Fachhochschulstudierende im Gesundheits- und Sozialbereich müssen im Rahmen ihres Studiums zahlreiche Monate an Praktika absolvieren. Auch angehende Klinische und GesundheitspsychologInnen haben praktische Erfahrungen vorzuweisen. Doch meist erhalten die Studierenden für diese Praktika keinerlei Bezahlung. Das kann nicht nur für sie selbst problematisch sein, das drückt auch die Gehälter. VertreterInnen der Branche fordern nun die Bezahlung aller Praktika, die im Rahmen von Studien vorgeschrieben sind.
Leokadia Grolmus ist 22 Jahre alt und studiert Soziale Arbeit an der Fachhochschule Campus Wien. 20 Wochen an Praktika muss sie im Rahmen ihres Studiums vorweisen, dies brachte sie teils an den Rand der Erschöpfung. Denn einerseits wurden all ihre Praktika bisher nicht bezahlt, andererseits studiert sie berufsbegleitend, arbeitet also. Sie hat daher ihren Urlaub für die Absolvierung der Praktika genutzt und damit aber seit drei Jahren keinen arbeitsfreien Monat mehr verbracht.
Mit solchen Sorgen ist sie nicht alleine. Grolmus ist an der FH Campus Wien auch Studierendenvertreterin und in der GPA Ansprechperson für Studierende. Vielen ihrer KollegInnen ergeht es ähnlich, erzählt sie. Wer Vollzeit studiert, kann wiederum schwer einem Teilzeitjob nachgehen, der allerdings die Existenz sichert. So sehen manche Studierende keinen anderen Ausweg mehr, als sich im Freundes- und Bekanntenkreis Geld auszuborgen.
Noch belasteter seien Studierende des Studiengangs Pflege. Sie müssen ein mehrmonatiges Praktikum im fünften Semester vorweisen und das Gros ihrer ECTS, das sind die Punkte, die man für abgeschlossene Lehrveranstaltungen erhält, beziehen sich auf Praktika. „In Pflegeeinrichtungen wird dann oft verlangt, dass man auch am Wochenende für einen Dienst eingeteilt werden kann. Das macht es unmöglich, den Teilzeitjob, den man zuvor vielleicht am Samstag und/oder Sonntag hatte, weiter zu machen. Wie aber soll jemand da sein Geld verdienen, wenn er oder sie Vollzeit unbezahlt arbeiten muss?“
„Wie aber soll jemand da sein Geld verdienen, wenn er oder sie Vollzeit unbezahlt arbeiten muss?“
Leokadia Grolmus, Studierende der Sozialen Arbeit
Gleichzeitig könnte die Existenz auch nicht anders gesichert werden. Vollzeitstudierenden stehe keine Mindestsicherung zu. Und selbst wenn vor dem mehrmonatigen Praktikum, eben zum Beispiel an Abenden und Wochenenden über die Geringfügigkeitsgrenze gearbeitet wurde, hätten die Betroffenen kein Anrecht auf Arbeitslosengeld, „da sie auf Grund ihrer unbezahlten Arbeit ja dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen“, erklärt Grolmus.
Sie hat nun eine Petition gestartet, die sich an die Verantwortlichen im Gesundheits- und Sozialbereich in den Ländern sowie an Gesundheitsminister Rudolf Anschober richtet. Die Kernforderung: Praktika im Rahmen von Studiengängen müssen bezahlt werden. Als weitere Beispiele neben den Ausbildungen in den Bereichen Soziale Arbeit und Pflege führt Grolmus auch die Studiengänge für angehende Physio- und ErgotherapeutInnen an.
Sie verbindet dabei ihre Forderung auch mit einer konkreten Summe: 950 Euro pro Monat sollte es während eines Vollzeit-Praktikums geben. Der Argumentation, Studierende würden hier vorrangig nicht arbeiten, sondern lernen, kann sie nichts abgewinnen. „Es wird oft so getan, als ob uns die Einrichtungen, in denen wir arbeiten, einen Gefallen tun. Das Praktikum sei ja Teil der Ausbildung. Die Mehrheit der Studierenden erzählt aber, dass sie fix in Teams eingebunden werden, dass sie nur kurz begleitet und angeleitet werden, dann aber selbstständig arbeiten, weil ihre Arbeitskraft in dem Betrieb von Nöten ist.“
„Die Geschäftsführungen setzen die Ehrenamtlichen und PraktikantInnen auch als LohndrückerInnen ein“.
Axel Magnus, Sozialwissenschafter
Der Sozialwissenschafter Axel Magnus sieht das ähnlich. Er ist Betriebsratsvorsitzender der Sucht- und Drogenkoordination Wien und weiß, dass sein Arbeitgeber einer der wenigen in der Branche ist, der PraktikantInnen bezahlt. „Aber in weiten Teilen der Branche ist es völlig üblich, dass hier einfach Arbeitskraft ausgebeutet wird.“ Das betreffe übrigens nicht nur Studierende der von Grolmus genannten FH-Studiengänge. Jene jungen Menschen, die zum Klinischen und Gesundheitspsychologen ausgebildet werden, müssten gar ein Jahr ohne finanzielle Abgeltung arbeiten. 1.800 Stunden an Praktika seien hier vorgeschrieben. „Ich fordere daher, dass alle nicht korrekt bezahlten Praktika in der Arbeitswelt erhoben und künftig alle PraktikantInnen entlohnt werden.“
Als Richtwert für die Bezahlung von PraktikantInnen schlägt Magnus vor, den Kollektivvertrag der jeweiligen Branche und Verwendungsgruppe heranzuziehen. Entsprechend sollten sie dann jeweils nach Stufe eins, also ohne Berücksichtigung von Vordienstzeiten, bezahlt werden. Damit wären die Betroffenen auch nicht mehr, wie derzeit, nur kranken- und unfallversichert. Sie würden auch Beiträge in die Pensionsversicherung einzahlen. Und natürlich würden sich dann auch die von Grolmus geschilderten existenziellen Sorgen nicht mehr stellen.
Magnus sieht aber auch das große Ganze. Gerade im Pflege- und Sozialbereich sei bis vor ein paar Jahrzehnten vieles in der Familie oder ehrenamtlich, dabei mehrheitlich durch Frauen, abgefedert worden. Inzwischen habe eine Professionalisierung eingesetzt. „Aber es gibt immer noch einen wesentlichen Anteil von Zivildienern, Ehrenamtlichen und PraktikantInnen. Und je höher ihr Anteil ist, desto niedriger sind die Gehälter. Die Geschäftsführungen setzen die Ehrenamtlichen und PraktikantInnen auch als LohndrückerInnen ein.“ Magnus appelliert hier aber auch an die Betriebsräte. Sie sollten sich mehr als bisher um die Interessen von PraktikantInnen kümmern, weil sich dadurch eben die Gehalts- und Arbeitssituation für alle Arbeitskräfte in einem Betrieb verbessern würde. „PraktikantInnen dürfen einfach nicht mehr als LohndrückerInnen verwendet werden.“
Du findest, dass PraktikantInnen, im Gesundheits- und Sozialbereich eine Bezahlung verdient haben, von der sie leben können? Dann unterstütze diese Petition.