, die technische Überprüfungen durchgeführt haben. Es gab aber keine offiziellen Informationen. Erst unmittelbar vor der Sitzung am 28. Februar 2024, als der Beschluss zur Absiedelung gefasst wurde, bekam der Betriebsrat eine schriftliche Tischvorlage. Darin war festgehalten, dass mit der Belegschaftsvertretung gesprochen wird und es keine Kündigungen geben sollte. Viele Details blieben offen.

KOMPETENZ: Warum stand Anfang März ein Streik im Raum?

Lenz: Nach dem Grundsatzbeschluss der Schließung gab es seitens der Generaldirektion kein weiteres Gespräch mit dem Betriebsrat. Daraufhin sind wir laut geworden und haben öffentlich auf die Situation der Beschäftigten aufmerksam gemacht. Am 4. März 2024 gab es erste Infos für die Mitarbeiter:innen von der Generaldirektion. In der anschließenden Betriebsversammlung hat die Belegschaft den Betriebsrat aufgefordert, einen Streik vorzubereiten. Nach der Freigabe durch die GPA haben wir am 7. März bei einer öffentlichen Betriebsversammlung den Streikbeschluss verkündet und der AUVA für die Erfüllung unserer Forderungen eine Woche Zeit gegeben. Andernfalls wäre gestreikt worden.

Wir haben drei Bedingungen gestellt: Erstens wollten wir die Beschäftigten über eine Sozialvereinbarung wirtschaftlich absichern, damit es weder Gehaltseinbußen noch verschlechternde Versetzungen gibt. Zweitens haben wir einen genauen Plan eingefordert, wann welche Schritte der Absiedelung gesetzt werden und welche Beschäftigten dann zu welcher Zeit wo arbeiten müssen. Zum dritten wollten wir jene Unterlagen einsehen, auf deren Basis die Entscheidung zur Schließung gefallen ist.

„Die Einsicht in das Brandschutzgutachten war sehr ernüchternd, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung lag lediglich ein dreiseitiger Kurzbericht vor. „

Erik Lenz

Wir haben alle Mitarbeiter:innen abgesichert, in manchen Bereichen gibt es aber bis heute keine Klarheit – etwa über die Dienstpläne der Unfallchirurg:innen oder wo die zentrale Sterilisation angesiedelt sein wird.

Die Einsicht in das Brandschutzgutachten war sehr ernüchternd, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung lag lediglich ein dreiseitiger Kurzbericht vor. Darin wurde lapidar ausgeführt, dass das Gebäude schnellstmöglich geräumt werden muss, weil es in puncto Brandschutz keinen Konsens mit der Baubehörde gibt. Dass eine derart schwerwiegende gesundheitspolitische Entscheidung auf der Grundlage eines Kurzberichtes passiert, hat mich ehrlich schockiert.

KOMPETENZ: Wurden davor niemals Mängel im Brandschutz thematisiert?

Lenz: Im Herbst gab es Gespräche zwischen Baubehörde, Feuerwehr und AUVA. Wir wussten, dass der Brandschutz verbessert werden muss, welch immenses Ausmaß die Mängel hatten, war nicht bekannt. Die Baubehörde hat bereits im Juli 2023 von der AUVA ein Sanierungs- und Sicherheitskonzept verlangt. Weil es bis Ende Februar 2024 nicht vorgelegt wurde, war die Schließung unausweichlich. Das finde ich befremdlich, die Generaldirektion hatte genügend Zeit ein Konzept zu erarbeiten.

KOMPETENZ: Warum zeigt das Gebäude derartige Mängel im Brandschutz?

Lenz: Das Spital wurde 1967 erbaut und 1997 generalsaniert. Damals wurde auf die Stahlkonstruktion eine Innenbeschichtung aufgetragen, die sich im Brandfall ausdehnt und so die Träger vor einer Überhitzung und dem Schmelzen schützt. Offenbar gibt es ausgedehnte Gebäudebereiche, bei denen die Beschichtung gänzlich fehlt, an anderen Stellen wurde sie laut Gutachten schlampig aufgetragen. Das ist ein Baumangel, den man damals, als die Decke noch unverschlossen war, hätte sehen müssen. Bei einem Großbrand hätten diese Mängel zu einer heiklen Situation führen können.

KOMPETENZ: Kann man das Gebäude nicht sanieren?

Lenz: Eben diese Option hätte die AUVA prüfen sollen. Nachdem das Gebäude – bis auf den Ambulanzbereich –  überhastet geräumt wurde, ist es für uns als Betriebsrat zentral wichtig, alle Beschäftigten langfristig abzusichern und rasch Klarheit darüber zu schaffen, wo die Kolleg:innen, auch jene mit befristeten Arbeitsverhältnissen, in den nächsten Wochen und Monaten arbeiten werden.

Wir hatten 520 Beschäftigte am Standort, der Großteil davon sind Ärzt:innen, Pfleger:innen und Verwaltungspersonal, 85 davon sind Arbeiter:innen – also Reinigungskräfte, Haustechniker oder Küchenbedienstete.

Im Lorenz-Böhler-Spital werden rund 65.000 Patient:innen pro Jahr versorgt, das sind 200 pro Tag. Unsere Mitarbeiter:innen führen pro Jahr rund 5.000 traumatologisch orthopädische Operationen durch. Das kann kein anderes Spital in Wien von heute auf morgen in vollem Ausmaß abfedern.

„Wir haben klaren Kopf bewahrt und im gröbsten Chaos den Arbeitsplatz für alle Mitarbeiter:innen abgesichert.“

Erik Lenz

KOMPETENZ: Daher bleibt die Ambulanz am Standort weiterhin offen?

Lenz: Dieser Gebäudeteil wurde Großteils in einer anderen Bauart errichtet und kann im Brandfall nicht einstürzen. Jener kleine Bereich der Ambulanz, der ein Stahlskelett hat, wird derzeit saniert. Diese erste Anlaufstelle erhalten wir aufrecht um kleinere Verletzungen versorgen zu können. Aufnahmen und Operationen sind derzeit nicht möglich, schwerwiegende Fälle werden mit der Rettung ins Meidlinger Unfallkrankenhaus oder ins AKH gebracht. Dort gibt es daher eine enorme Arbeitsverdichtung.

KOMPETENZ: Wohin Ist die Böhler-Belegschaft gewandert?

Lenz: Zwei Drittel der Ärzt:innen und des Pflegepersonals arbeiten derzeit in Meidling, das Haus hat 52 Betten vom Böhler übernommen und ist brechend voll. 23 Betten konnten wir in eine leerstehende Station im AKH transferieren, die nun mit Pflegepersonal vom Lorenz Böhler Spital und Ärzt:innen des AKH betrieben wird. Glücklicherweise haben wir eine extrem kooperative Belegschaft mit hoher Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber.

Betriebsrät:innen an der Belastungsgrenze

Es hat keine einzige Kündigung gegeben, das war und ist ein enormer Kraftakt für die Personalvertretung. Wir mussten innerhalb kürzester Zeit tragbare arbeitsrechtliche Lösungen für mehr als 500 Beschäftigte aushandeln. Viele Kolleg:innen haben nun längere Wegzeiten oder erhöhte Kosten fürs Parken oder das Essen. Auch an das neue Arbeitsumfeld müssen sich viele erst gewöhnen.

Es waren harte und arbeitsintensive Wochen für uns Betriebsrät:innen. Zu Beginn war das Chaos groß, aber wir haben zusammengehalten, haben einen klaren Kopf bewahrt und sind konstruktiv geblieben. Die GPA, allen voran Vorsitzende Barbara Teiber hat uns sowohl mit ihrer Anwesenheit bei den Betriebsversammlungen als auch mit fachlicher Expertise im Hintergrund unterstützt. Wertvoller Support kam auch von Gerald Mjika von der Gewerkschaft VIDA.

KOMPETENZ: Waren die Verhandlungen schwierig?

Lenz: Wir haben als Team verhandelt: Die Böhler-Betriebsräte Bernhard Jahn für die Angestellten und Dietmar Mörtl für die Arbeiter:innen sowie Robert Rois für die Angestellten und Niki Gissenwehrer für die Arbeiter:innen aus dem Meidlinger Unfallkrankenhaus, waren immer an meiner Seite. Jeder kennt sein Haus und die spezifischen Problemlagen der Belegschaft am besten. All unsere Entscheidungen haben wir auch mit dem Ärztevertreter Heinz Brenner abgestimmt.

Die ausverhandelten sozialen Maßnahmen gelten nun für die Beschäftigten beider Unfallspitäler in Wien und das im AKH tätige Personal. Gewisse Aufgaben aus dem Böhler wurden auch an den Weißen Hof in Klosterneuburg ausgelagert. Die bestehenden Stationen arbeiten seit Wochen hart an ihrer Belastungsgrenze weil sie vieles auffangen müssen, was am Standort Böhler aktuell nicht geleistet werden kann. Die haben viel mehr Patient:innen, brauchen daher mehr Personal, für dieses muss wieder mehr gekocht werden, die zu reinigenden Stationen haben sich ebenso vergrößert wie die Aufgaben der Sterilisationseinheiten.

KOMPETENZ: Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Lenz: Wir sind weiter wachsam, nun beginnen die Mühen der Ebene. Es sind massenhaft Details zu klären, etwa wie die Beschäftigten im AKH ihren bisherigen Essenszuschuss bekommen sollen oder die weitere Gestaltung der Dienstpläne.

„Ein Unfallkrankenhaus arbeitet wie ein präzises Uhrwerk. Sind die einzelnen Teile zu lange getrennt, kann man sie irgendwann nicht mehr gut zusammenfügen.“

Erik Lenz

KOMPETENZ: Wie geht es mit dem Lorenz-Böhler-Spital weiter?

Lenz: Bis Jahresende sollen alle Abteilungen und Beschäftigten wieder an einem Standort vereint sein. In dieser Übergangszeit wird es rasche Entscheidungen darüber geben müssen, ob das nun leere Gebäude saniert werden kann oder für die Dauer einer längeren Instandsetzung am Areal ein Containerdorf errichtet werden muss. Wir brauchen zeitnah ein Konzept, bis wann und unter welchen Umständen am Standort die OP-Säle und der Bettentrakt wieder genutzt werden können damit das Krankenhaus rasch wieder zusammenwachsen kann. Ein Krankenhaus ist wie ein Uhrwerk. Man kann es auseinanderbauen und wieder zusammenfügen, bleiben die einzelnen Teilen zu lange getrennt, passen sie irgendwann nicht mehr zusammen.

„Das Personal im Unfallkrankenhaus ist hochspezialisiert und bestens ausgebildet. Solche Leute findet man nicht von heute auf morgen.“

Erik Lenz

Sollte eine Sanierung nicht möglich sein, steht – in Abstimmung mit der Stadt Wien – ein Neubau in der Brigittenau im Raum. Wichtig ist, das Krankenhaus wieder an einem Standort zusammenzuführen. Durch die Aufteilung auf mehrere Standorte haben wir massive Schwierigkeiten mit den Dienstplänen der Ärzt:innen, weil diese nicht unbedingt einer bestimmten Station zugeordnet sind, sondern manchmal für gewisse Zeiten zusammenarbeiten – etwa wenn ein Notfall in die Ambulanz kommt. Das ist aber nicht möglich, wenn sie in unterschiedlichen Häusern arbeiten.

Ob ein Neubau am jetzigen Standort entsteht oder woanders in der Brigittenau ist für uns nebensächlich. Für die Belegschaft ist es wichtiger zu wissen, was in einer Woche passiert, als was in sieben Jahren sein wird. Sie wollen wissen, ob sie weiterhin mit den gleichen Kolleg:innen Dienst machen können oder sich komplett umstellen müssen. Wir müssen rasch Klarheit schaffen, damit diese hochausgebildeten und spezialisierten Mitarbeiter:innen nicht abwandern – man kann sie nicht von heute auf morgen ersetzen.

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