
Foto: Nurith Wagner-Strauss
Seit dem Sommer wird im Hanusch Krankenhaus renoviert und erneuert, der Abriss von Pavillon 6 machte temporäre Umsiedlungen ganzer Abteilungen notwendig. Für die Pflegekräfte und Verwaltungsangestellten brachten die Umzüge eine erhöhte Arbeitsbelastung und einiges an Unsicherheit. Ilse Kalb, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende kritisiert die mangelnde finanzielle Abgeltung des Mehraufwandes und die lückenhafte Kommunikation seitens der Direktion.
Von außen wirkt das Hanusch-Krankenhaus wie eine einzige riesige Baustelle. Container stehen am Gelände, in einer großen Baugrube werden dort, wo einst Pavillon 6 stand, Tiefbauarbeiten durchgeführt und neue Wände hochgezogen. Im Gebäude merkt man von dem riesigen Umbau, der seit fast einem Jahr läuft, zunächst wenig: Die Gänge sind voll mit wartenden Patient:innen, die von Ärzt:innen aufgerufen, von Trägern begleitet und von Pflegepersonal betreut werden. Die rege Betriebsamkeit wird immer wieder durch Getöse und Gehämmer unterbrochen – die Bauarbeiten sind allgegenwärtig.
Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ilse Kalb hat seit Beginn der Umbauarbeiten alle Hände voll zu tun. Zunächst ging es darum, die schleppend eintrudelnden Informationen über den Ablauf der geplanten Umbauten möglichst rasch an das Personal weiterzugeben: „Die Hinweise auf Veränderungen kamen spät und waren für uns auch nicht mehr veränderbar.“
Für die Beschäftigten bedeutete dies, dass von einem Tag auf den anderen bestehende Stationen geräumt und gleichzeitig neue Räumlichkeiten besiedelt werden mussten – die Betreuung der Kranken musste dabei weiterlaufen. Kalb wertet die Umsiedelungen als „krasse Mehrbelastung, die weder finanziell noch ideell abgegolten wurde: Die Beschäftigten haben sich sprichwörtlich zerspragelt um neben dem Patient:innenkontakt auch noch den Umzug gut über die Bühne zu bringen. Für diese tolle Leistung gab es keine Wertschätzung, weder anerkennende Worte noch Gesten seitens der Direktion.“
Betriebsrat schlechter erreichbar
Für Kalb und ihre beiden Kolleg:innen im Betriebsrat bedeutete der Umbau eine räumliche Verlagerung ins Personalwohnhaus Staargasse, außerhalb des Spitalareals, was „eine eindeutige Verschlechterung der Erreichbarkeit mit sich brachte: Die Kolleg:innen haben relativ weite Wege um persönlich mit uns ins Gespräch zu kommen. Es ist eine Hürde, etwa bei Schlechtwetter, das Haus verlassen zu müssen um die Belegschaftsvertretung aufzusuchen.“
Weil sich die betriebsrätliche Arbeit oft im zwischenmenschlichen Kontakt ergibt, sieht Kalb ihre Arbeit behindert: „Ich merke, dass die Kolleg:innen meist erst dann zu mir kommen, wenn der Hut brennt. Bei groben Problemen nehmen sie Kontakt auf, durch die räumliche Distanz ist es für uns aber schwieriger geworden, Ungereimtheiten früh auf die Spur zu kommen und vielleicht den einen oder anderen aufkeimenden Konflikt im Vorfeld deeskalieren zu können.“
Zu Beginn bestand sogar verbreitet Unsicherheit darüber, ob es erlaubt sei, während der Dienstzeit in Dienstkleidung das Spitalsgelände zu verlassen um den Betriebsrat aufzusuchen.
Nach der Neuerrichtung soll der Betriebsrat wieder in seinen ehemaligen Räumlichkeiten untergebracht werden, verlassen will sich Kalb darauf nicht: „Im Pavillon 6 müssen die schneidenden Fächer samt Ambulanzen Platz finden, man wird sicher nicht als erstes Räumlichkeiten für den Betriebsrat suchen.“ Jedenfalls müsse dann die anonyme Erreichbarkeit wieder gewährleistet sein, was während der Übergangszeit fehlt: „Aktuell ist jeder sichtbar, der zu mir ins Personalwohnhaus kommt.“
„Ich habe Sorge, dass die Gynäkologie nach den Bauarbeiten in den engen Räumlichkeiten des Haupthauses bleiben muss.“
Stationsleiterin Ivana Mandic
Die Umbauten sieht Kalb als „besonders herausfordernde Zeit für die Beschäftigten, die teils mehrfach aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen wurden: Im Umfeld einer neuen Station müssen auch die Bediensteten erst herausfinden, wie die Abläufe funktionieren und wer in Notfällen unterstützend helfen kann.“

Foto: Nurith Wagner-Strauss
Den Wanderpokal habe eindeutig die Gynäkologie gezogen, die von einer Uraltstation als Übergangslösung in einen neu hergerichteten Bereich übersiedelt ist. In der Interimsstation ist allerdings weit weniger Platz als im alten Gebäude. „Die administrative Arbeit am Computer muss im selben Raum gemacht werden, in dem auch Untersuchungen stattfinden – es gibt nur einen Vorhang zur räumlichen Trennung“, erzählt Stationsleiterin Ivana Mandic und ist skeptisch ob die Gynäkologie tatsächlich „irgendwann einmal in eine neue, größere Station im Haupthaus übersiedeln wird: Wir hören immer nur, dass gespart werden muss und haben Sorge, dass nicht gehalten werden kann, was uns versprochen wurde.“
Aktuell können auf der Gynäkologie, aufgrund der eingeschränkten Raumsituation nur 10 statt der früher 15 Betten geführt werden. „Uns wurde versprochen, dass es besser wird, aber ich habe keine verbindlichen Infos dazu, wann und wo die Gynäkologie künftig untergebracht sein wird.“ Die fehlende Planbarkeit wirke auf alle belastend: „Unsere Geduld wird auf die Probe gestellt. Auch die Patient:innen fragen uns, wie es weitergeht, alle wollen raus aus dieser Enge hier.“
Betriebsrät:innen als Vermittler gefordert
Kalb wünscht sich im Interesse der Beschäftigten eine offenere Kommunikation: „So geht man nicht mit seinem Personal um. Die Angestellten erfahren nach und nach, wie es weitergeht. Manchmal gibt es Versprechungen, die dann nicht eingehalten werden können, das ist untragbar, denn ich muss einer Patientin ja auch verbindlich sagen können, wo sie nach ihrer Operation weiter betreut wird.“
Das „Stille-Post“ Spielen erschwere den Arbeitsalltag, viele hätten das Gefühl „schlechte Nachrichten Stück für Stück zu erfahren: Wir brauchen Klarheit, die Beschäftigten müssen wissen, wie es für sie weitergeht. Ständige Gerüchte über das künftige Arbeitsumfeld schaffen Unruhe und verunsichern die Menschen“, findet Kalb.
Auch Mandic fände es „viel professioneller seitens der Kollegialen Führung, wenn – egal wie hart die Realität ist- man sie den Mitarbeiter:innen von Anfang an mitteilen würde: Wenigstens die unmittelbaren Vorgesetzten auf den Abteilungen sollten genau informiert werden, denn diese kennen das Basispersonal genau und wissen, was den Kolleg:innen zumutbar ist.“
„Die Belastungen des Umbaus lasten voll auf dem Personal. Das kann so nicht mehr länger weitergehen.“
Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ilse Kalb
Für Kalb ist der „ständige Ausgleich zwischen den Beschäftigten und der Direktion aufreibend: Ich habe Verständnis dafür, dass auch das Management vielleicht nicht alle baulichen Änderungen langfristig verbindlich vorhersagen kann. Bei fast drei Jahren Bauzeit wird es aber immer schwieriger werden, die Mitarbeiter:innen davon zu überzeugen, durchzuhalten und gute Miene zum belastenden Spiel zu machen.“
Mandic ist sich bewusst, dass „der Betriebsrat im Hintergrund wertvolle Arbeit leistet: Wir wissen, ihr kämpft für uns.“
Kein Rückzugsort für Beschäftigte
Daniela Urbitsch, Verwaltungsangestellte am Schalter in der Zentralen Notaufnahme, leidet unter den beengten Gängen am neuen Standort in Pavillon 4: „Alles ist neu, aber sehr eng. Hätte man uns vorher gefragt, wir hätten die Gänge breiter gemacht.“ Bei großem Andrang hätten die Patient:innen zu wenig Platz. „Manche warten im Sitzen, oft stehen Begleitpersonen daneben, durch diese Ansammlung von Menschen, Taschen, Jacken und Rollstühlen müssen dann auch noch Betten durchgeschoben werden“, berichtet Urbitsch von einer Eskalation vor ein paar Wochen, als „fünf Unfallrettungen und acht interne Rettungen fast gleichzeitig eingetroffen sind: Notfälle müssen immer sehr unmittelbar betreut werden. Da hatten wir sehr viel Stress und viel zu wenig Platz.“

Foto: Nurith Wagner-Strauss
Die Eingewöhnung am neuen Standort war für Urbitsch nicht leicht, was fehlt ist ein Pausenraum: „Wir haben keinen Rückzugsort und sind den Anfragen der Patient:innen immerzu ausgesetzt. Wenn ich essen will, muss ich mich wegdrehen, es gibt keinen geschützten Raum für unsere Mittagspause.“
„Wenn ich am Schalter sitze, bin ich ständig Ansprechperson für die Patient:innen. Zum Essen muss ich mich wegdrehen, wir haben keinen Pausenraum.“
Daniela Urbitsch, Verwaltungsangestellte
Auch in diesem Fall vermittelt Kalb und erklärt, dass laut Arbeitsstättenverordnung „das Vorhandensein eines Sozialraumes keine Pflicht darstellt: Es wäre aber eine Art der Wertschätzung, einen Rückzugsraum für die Beschäftigten zu schaffen, die hier gute und wichtige Arbeit leisten.“
Personal-WC mit lückenhaften Trennwänden
Die 3. Medizinische Abteilung wurde aus Pavillon 6 abgesiedelt und hat im Haupthaus eine neue, fixe Bleibe gefunden. Kalb stört, dass es „für das Management offenbar selbstverständlich ist, dass Pflege und Verwaltung unbezahlte Zusatzarbeiten übernehmen, die belasten und stressen: Früher war die gesamte Abteilung unter einem Dach, nun sind die Laufwege für diese Kolleg:innen länger, weil die Ambulanz von der Station getrennt ist und assoziierte Bereiche, etwa die Blutbank, im ganzen Haus verstreut untergebracht sind.“
„In den zwei Mitarbeiterklosetts für Männer und Frauen in der 3. Medizinischen Abteilung waren die Trennwände oben und unten offen. Das war eine Zumutung.“
Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ilse Kalb
Auf der neuen Station gab es gemischte Mitarbeiter:innen-WCs, deren Trennwände oben und unten offen waren. Im Rahmen einer Begehung konnten die Beschäftigten diesen Planungsfehler aufzeigen. „Wir haben durchgesetzt, dass in den Personalklosetts deckenhohe Trennwände eingezogen wurden, die Kabinen sind nun geschlossen“, freut sich Kalb.
Erklärungen des Betriebsrats schaffen Akzeptanz
Der Betriebsrat war in die Planung der Umbauarbeiten grundsätzlich eingebunden, für Kalb eine „wichtige Voraussetzung, damit wir das Personal ins Boot holen können: Wir haben versucht einzulenken, mitzubestimmen und vor allem den Mitarbeiter:innen möglichst frühzeitig zu kommunizieren, wo sie künftig arbeiten werden. Das ist für viele sehr wichtig zu wissen.“ Der Betriebsrat habe die neue Aufteilung der Stationen mitgetragen und den Beschäftigten erklärt „warum manche Fächer zusammenbleiben müssen, andere aber getrennt werden: Wird alles ausführlich erklärt, gibt es mehr Akzeptanz seitens der Beschäftigten.“
Dem Personal die Sinnhaftigkeit mehrfacher Umzüge zu erklären ist selbst für die geduldige und umsichtige Kalb eine Herausforderung: „Es trifft vor allem die Pflege, die sich um die Patient:innen kümmern und nebenbei Administration und den wiederholten Umzug von Inventar bewältigen muss.“
Baulärm belastet das Personal doppelt
Die Umbauarbeiten werden bis 2027 dauern, für Kalb brauchen „die Beschäftigten während der Bauphase besonders intensive Unterstützung: Wenn Patient:innen den Weg nicht finden oder sich vom Baulärm gestört fühlen, beschweren sie sich zuallererst und meist lautstark bei der Pflege oder den Verwaltungsangestellten.“
Die anhaltende Lärmbelästigung ist für die Pflege in doppelter Hinsicht ein Problem, erzählt Angela Hopfgartner, diplomierte Krankenpflegefachkraft: „Einerseits müssen wir schwerkranken Menschen eine Stütze sein und ihnen die Genesungszeit so angenehm wie möglich machen. Andererseits leiden wir auch selbst, vor allem in der warmen Jahreszeit, unter der unangenehmen Geräuschkulisse.“
Werde das Gebohre und Gehämmere für die Patient:innen unerträglich, bemühe sich die Pflege um ein ruhigeres Zimmer: „Oft fangen wir auch die psychische Belastung ab, die durch den Lärm bei Menschen entstehen, die gerade Schmerzen und Ängste ertragen müssen.“
„Ein Bett mit einem Patienten durch einen engen Gang zu manövrieren ist fast ein wenig wie Tetris spielen – manchmal eine schier unlösbare Aufgabe.“
Angela Hopfgartner, diplomierte Krankenpflegerin
Der Umzug auf die neue Station war für Hopfgartner „megastressig: Die Menschen kommen mit akuten Symptomatiken, in den ersten Tagen auf der neuen Station waren nicht immer alle Utensilien griffbereit, das war extrem belastend.“
Im Tag- und Nachtdienst wurden Umzugskartons gepackt: „Das war schon eine enorme Zusatzanforderung neben der normalen Arbeit, der Umzug musste bei vollem Betrieb zusätzlich abgewickelt werden“, erklärt Hopfgartner, die auch die Enge im neuen Warteraum als anstrengend empfindet: „Wir spielen Tetris mit den Spitalsbetten, wir müssen sie zwischen Wartenden, Eingängen und Zimmern hin und her manövrieren.“
Wenig Wertschätzung vom Dienstgeber
Kalb, die im Spital an allen Ecken und Enden freundlich begrüßt wird, zieht symbolisch ihren Hut vor den Beschäftigten, die „trotz der belastenden Umbausituation sehr gute Arbeit leisten und die Patient:innen zufrieden stellen: Der Betriebsrat hat immer wieder eingebracht, dass es seitens des Dienstgebers zumindest kleiner Aufmerksamkeiten, wie etwa zusätzlicher Freizeit oder Obst und Kaffee für besonders exponiertes Personal bedürfte, um Wertschätzung für deren besonderen Einsatz in dieser Sondersituation zu zeigen.“ Bislang leider vergeblich.
Für Kalb ist es jedenfalls „nicht selbstverständlich, dass das Personal ständig mehr als 100 Prozent leistet: Speziell die Pflege steckt ihre eigenen Bedürfnisse häufig zurück, weil immer die Patient:innen im Vordergrund stehen. Das funktioniert kurzfristig, kann aber keine Dauerlösung sein!“ Langfristig brauche es „eine bessere Personalausstattung und Wohlfühlangebote wie ordentliche Garderoben, Mineralwasser und Freizeitoptionen im Betrieb: Dafür setzen wir uns auch weiterhin mit geballter Kraft ein.“
Kalb würde sich wünschen, dass „die Direktor:innen pro Quartal einmal den Weg zu den Beschäftigten finden und sich vor Ort der Probleme annehmen und so ein offenes Ohr für die Beschäftigten haben.“