Den oft millionenschweren Online-Plattformen bläst scharfer Gegenwind von den eigenen Beschäftigten und vom „analogen“ Gewerbe entgegen.
Derzeit werden unzählige Dienstleistungen von sogenannten „PlattformarbeiterInnen“ angeboten; sie transportieren Personen, stellen Lebensmittel zu, putzen Wohnungen, designen Logos, übersetzen Betriebsanleitungen, fotografieren Geschäftslokale und vieles mehr – und das alles wird über Online-Plattformen abgewickelt. PlattformarbeiterInnen bieten ihre Dienste nicht in klassischer Weise an. Der Kontakt zwischen Kunde/-in und Arbeiter/-in wird über eine Online-Plattform hergestellt. Dafür kassieren die Plattformen in der Regel hohe Provisionen – die Arbeitenden hingegen erhalten in vielen Fällen sehr niedrige Löhne.
Die Arbeitenden rufen den Streik aus
Die Arbeitsbedingungen der PlattformarbeiterInnen hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu Protesten geführt. Das ist keineswegs selbstverständlich. Nicht nur, weil das Arbeiten über Online-Plattformen eine sehr junge Form der Leistungserbringung darstellt und daher kaum gewerkschaftliche Organisationsstrukturen zur Unterstützung von Protesten und Kampfmaßnahmen existieren, sondern auch, weil die einzelnen Arbeitenden in vielen Fällen räumlich voneinander getrennt sind und jedeR für sich arbeitet.
Schon im Sommer 2016 streikten in London die FahrradkurierInnen des Zustelldienstes Deliveroo, die von der Plattform als Selbstständige eingestuft werden. Bis Sommer 2016 betrug der Stundenlohn der Deliveroo-Kuriere und Kurierinnen 7 £. Zusätzlich wurde eine Art Prämie von 1 £ pro erfolgter Lieferung ausgezahlt. Nach dem Willen der Plattform sollte der einheitliche Mindestlohn durch eine erhöhte Prämie von 3,75 £ ersetzt werden. Die Einstufung der Fahrrad-Kuriere und -Kurierinnen als Selbstständige und somit auch das Vorenthalten des stündlichen Mindestlohnes ist rechtlich äußerst fragwürdig. Die Kuriere und Kurierinnen konnten durch ihre beharrliche Streiks erreichen, dass sie nun selbst wählen können, nach welchem System sie entlohnt werden wollen.
Bei Deliveroos größter Konkurrenz, dem deutschen Online-Anbieter Foodora, gab es ebenfalls Kampfmaßnahmen der Fahrrad-Boten und Botinnen. Sie forderten in der italienischen Stadt Turin bessere Arbeitsbedingungen sowie Kostenersatz für die Abnutzung der im Job verwendeten privaten Fahrräder und der Kosten für die Handy-Internettarife. Wie die Deliveroo-KurierInnen in London sollten auch die Foodora-KurierInnen in Turin von einer Bezahlung per Stundenlohn auf eine leistungsbezogene Entlohnung umgestellt werden, die unmittelbar mit der Anzahl der erledigten Aufträge zusammenhing. Anders als in London wurden in Turin jedoch die meisten Forderungen der KurierInnen nicht erfüllt.
Auch das „analoge“ Gewerbe leistet Widerstand
Mit Gegenwind der anderen Art ist Uber konfrontiert. Uber ist das wertvollste Plattformunternehmen weltweit und ein Anbieter von Personenbeförderung. So protestierten Anfang 2017 unzählige Taxilenker/-innen in Rom, Mailand, Neapel, Genua und Turin gegen gesetzliche Bestimmungen, die es Uber-Lenkern/-innen erlauben sollten, ihre Fahrtlizenzen in kleineren Städten billig zu erwerben und anschließend in den großen Städten mit hoher Taxidichte zu verwenden. Darin wurde eine Benachteiligung von Taxi-Lenkern/-innen gegenüber Uber-Fahrern und Fahrerinnen gesehen. Als Reaktion auf die Proteste wurde die Gesetzesinitiative schließlich von der italienischen Regierung verschoben.
Wie geht es weiter?
Plattformökonomie dringt in immer weitere Teile von Gesellschaft und Arbeitsleben vor. Somit sind wohl auch künftig Konflikte um die Rechte von Beschäftigten vorprogrammiert. Dass in vielen Bereichen der Plattformökonomie extrem niedrige Löhne gezahlt werden und schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, lässt sich nicht von der Hand weisen. Zugleich zeigen die bisherigen Proteste, dass es sich bei den PlattformarbeiterInnen um eine besonders schutzwürdige und dennoch – bislang zumindest – gewerkschaftlich kaum vertretene Gruppe von Beschäftigten handelt.
Wer seine Erfahrungen als Plattform-ArbeiterIn oder als BetriebsrätIn mit Digitalisierung in einem Projekt des Europäischen Gewerkschaftsbundes einbringen möchte, hat in einer online-Umfrage die Gelegenheit dazu. Auch Vertreter und -Vertreterinnen der Gewerkschaft sind herzlich dazu eingeladen.
Ein Angebot zur Vernetzung zwischen Plattformarbeitenden und Gewerkschaft bietet die internationale Plattform faircrowdwork.
Der Beitrag ist erstmals auf dem Blog http://arbeitundtechnik.gpa-djp.at/ erschienen.