AlltagsheldInnen in der Warteschleife

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Die Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich haben viel für unsere Gesellschaft geleistet – doch schönen Worten sollten nun endlich Taten folgen.

Spürbare Anerkennung und Entlastung fehlen. Die Situation war schon vor dem Beginn Pandemie nicht einfach, doch seither sind Arbeit und Leben noch schwieriger geworden.

Wenn das Herz zu groß ist

„Das Pflichtgefühl lässt viele von uns über die Grenzen gehen. Es gibt eine Bereitschaft zur Selbstaufopferung bis hin zur Selbstaufgabe“, berichtet Valid Hanuna, Betriebsratsvorsitzender der AVS Kärnten (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe). Die AVS bietet eine breite Palette an sozialen Dienstleistungen an: das reicht von mobilen Pflegediensten und Tagesmüttern bis zur psychologisch/psychotherapeutischen Hilfe.

„Alle, die im Gesundheits- und Sozialbereich tätig sind, haben ein großes Herz, sie denken an all die anderen, bevor sie auf sich selbst schauen“, ist sich der AVS-Betriebsratsvorsitzende gewiss. Allerdings haben sich die Arbeitsbedingungen drastisch verschärft. Aus Sicherheitsgründen sind etliche Aktivitäten für KlientInnen eingeschränkt, häufig gibt es kurzfristige Änderungen in den Arbeitsabläufen – damit muss u.a. in einem knappen Zeitrahmen äußerst viel abgearbeitet werden. Valid Hanuna: „Eigentlich ist kein Stein auf dem anderen geblieben“. Die BetreuerInnen leiden besonders unter der FFP2/FFP3-Maske oder der Schutzausrüstung, die den ganzen Tag über getragen werden muss. Die sozialen Dienstleistungen sind wegen der notwendigen, aber strengen Hygienemaßnahmen wesentlich komplizierter durchzuführen. Etwa, wenn es darum geht, in betreuten Wohngemeinschaften einen Quarantäne-Raum zu schaffen und trotzdem alle BewohnerInnen gleichbleibend gut zu versorgen. Oder wenn die KlientInnen Kinder sind: „Für die Betreuung von Kindern kann auch eine gewisse Körpernähe wichtig sein“, erklärt Hanuna. „Das Gesicht sehen zu können, wirkt beruhigend – eine MNS-Maske nicht.“

Kränkelnder Gesundheitsbereich vor dem Kollaps

Auch die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende im Wiener Hanusch-Krankenhaus, Ilse Kalb, spürt die Verschärfungen, die das Corona-Virus und seine Mutanten mit sich bringen. „Der Gesundheitsbereich war schon vor COVID-19 sehr gefordert und ausgepowert – die Pandemie hat die Situation empfindlich zugespitzt“, weiß Kalb. „Einige Beschäftigte sind deshalb bereits vergangenes Jahr ausgestiegen.“

» Das Pflichtgefühl lässt viele von uns über die Grenzen gehen. Es gibt eine Bereitschaft zur Selbstaufopferung bis hin zur Selbstaufgabe.«

Valid Hanuna

Mut und Kraft standen am Anfang: aus verschiedensten Abteilungen meldeten sich MitarbeiterInnen für die Betreuung der Corona-PatientInnen. Und in kürzesten Abständen entwickelte sich alles anders als gedacht, ein fast tagtägliches Neueinstellen auf die aktuellen Gegebenheiten war die Folge. Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Kalb: „Am Anfang mussten die Schutzmaßnahmen noch entwickelt werden, dabei wurden auch KollegInnen infiziert oder mussten als K1-Personen in Quarantäne“. Das übrige Personal musste den Arbeitsausfall ausgleichen, massenhaft Überstunden leisten. Auch der Austausch zwischen der erweiterten KollegInnenschaft fehlt mittlerweile extrem: „Teamsitzungen in der klassischen Form gibt es nicht mehr“, bestätigt Ilse Kalb eine Lücke in der Kommunikation. Selbst beim Mittagessen dürfen die ArbeitnehmerInnen nicht länger zu viert an den Tischen sitzen. Viele MitarbeiterInnen sehen daher nur ihre eigene Situation und wissen gar nicht, ob es den anderen Abteilungen ähnlich ergeht. Was auch zu der Frage führt: „Arbeiten die anderen auch so viel oder geht es nur uns so schlecht?“

Mehr Freizeit und mehr Geld

Dass sich endlich etwas ändern muss, darüber sind sich beide BetriebsrätInnen einig. Der Beruf muss attraktiver werden, damit mehr Leute in die Sozialwirtschaft wechseln. Seit Jahren schon herrscht Personalmangel, junge Leute haben kaum Interesse an Berufen, die Stress in Kombination mit niedrigen Löhnen bedeuten. Bloß 17 Prozent der Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren können sich überhaupt vorstellen, einen Pflegeberuf auszuüben, das hat eine Umfrage der AK Niederösterreich ergeben.

„Es ist wichtig, dass die Leute mehr Freizeit haben und trotzdem ausreichend Personal zur Verfügung steht – nur das ermöglicht Planungssicherheit“

Ilse Kalb

Eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung. „Es ist wichtig, dass die Leute mehr Freizeit haben und trotzdem ausreichend Personal zur Verfügung steht – nur das ermöglicht Planungssicherheit“, sagt Ilse Kalb. Regelmäßiges Einspringen und gestrichene Freizeit gehören jedenfalls nicht zu den Erholungsfaktoren. Zwar gab es gehörig Applaus und musikalische Häppchen für den Einsatz, doch fehlt die adäquate Entlohnung. Das gilt auch ganz besonders für die PraktikantInnen: „Das sind unsere KollegInnen der Zukunft. So viel wir in sie investieren, bekommen wir auch zurück“, ist sich Valid Hanuna gewiss.
Um der Sozialwirtschaft gerecht zu werden, muss der Finanzminister Geld in die Hand nehmen, der Staat ein Konzept erstellen und angemessene Rahmenbedingungen schaffen. „Den Worten sollen endlich einmal Taten folgen – vom Begriff ‚HeldInnen des Alltags‘ haben wir nichts“, erklären Ilse Kalb und Hanuna.

Worte Reichen nicht!

Ganz Österreich weiß, welch enorme Leistungen im Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich erbracht werden. „Allerdings muss jetzt Finanzminister Blümel Geld in die Hand nehmen“, macht GPA-Wirtschaftsbereichssekretärin Eva Scherz deutlich. Die GPA hat die dringendsten Forderungen unter www.worte-reichen-nicht.at zusammengefasst – wer will, kann dort seine Anliegen direkt an den Finanzminister schicken.

Forderungen der GPA

  • Ein monatlicher steuerfreier Bonus von 150 Euro für Beschäftigte im privaten Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich als Anerkennung für zusätzliche Schwerstarbeit.
  • Generell wird natürlich auch eine bessere Bezahlung gefordert.
  • Ein zusätzlicher freier Tag pro Monat für alle. Dieser Erholungstag soll gemeinsam mit der Wochenendruhe konsumiert werden.
  • Die GPA-Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bleibt aufrecht.
  • Helfende Hände fehlen! Die GPA setzt sich für die Schaffung von 20.000 Arbeitsplätzen im Support-Bereich ein: Jobs werden vom Träger bereitgestellt, von der öffentlichen Hand finanziert. Das qualifizierte Personal soll um 20 Prozent aufgestockt werden.
  • Ohne PraktikantInnen gibt es in Betrieben keine reibungslosen Abläufe. Eine faire Bezahlung von zumindest 950 Euro soll endlich Gerechtigkeit schaffen.

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