Balance bei der Besteuerung

Caritas-Präsident Küberl fordert eine Balance zwischen der Besteuerung von Arbeit und Vermögensverträgen. (Foto: Nurith Wagner-Strauss)
Caritas-Präsident Küberl fordert eine Balance zwischen der Besteuerung von Arbeit und Vermögensverträgen. (Foto: Nurith Wagner-Strauss)

Caritas-Präsident Franz Küberl sieht im Gespräch mit der KOMPETENZ viele Menschen in einer Menge handfester Nöte stecken. Vielen Leuten falle es schwer, um Mindestsicherung anzusuchen. Sorge bereitet ihm auch das Thema Pflege.

KOMPETENZ: Die Anzahl der Bezieher der Mindestsicherung ist gestiegen, vor allem in Wien. Gibt es hier ein neues Armutsproblem?
Küberl: Natürlich ist die bedarfsorientierte Mindestsicherung Spiegelbild der Gesellschaft – sie spiegelt wider, dass es eine ganze Menge von handfesten Nöten gibt, in denen Menschen stecken können. Etwa 20 Prozent der Menschen, die Mindestsicherung beziehen, müssen damit einige Monate oder auch länger überbrücken. Rund 80 Prozent der Bezieher erhalten Zuzahlungen zu dem, was sie an zu geringem Verdienst haben oder an zu geringen Leistungen aus der Arbeitslosenhilfe.

Das ist mir schon wichtig festzuhalten, dass der überwiegende Teil von Mindestsicherungsbeziehern arbeitet oder dringend auf Arbeit wartet. Wir wissen übrigens, dass die beste Form von Mindestsicherung die ist, eine Arbeit zu haben. Ich will aber auch betonen, dass die Mindestsicherung gegenüber der früheren Sozialhilfe Verbesserungen gebracht hat. Es gibt nun einen Rechtsanspruch und die Menschen sind krankenversichert. In manchen Bundesländern wären allerdings noch bessere Anschlussverfahren nötig.

KOMPETENZ: Was funktioniert in den Bundesländern noch nicht ideal?
Küberl:
Ich glaube, dass man sich in den ländlichen Gebieten durchgehend überlegen muss: was ist die richtige Form, dass Menschen, welche die Mindestsicherung bräuchten, diese auch bekommen. Ich weiß von einem Bezirk in der Steiermark, in dem alle Menschen, die dafür in Frage kommen, auch angeschrieben wurden. Ich halte das für sehr fair. Das ist kein Geld- Nachschmeißen. Diese Leute haben jeden Euro nötig. Es gibt aber dann auch Gegenden, wo sich Menschen, die einen Anspruch auf Mindestsicherung haben, gar nicht zur Behörde trauen, weil man ins Gerede kommt. Das halte ich für überwindenswert.

KOMPETENZ: Die Kluft zwischen arm und reich schließt sich nicht. Zuletzt hat sich im Nationalratswahlkampf wieder eine Steuerdebatte entfacht. Auch eine Reichensteuer wurde diskutiert. Wie lautet hier Ihre Position?
Küberl:
Ich halte es für gescheit, dass man auch Respekt vor den Leuten hat, die gut oder sehr gut verdienen. In einem Solidarsystem braucht es auch Starke – ich rede immer von denen, die ihr Geld redlich verdienen. Ich halte nichts von Reichenbashing. Allerdings möchte ich darauf verweisen, dass das WIFO schon vor längerer Zeit darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir darauf achten müssen, dass die Besteuerung der Arbeit und die der Vermögenserträge in einer Balance sind.

KOMPETENZ: Es gibt Aufgaben in unserer Gesellschaft, die von vielen Menschen unbezahlt übernommen werden, wie etwa die Pflege von Angehörigen. Auch das kann zu Armut führen. Welche Probleme sieht die Caritas derzeit im Bereich der Pflege?
Küberl:
Ich kann mit dem Punkt beginnen, den Sie schon genannt haben. Wir gehen davon aus, dass rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt werden, meist von ihren Angehörigen. Als Unterstützung gibt es nun auch die 24-Stunden-Pflege. Wir bräuchten eine Lösung für die Kluft, die derzeit zwischen den vier Stunden an Hauskrankenpflege, die bezahlt werden, und der 24-Stunden-Pflege klafft. Wir werden schauen müssen, dass wir auf eine Pflege von bis zu acht Stunden am Tag kommen und so dafür sorgen, dass die Leute, die zu Hause bleiben wollen, das auch können.

Man muss zudem aufpassen, dass das Pflegegeld nicht zu einem Taschengeld verkommt. Das Pflegegeld ist seit seiner Einführung 1993 um 29 Prozent im Wert gesunken. Daher muss der Pflegefonds vernünftig ausgebaut werden. Das Risiko Pflege muss genauso abgesichert werden wie das Risiko, krank oder arbeitslos zu werden.

KOMPETENZ: Hinsichtlich der 24-Stunden-Betreuung gibt es aus gewerkschaftlicher Sicht massive Bedenken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen dieser Kräfte. Teilen Sie diese?
Küberl: In Wirklichkeit war das ja die Legalisierung von mehreren tausend halbillegalen oder illegalen Beschäftigungsverhältnissen. Dass das ewig so bleibt, würde ich nicht sagen. Eine Änderung würde aber auch einen finanziellen Mehrbedarf bedeuten. Da ist die schwierige Frage: wer bezahlt das? Ein wichtiger Schritt wäre nun sicherzustellen, dass es seitens der Anbieter eine vergleichbare Qualität gibt. Und: derzeit wissen wir, dass hier Menschen aus anderen Ländern tätig sind, für die unser Geld heute mehr wert ist als das in ihrer Heimat. Auch das wird sich einmal ändern.

KOMPETENZ: Eine Gruppe von Menschen, die zuletzt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist, sind Asylwerber. Die Caritas ist hier durch ihr Engagement für die Flüchtlinge, die derzeit im Servitenkloster betreut werden, ebenfalls im Schlaglicht der Medien. Was läuft schief beim Thema Asyl?
Küberl:
Was die Flüchtlinge, die zunächst in der Votivkirche Zuflucht gefunden haben, betrifft, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass hier etwas in Österreich unverständlicherweise zu großem Ärger geführt hat: dass sich Asylwerber selbst zu Wort gemeldet haben. Wir sind es gewohnt, dass sich Gewerkschaften zu Wort melden, Unternehmen, auch die Caritas, aber dass Asylwerber oder Obdachlose oder Arbeitslose für sich sprechen, sorgt für Unmut und darüber sollten wir nachdenken.

Flüchtlinge gibt es, weil es an vielen Ecken und Enden der Welt kracht. Wir müssen helfen und schauen, dass die Menschen, die flüchten, ein faires und qualitätvolles Verfahren erhalten. Man muss aber auch sehen: Asylwerber sind Menschen, die sich im Wartezimmer des Lebens befinden – Monate lang oder länger. Beschäftigung würde hier vieles erleichtern. Und da stocken wir.

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