Arbeitsrecht: Wieder einsteigen nach der Karenz

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Obwohl fast alle Frauen nach der Geburt eines Kindes wieder ins Arbeitsleben zurückkehren, läuft meist nicht alles reibungslos. Welche Stolpersteine gibt es, wo helfen Gewerkschaft und Betriebsrat?

„Neun von zehn Frauen sind sich über die finanziellen Auswirkungen einer langen Teilzeit beziehungsweise Karenz nicht im Klaren oder wollen dies nicht wahrhaben“, erzählt Monika Fließer, Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe Graz. „Teilweise gibt es wenig Verständnis der Vollzeit arbeitenden Kolleginnen“, sagt Bettina Zweiler, Betriebsratsvorsitzende der Pensionsversicherungsanstalt (PV). „Im Filialbetrieb sorgen immer wieder die Vereinbarkeit und Planbarkeit der Arbeitszeiten für Probleme“, berichtet Maria Gluchman, stellvertretende Vorsitzende des Billa-Betriebsrats.

Dass Frauen Kinder bekommen und dann wieder in den Job zurückkehren, ist heute die Regel und nicht die Ausnahme. Dennoch funktioniert die Rückkehr in vielen Unternehmen alles andere als reibungslos. Bewusstsein gilt es hier aber nicht nur bei den Arbeitgebern zu schaffen – sondern auch bei den Frauen selbst, ist GPA-djp-Frauensekretärin Barbara Marx überzeugt.

Kündigung trotz Karenz?

Nicht selten passiert es beispielsweise, dass Frauen eine Kündigung ins Haus flattert, obwohl sie sich eigentlich noch in Karenz wähnen. „Oft wird die gesetzliche Karenz mit dem Kinderbetreuungsgeld verwechselt“, erzählt Marx. Die Karenz bietet die Möglichkeit, ein Dienstverhältnis ruhend zu stellen – bis zum zweiten Geburtstag des Kindes. Das Kindergeld kann in der Maximalvariante aber 36 Monate lang bezogen werden. Was dann oft geschieht: „Frauen vergessen zurückzukommen. Der Arbeitgeber erwartet sie am zweiten Geburtstag des Kindes zurück. Wenn ich dann nicht erscheine, ist das unentschuldigtes Fernbleiben. Dann bekommen Frauen per Post die Kündigung und wissen nicht, was passiert ist.“

In Betrieben, die über ein Rückkehrmanagement verfügen, kann so etwas nicht passieren. GPA-Bundesfrauenvorsitzende Ilse Fetik ist auch Betriebsrätin in der Erste Bank. Hier wird mit den karenzierten Mitarbeiterinnen Kontakt gehalten, es gibt ein Gespräch vor der Rückkehr in den Job, bei Wiederantreten dann ein Wiedereinstiegsseminar. „Das funktioniert alles sehr gut“, berichtet Fetik.

Kind und Job vereinbaren

Die Tücken liegen freilich im Detail. Wie man etwa einer Frau begegnet, deren Kind jede zweite Woche krank ist, hängt von der zuständigen Führungskraft und dem unmittelbaren Team ab. „Da gibt es Führungskräfte, die sind verständnisvoll und andere, die machen Troubles.“ Auch die Urlaubseinteilung schafft immer wieder Anlass für Streit.

Sieht man sich die verschiedenen Branchen an, läuft es bei der Rückkehr nach der Babykarenz höchst unterschiedlich. „Frauen in der Forschung gelingt es, die Situation gut zu gestalten“, so Fetik. „Auf der anderen Seite haben wir den Sozialbereich und den Handel. Da ist die praktische Arbeitssituation oft so, dass Vereinbarkeit schwierig ist.“ Das entspricht auch den Berichten der Betriebsrätinnen vor Ort.

Kinderbetreuung

So erzählt Fließer aus dem Behindertenbereich in der Steiermark: „Die meisten meiner Kolleginnen wollen am Vormittag arbeiten, da sie in dieser Zeit am ehesten einen Kindergarten- bzw. Krippenplatz bekommen. Ganztagskindergartenplätze im ländlichen Bereich sind Mangelware. Die Bürgermeister sagen ganz offiziell: Frauen bleibt zu Hause!“ Hier ist etwas anderes als Teilzeitarbeit für junge Mütter oft gar nicht möglich. Gluchman  wünscht sich „Arbeitszeitmodelle in den Filialen, welche es einerseits den Müttern ermöglichen, Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut zu bekommen und andererseits den Mitarbeitern nicht das Gefühl geben, wegen der Mütter schlechtere Dienste zu haben“.

Diese Probleme gibt es in der Pensionsversicherungsanstalt nicht. Hier empfinden aber manche Frauen, nach der Rückkehr „bei null anzufangen“, so Zweiler. Sie hätte gerne ein noch herzlicheres Willkommen, wenn die Frau an ihren Arbeitsplatz zurückkommt. Die Betreuung der Rückkehrerinnen funktioniere aber grundsätzlich gut.

Rückkehrmanagement

Das ist nicht überall so. „Die Frauen kommen zurück und es ist kein Schreibtisch frei, kein Computer steht zur Verfügung. Durch Vertretungen und Änderungen in den Strukturen steht auch oft der frühere Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung. Dann muss nach einer anderen Beschäftigung im Betrieb gesucht werden“, so Marx. Sie wünscht sich ein Wiedereinstiegsmanagement für alle Unternehmen. „Das ist ja kein exotischer Sonderfall, sondern gang und gäbe, dass Frauen Kinder bekommen. Insofern ist es erstaunlich, wie dilletantisch das alles teilweise immer noch gehandhabt wird.“

Womit Frauen noch konfrontiert sind: Dequalifizierung nach der  Rückkehr. Wenn sie sich dann in Jobs wiederfinden, für die sie überqualifiziert sind, „erleben sie das in der ersten Zeit gar nicht als Problem“, weiß Marx. „Nur irgendwann ist man frustriert und kommt da nicht mehr heraus. Das führt zu einem Bore-Out. Gerade Frauen, die zuvor Jahre lang aufgebaut wurden, kommen zurück und haben plötzlich den Job ihrer Assistentin wieder.“ Auch Mobbying steht teilweise auf der Tagesordnung.

Forderungen

Um die Situation für Karenzrückkehrerinnen zu verbessern, gilt es auf mehreren Ebenen anzusetzen. „Wichtig ist es einerseits dem Dienstgeber zu signalisieren: die Zeiten, wo sich Frauen nach der Geburt eines Kindes vom Arbeitsmarkt verabschiedet haben, sind vorbei. Man muss die Rückkehr zu einem ganz normalen Teil des Arbeitslebens machen“, so Marx. Je besser qualifiziert Frauen sind, desto größer auch die Mithilfe des Unternehmens, ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. „Jetzt ist die Aufgabe, das in die Breite zu kriegen. Es muss sich langsam durchsetzen, dass es mehr Sinn macht, die Qualifizierung zu erhalten als permanent neue Mitarbeiterinnen zu schulen.“ Frauen will Marx sagen: „Hört auf dankbar zu sein, dass ihr als Mütter in euren Job zurückkehren dürft. Ihr habt ein Recht auf einen Arbeitsplatz.“

Aus Sicht Fetiks muss man aber auch die gesetzliche und kollektivvertragliche Situation verbessern. Die Möglichkeit, in Elternteilzeit zu gehen, ist gesetzlich derzeit etwa nur für Mitarbeiterinnen vorgesehen, die in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern beschäftigt sind. „Das nimmt vielen schon vorneherein die Chance, dieses Modell in Anspruch zu nehmen.“ Auch die Anrechnung der Karenzzeit sei noch nicht optimal gelöst.

Aktionswoche

In einer bundesweiten Aktionswoche informiert die GPA-djp von 15. bis 19. April über Rechte und Pflichten bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach der Karenz. Mehr dazu auf www.gpa-djp.at

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