Auf dem Rücken der Beschäftigten verzeichnet das Megaunternehmen Amazon seit Jahren Milliardengewinne – und wird durch die Corona-Krise seine Marktmacht weiter ausbauen.
Wenn einer profitiert, dann er: Jeff Bezos, mit gut 104 Milliarden Dollar (ungefähr das BIP der Slowakei) derzeit reichster Mensch der Welt, wurde in den vergangenen zwei Wochen um zehn Milliarden Dollar reicher. Sein Unternehmen Amazon steigerte seinen Wert im selben Zeitraum um rund 100 Milliarden. Während der Einzelhandel aufgrund der Corona-Krise allerorts erliegt, sich Entlassungen und Insolvenzen häufen, wird der Onlineriese zum großen Profiteur der Krise. Den Preis dafür zahlen wir alle.
Im Jahr 1994 als Online-Buchhändler gestartet, ist das vom US-Amerikaner Jeff Bezos gegründete Unternehmen mittlerweile die wertvollste Marke der Welt. Laut eigenen Angaben setzte es 2019 weltweit 280,5 Milliarden Dollar um. Dieser Wert dürfte dieses Jahr noch einmal beträchtlich steigen. Denn von der Corona-Krise profitiert der Megakonzern in vielerlei Hinsicht. Das liegt zum einen daran, dass sich das Warenangebot von Amazon längst nicht mehr auf Bücher beschränkt, sondern neben Klein- und Großelektronik auch Kleidung, Hygieneartikel, Spielzeug, Sport- und Freizeitprodukte umfasst. Da die meisten Geschäfte aufgrund der Pandemie derzeit geschlossen sind, weichen viele KäuferInnen auf den Online-Versandhandel aus, die allermeisten auf den digitalen Platzhirschen Amazon.
Von der Homeoffice-Verordnung profitiert Amazon gleich doppelt
Auch für das Streamingportal Amazon Prime Video herrschen derzeit quasi Optimalbedingungen: Da das öffentliche Leben weitgehend stillsteht, ist das Film- und Serienangebot des Internetriesen für viele die letzte Rettung vor dem Lagerkoller. Von den zahlreichen Beschäftigten, die nun gezwungenermaßen aufs Homeoffice umsteigen, profitiert Amazon gleich doppelt. Einerseits steigt die Nachfrage nach der passenden Ausrüstung wie etwa Headsets auf ein Rekordhoch. Dasselbe gilt für Bürozubehör wie Druckerpatronen und -papier. Andererseits finden zahlreiche Meetings und Konferenzen derzeit im Digitalen statt. Für Amazons profitabelste Sparte, dem Cloud- und IT-Anbieter Amazon Web Service (AWS), verspricht das umsatzstarke Zeiten.
Während viele kleine und mittelständische Unternehmen in den vergangenen Wochen massive Verluste einfuhren, verlagert sich das Kräfteverhältnis weiter zugunsten des Onlineriesen Amazon. Und es ist zu befürchten, dass es sich dabei um kein kurzfristiges Phänomen handelt. Viele UnternehmerInnen plagt derzeit die Sorge, dass KundInnen, die sich einmal an die vermeintlichen Vorzüge von Bezos Onlineshop gewöhnt haben, auch nach der Corona-Pandemie statt auf lokale Anbieter weiterhin auf Amazon setzen. Die im Einzelhandel Beschäftigten könnten die wirtschaftlichen Folgen des Shutdowns also auch dann noch spüren, wenn die eigentliche Krise längst ausgestanden ist.
„Großer Profiteur könnte dann Amazon sein“
Bei Amazon selbst macht man keinen Hehl daraus, dass man rosigen Zeiten entgegensteuert. Da derzeit viele Menschen Amazon erst für sich entdecken würden, schreibt Hannes Detjen, Managing Director Remazing, einer Agentur für Amazon Marketing, in einem Gastkommentar, gehe man davon aus, dass sich „diese Neukunden vermutlich auch nach der Krise nicht vom E-Commerce verabschieden“. „Insgesamt“, schreibt Detjen, „gehen wir also davon aus, dass die Krise positive Folgen für den Online-Handel mit sich bringen wird. Großer Profiteur könnte dann Amazon sein“. Diese Entwicklung sorgt offenbar auch das Institut der Deutschen Wirtschaft. Das Institut mit Sitz in Köln erwartet, dass Amazon seine Marktmacht aufgrund der Krise künftig deutlich ausbauen wird. Und appelliert bereits jetzt an die Wettbewerbsbehörde, rechtzeitig einzuschreiten.
Während sich Amazon-Boss Bezos in diesen Wochen über satte Gewinne freut, geht das vor allem zu Lasten seiner Beschäftigten. Dass der Online-Gigant weltweit rund 15 Milliarden Artikel pro Jahr weit unter dem Preis der Konkurrenz und (nahezu) versandkostenfrei liefern kann, hat seinen Preis. Den bezahlen nicht die KundInnen, sondern die ArbeitnehmerInnen, letzten Endes wir alle. Das Geschäftsmodell Amazons beruht in vielerlei Hinsicht auf der Ausbeutung der eigenen MitarbeiterInnen und der Untergrabung von ArbeitnehmerInnenrechten in Form von Lohndumping, der Beschäftigung von Scheinselbständigen und dubiosen Sub-Unternehmen. Trotz Milliardengewinne zahlt Amazon in Österreich kaum Steuern, setzt den lokalen Einzelhandel und deren Beschäftigte aufgrund deren Quasi-Monopolstellung stark unter Druck und sorgt weltweit für massive Umweltzerstörungen.
Amazon-frei shoppen
Bequem von der Couch aus auf Amazon zu shoppen, mag seine Vorzüge haben und zudem preisgünstig sein – aber auch nur, weil Amazon seine Kosten auf die Gesellschaft abwälzt. Der eigentliche Preis dafür findet sich nicht am Preisschild, sondern ist ein Indirekter, den letztlich wir alle bezahlen.
Da Geschäfte und Läden wohl auch in den kommenden Wochen geschlossen bleiben werden, bleibt für viele Anschaffung bleibt notgedrungen nur der Weg ins digitale Geschäft. Doch dabei muss es nicht unbedingt immer Amazon sein. Es gibt auch Möglichkeiten abseits des Online-Platzhirschen Einkäufe zu erledigen:
- Viele regionale HändlerInnen und UnternehmerInnen haben mittlerweile einen eigenen Online-Versand, auch jene, die vor Ausbruch der Corona-Krankheit vielleicht noch keinen hatten.
- Die Plattform nunukaller.com listet derzeit Unternehmen, die in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind, um ihre Produkte dort online anbieten zu können.
- Mit der Österreichischen Onlineshop-Fibel vom Wochenmagazin Falter findet sich eine Übersicht über alle Shopping-Möglichkeiten abseits von Amazon. Das Angebot reicht von Büchern, Filmen, Lebensmitteln, Kosmetik, Kleidung oder Schuhen bis hin zu Büroartikeln und Tabwakwaren.
- Ein Klassiker, der sich auch zu Corona-Zeiten bewährt, ist selbstverständlich der Online-Marktplatz Willhaben.at
Die lokalen UnternehmerInnen und HändlerInnen werden sich über Ihre Unterstützung freuen, denn Jeff Bezos ist in der Zeit, in der Sie diesen Artikel gelesen haben, weitere rund 400.000 Dollar reicher geworden.