BILLA-Betriebsratsvorsitzender Werner Hackl weiß, wo die MitarbeiterInnen der Schuh drückt. Nach großer Verunsicherung in der vergangenen Woche, werde nun intensiv an Schutzmaßnahmen gearbeitet. Freuen würden sich viele über eine finanzielle Anerkennung ihrer Arbeit, mit der sie die Nahversorgung in der aktuellen Covid-19-Krise aufrechterhalten, sagt Hackl im Gespräch mit der KOMPETENZ.
KOMPETENZ: Wieviele MitarbeiterInnen arbeiten normalerweise österreichweit in den BILLA-Filialen, wieviele sind es derzeit?
WERNER HACKL: In den einzelnen Filialen ist es unterschiedlich, je nachdem ob es eine kleine oder große Filiale ist, aber auch abhängig von der Tageszeit. Im Schnitt sind es zwischen sechs und zwölf Leute. Insgesamt arbeiten in den BILLA-Filialen 17.000 Menschen. Derzeit fangen täglich neue MitarbeiterInnen bei uns zu arbeiten an, ich kann das aber noch nicht auf eine konkrete Zahl herunterbrechen.
KOMPETENZ: Vergangene Woche waren die MitarbeiterInnen vor allem durch Hamsterkäufe sehr unter Druck. Hat sich diesbezüglich die Lage entspannt?
WERNER HACKL: Ja, Gott sei Dank. Donnerstag und Freitag waren Extremtage, die Leute haben die Filialen gestürmt. Das hat sich am Samstag schon beruhigt und inzwischen wieder normalisiert. Es gibt weiter leicht erhöhte Umsätze, es gibt mehr Arbeit als normal, aber im Großen und Ganzen hat es sich beruhigt und es ist zu bewältigen. Was mir Markmanager aber gesagt haben: da nun viele Menschen im home office arbeiten und auch die Kinder zu Hause sind, geht das Geschäft am Vormittag später los.
KOMPETENZ: Die Supermärkte schließen mit gestrigem Beschluss nun bereits um 19 Uhr. Die GPA-djp und viele Betriebsräte treten dafür ein, in der derzeitigen Situation die Öffnungszeiten weiter einzuschränken. Wäre das im Interesse der MitarbeiterInnen?
„Ich denke, dass in der momentanen Situation statt der derzeit zwölf Stunden zehn Stunden genug sind – von acht bis 18 Uhr.“
Werner Hackl
WERNER HACKL: Ich glaube einerseits, dass die MitarbeiterInnen gerade in so einer Situation für jede Hilfe dankbar sind. Ich führe derzeit ja viele Gespräche mit MitarbeiterInnen. Bei der Verkürzung der Öffnungszeiten gehen die Meinungen aber auseinander. Einige meinen, dass man in einer Krise Dinge gleich lassen soll, weil wenn man etwas verändert, bricht Panik aus. Dann könnte es wieder zu Hamsterkäufen kommen, ist die Sorge.
Ich denke aber, dass in der momentanen Situation statt der derzeit zwölf Stunden zehn Stunden genug sind – von acht bis 18 Uhr. Das müsste man allerdings gut vorbereiten, erklären, dass ja jetzt viele Menschen ohnehin zu Hause sind. Und wenn mir dann eine Pflegekraft sagt, ich arbeite aber von sieben bis 19 Uhr, wann soll ich da einkaufen? Dann muss man sagen, auch die Pflegekraft hat einen freien Tag und kann für mehrere Tage im Voraus einkaufen.
Leider muss ich auch sagen, dass manche Menschen immer noch nicht verstanden haben, dass Supermärkte der Nahversorgung dienen, aber nicht dazu da sind, da nun, weil die anderen Geschäfte zu haben, einen Familienausflug in den Supermarkt zu machen. Andere wieder kommen zwei, drei Mal am Tag und kaufen nicht notwendige Kleinigkeiten. Das ist nicht notwendig. Diese Menschen haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Da braucht es noch mehr Disziplin.
KOMPETENZ: Was sind momentan die größten Herausforderungen im Lebensmittelhandel?
WERNER HACKL: Einerseits, dass man mehr Schutz in den Filialen braucht – daran wird aber schon gearbeitet. Dann, dass die Krankenstände explodiert sind. Und eine Herausforderung ist auch, dass einige MitarbeiterInnen mit Müttern, Vätern, Omas, Opas zusammenleben, die in die Risikogruppe fallen und fragen, wie gehe ich da jetzt damit um.
KOMPETENZ: Was gibt es bereits an Schutz und woran wird noch gearbeitet?
WERNER HACKL: Desinfektionsmittel an den Kassen gibt es, es ist aber teilweise schon wieder ausgegangen. Da soll nächste Woche Nachschub kommen. Handschuhe haben wir noch in den Filialen, ob sie reichen, wird man sehen. Auch da soll nächste Woche wieder geliefert werden. Es werden derzeit Schutzbrillen und Plastikvisiere angekauft und seit heute sind Monteure unterwegs, die an den Kassen Plexiglasschutz anbringen. Das soll bis Ende nächster Woche in allen Filialen passieren. Es werden insgesamt extreme Anstrengungen gemacht, damit die MitarbeiterInnen geschützt sind und auch die KundInnen sicher einkaufen können.
KOMPETENZ: Wie erklären Sie sich den Anstieg der Krankenstände? Sind hier auch schon MitarbeiterInnen an Covid-19 erkrankt?
WERNER HACKL: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Krankenstände um 50 Prozent gestiegen. Auch daher ist es wichtig, dass es nun Unterstützung gibt, entweder durch LeiharbeiterInnen oder durch Leute, die von anderen Betrieben gekündigt wurden und nun sagen, wir fangen bei euch an. Zu den Krankenständen: Da gibt es auch den einen oder anderen Corona-Fall, aber das eher wenig bestätigte. Öfter ist es so, dass sich ein Familienmitglied infiziert hat und sie deshalb nun zu Hause in Quarantäne bleiben müssen. Wir wissen natürlich nicht genau, wer warum in Krankenstand ist, der Grund muss nur im Coronafall mitgeteilt werden. Aber die Grippewelle hält auch noch an.
„Wer über 60 ist und ein Attest bringt, dass er zur Risikogruppe gehört und im direkten Kundenkontakt nicht arbeiten soll, wird für nächste Zeit dienstfreigestellt.“
Werner Hackl
KOMPETENZ: Wie geht das Unternehmen mit MitarbeiterInnen um, die Vorerkrankungen wie Diabetes haben und nun als besonders gefährdet gelten?
WERNER HACKL: Wer über 60 ist und ein Attest bringt, dass er zur Risikogruppe gehört und im direkten Kundenkontakt nicht arbeiten soll, wird für nächste Zeit dienstfreigestellt. Da gibt es eine gute Vereinbarung. Vielleicht müssen die Betroffenen dazwischen auch Urlaub nehmen – aber auch das werden wir gut meistern. Auch hochschwangere Mitarbeiterinnen wurden bereits vorm Mutterschutz dienstfreigestellt.
KOMPETENZ: Und kommt man MitarbeiterInnen entgegen, die im selben Haushalt mit älteren Familienmitgliedern leben?
WERNER HACKL: Wir haben da eine andere Ausgangsbasis als andere Unternehmen, weil wir zur kritischen Infrastruktur zählen. Wir schauen halt so gut wie möglich, dass wir mit den Betroffenen Vereinbarungen finden.
KOMPETENZ: Wie ist insgesamt die Stimmung in den Filialen – was gibt es da für Rückmeldungen von MitarbeiterInnen?
WERNER HACKL: Die Hamsterkäufe von letzter Woche, wo die Regale leergeräumt wurden, das hat schon zu Angst geführt und zum Gefühl „wir sind nicht geschützt“. Da haben sich viele ein Stück alleine gelassen gefühlt. Wir haben aber diese Woche von Montag an viele Maßnahmen einsteuern können, sodass sich die Situation ein wenig beruhigt hat. Die Leute sehen, da passiert etwas. Der Weg ist der richtige. Trotzdem kann man die Angst vor einer Ansteckung und die Sorge um die Angehörigen nicht nehmen.
KOMPETENZ: Die Arbeitgeberseite arbeitet bereits an Schutzmaßnahmen und nimmt weitere Beschäftigte auf. Was würden sich die MitarbeiterInnen im Moment von Arbeitgeberseite darüber hinaus besonders wünschen?
WERNER HACKL: Da kommt immer wieder der Wunsch, wie schaut es mit einer finanziellen Abgeltung aus – etwa eine Gefahrenzulage wie beim Bundesheer. Und man kann da jetzt auch nicht damit warten, bis das ganze vorbei ist. Das Danke allein hilft in dieser Phase nicht. Die Menschen müssen spüren, ich bin der Firma etwas wert. Wir haben Teilzeitangestellte, die arbeiten normalerweise 20 Stunden und derzeit 40 Stunden und am Monatsende bekommen sie ihren normalen Gehalt, weil es einen dreimonatigen Durchrechnungszeitraum gibt. Und selbst wenn sie die Mehrstunden sofort bezahlt bekommen, frisst die Steuer einen guten Teil weg. Da sollte sich die Regierung auch überlegen, ob Prämien oder Zulagen steuerschonend ausbezahlt werden können. Die Regierung schnürt Hilfspakete für Firmen, sie könnte auch etwas für die MitarbeiterInnen, die weiter arbeiten tun. Wir haben hierzu auch schon direkt bei der Regierung angefragt.
„Es gibt von Kundenseite aber insgesamt so viel Positives: Zeichnungen, Mails, in denen sich Menschen bedanken. Leute gehen und kaufen Schokolade für die MitarbeiterInnen.“
Werner Hackl
KOMPETENZ: Gibt es Ängste von MitarbeiterInnen, hier nun einem größeren Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu sein als jene Menschen, die nun im homeoffice arbeiten?
WERNER HACKL: Ja natürlich. Dann gibt es auch Kunden, die zu diesem Gefühl beitragen, in dem sie sagen, ihr seid arm, ihr seid dem jetzt so ausgesetzt. Das ist nett gemeint, trägt aber zu einem erhöhten Angstgefühl bei, wenn ich das zig Mal hintereinander höre. Außerdem gibt es immer wieder Kunden, die den Sicherheitsabstand nicht einhalten oder die Situation nicht ausreichend ernst nehmen. Es gibt von Kundenseite aber insgesamt so viel Positives: Zeichnungen, Mails, in denen sich Menschen bedanken. Leute gehen und kaufen Schokolade für die MitarbeiterInnen. Es gibt eine Vielzahl von KundInnen, die die Arbeit der Angestellten in den Supermärkten schätzen und dankbar sind, dass die Nahversorgung am Laufen gehalten wird.
Der Lebensmittelhandel gilt nun als eine Branche, die von der Regierung immer wieder als „systemerhaltend“ bezeichnet wurde. Sollte sich das auch in künftigen KV-Abschlüssen bemerkbar machen?
WERNER HACKL: Das wäre ganz wichtig, dass man jetzt einmal sieht, was die VerkäuferInnen leisten. Die Schwierigkeit ist, dass die Handelsbranche so groß ist. Im Lebensmittelhandel wird jetzt gearbeitet, der Modehandel hat geschlossen und macht keine Umsätze. Wenn wir nun – Hausnummer – sagen, wir wollen fünf Prozent mehr, dann sagt die Modebranche, ihr ruiniert uns, das können wir uns nicht leisten. Die Branche ist groß, aber auch sehr unterschiedlich.
KOMPETENZ: Es bräuchte also ein Zulagensystem für Beschäftigte im Lebensmittelhandel?
WERNER HACKL: Ja, genau.