Bilder und Texte auf Social Media werden immer häufiger mittels Künstlicher Intelligenz erzeugt. Digitalexpertin Ingrid Brodnig rät zum Quellencheck.
KOMPETENZ: Welche Rolle spielt KI bei der Erstellung von Social Media Inhalten?
Ingrid Brodnig: Politisch gibt es viel Angst vor Falschmeldungen mittels KI – aber derzeit dienen KI-generierte Inhalte, vor allem Bilder, hauptsächlich als Stimmungsverstärker. Die meisten Täuschungen sind leicht erkennbar, weil die Optik übertrieben wirkt, etwa wenn Donald Trump im Vorfeld der US-Wahl auf einem Löwen reitend abgebildet wird. Solche Memes wollen nicht täuschen, sondern emotionales Bildmaterial liefern und damit ein Narrativ bedienen. Im konkreten Fall sollte das Jubelbild Trumps heroisches Image verstärken. Auf die gleiche Weise funktionieren KI generierte Bilder, die Trump inmitten afroamerikanischer Menschen zeigen. Sie erwecken den Eindruck, Trump wäre in dieser Bevölkerungsgruppe beliebt.Mittelfristig wird sich die Qualität der Täuschungen verbessern. Deep Fakes, realistisch wirkende Videos, die durch KI erzeugt oder verändert wurden, haben enormes Manipulationspotential.
KOMPETENZ: Gibt es noch andere KI-generierte Täuschungen?
Ingrid Brodnig: Sehr problematisch sind gefakte Audiodateien, die den Eindruck geheimer Mitschnitte suggerieren. So kursierte letztes Jahr eine gefälschte, aber realistisch wirkende Audiodatei von Keir Starmer, damals noch in seiner Rolle als britischer Labour-Chef in Opposition. Es klang, als ob der Spitzenkandidat sein Personal verbal zur Schnecke gemacht hätte. Gefälschte Audios sind brandgefährlich Aktuell sehen wir noch keine Flut derartiger Audios, es sind Einzelfälle. Da die Technologie immer zugänglicher und besser nutzbar wird, erwarte ich hier einen Anstieg.
Warum sind KI generierte Fake Inhalte in Sozialen Netzwerken so gefährlich?
Diese gefälschten Realitäten tragen stark zu einem allgemeinen Gefühl des Wahrheitsverfalls, in der Fachsprache „truth decay“ genannt, bei. Bei vielen Leuten verstärkt sich das Gefühl, gar nichts mehr glauben zu können, sie zweifeln an allen dargebrachten Informationen. Ein guter Ausweg aus dieser Unsicherheit ist, als Medienkonsument:in ständig zu versuchen, sich der Wahrheit der Inhalte anzunähern.
KOMPETENZ: Wie kann man das machen?
Ingrid Brodnig: Zu unplausiblen Bildern können alternative Quellen gesucht werden. Von den Auftritten prominenter Personen oder Ereignissen kursieren meist vielfältige Aufnahmen mehrerer Fotograf:innen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Will man verifizieren, ob ein Bild echt ist, kann man es in einer Suchmaschine hochladen und sieht, ob es bereits irgendwo veröffentlicht wurde. So kann man beispielsweise ein Bild als bearbeitet entlarven, dessen Original bereits vor Jahren ins Netz gestellt wurde. Das ist zwar ein gewisser Aufwand, der Hausverstand ist aber definitiv kein guter Gradmesser, um falsche Bilder oder Botschaften zu erkennen. Fakes versuchen ja unseren Wirklichkeitssinn auszutricksen, weil sie zu glauben machen, was Menschen gerne sehen und hören möchten.
KOMPETENZ: Machen Massenmedien auch Faktenchecks, bevor sie Bilder veröffentlichen?
Ingrid Brodnig: Für Journalist:innen gehört es zum Arbeitsalltag zu prüfen, ob eine Quelle seriös ist. Im ORF gibt es seit Kurzem eine eigene Mitarbeiterin, die für „verification“, also die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes kursierender Informationen, zuständig ist. Es wäre gut, wenn möglichst viele Medien und öffentliche Stellen Teams für Faktenchecks hätten.
KOMPETENZ: Wir alle müssen also im Medienalltag Quellenrecherche betreiben?
Ingrid Brodnig: Bildungspolitisch muss das Ziel sein, in allen Bevölkerungsgruppen eine Medienkompetenz zu stärken, die es erlaubt rasch festzustellen, aus welcher Richtung eine Information kommt und wo man im Zweifelsfall skeptisch oder misstrauisch sein muss. Die digitale Grundbildung in der Sekundarstufe 1 der Schule halte ich daher für immens wichtig. Wir brauchen darüber hinaus ein breites Bewusstsein darüber, nach welchen Kriterien die Algorithmen der großen Suchmaschinen gewünschte Informationen verteilen.
KOMPETENZ: Hat der Einsatz von KI auf Social Media Vorteile?
Ingrid Brodnig: Ja, die künstliche Intelligenz kann uns Zeit sparen und die Arbeit erleichtern. Wenn ich zum Beispiel Videos poste, nutze ich eine App, die automatische Untertitel erstellt. Auch Transkripte lassen sich mittels KI auf einem akzeptablen Niveau per Knopfdruck auswerfen. Der Mensch rückt in eine Kontrollfunktion, liest die Texte Korrektur oder fügt Einzelheiten ein. Das spart wertvolle Ressourcen. Will man beispielsweise seine Social Media Aktivitäten unkompliziert auch für Gehörlose zugänglich machen, helfen solche Untertitel. Je wichtiger ein Dokument ist, je gefährlicher Fehler sind, desto kritischer sollte man aber schauen, ob die Vorschläge der KI auch stimmen. Blind vertrauen sollte man einer KI, ihren Rechercheergebnissen oder Bildvorschlägen jedenfalls nicht.
KOMPETENZ: Welche Nachteile bringt der Gebrauch von KI in Sozialen Netzwerken mit sich?
Ingrid Brodnig: Die Gefahr ist, dass KI vielfach als Möglichkeit gesehen wird, Personal einzusparen. Da kann es auch zu falschen Vorstellungen kommen, wie viel die KI schon alleine kann. Denn oft wird unterschätzt, wie sehr Menschen nacharbeiten müssen – zum Beispiel KI-Inhalte nochmal kontrollieren. KI ist ein guter Gedankengeber und kann eine Inspiration und Anregung bei der Suche nach Lösungen oder Formulierungen sein aber oft braucht es diese menschliche Qualitätsschleife dahinter.
KOMPETENZ: Wo liegen die Grenzen für einen sinnvollen KI-Einsatz?
Ingrid Brodnig: Künstlich generierte Inhalte, speziell Bilder, können übertrieben wirken. Die große Kunst ist es abzuschätzen, wann sich der Einsatz von KI lohnt und wo er unsinnig wäre. Diese Technologie ist aber definitiv gekommen um zu bleiben, wir werden einen Umgang damit finden müssen – als Gesellschaft, in der Arbeitswelt und als Individuen. Grenzen sehe ich dort, wo
Einsatz oder Nutzung von KI auf Social Media zu problematischen oder gar unethischen Zwecken stattfindet.
ZUR PERSON:
Die gebürtige Grazerin Ingrid Brodnig hat an der FH Joanneum Journalismus und Unternehmenskommunikation studiert. Nach journalistischer Tätigkeit im Ressort Politik und Medien des Falter wechselte sie als Medienredakteurin zum Magazin Profil. Im Fokus ihres Interesses stehen seit jeher die Themen Technik und Internet sowie deren Schnittstellen zum Journalismus. Aktuell arbeitet Brodnig als selbstständige Autorin und Journalistin und war bis vor kurzem auch Mitglied im Präsidium der GPA-Journalist:innen.