Mit der Freizeitoption kann in einigen Branchen seit 2013 eine Gehaltserhöhung in freie Zeit gewandelt werden. Die Zufriedenheit ist groß.
Mehr freie Zeit haben und trotzdem vollbeschäftigt angestellt bleiben. Diese verlockende Möglichkeit gibt es seit vergangenem Jahr für die Beschäftigten in der Elektro- und Elektronikindustrie sowie in der Bergbau- und Stahlindustrie, und seit heuer erstmals auch für die Beschäftigten der Fahrzeugindustrie. Die sogenannte Freizeitoption eröffnet Angestellten dieser Branchen, die über dem Kollektivvertrag bezahlt werden, die Möglichkeit, die ausgehandelte Ist-Lohn- bzw. Gehaltserhöhung eines Jahres in Freizeit umzuwandeln.
Sinnvolle Option
Dort, wo die Voraussetzungen für die Freizeitoption gegeben sind, kann der zusätzliche Freizeitanspruch zur Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit verwendet, stundenweise variabel, in ganzen Tagen oder ganzwöchig verbraucht oder für eine längere Freizeitphase über mehrere Jahre angespart werden. Eva Scherz, Kollektivvertragsverhandlerin in der GPA-djp, ist mit der neuen Regelung sehr zufrieden, „weil die Beschäftigten damit sehr zufrieden sind“: „Die Freizeitoption ist eine gesundheits- und arbeitsmarktpolitisch sehr sinnvolle Maßnahme, sie hat sich bewährt“. Eine Gehaltserhöhung in arbeitsfreie Zeit umzuwandeln ist ein Trend, die Beschäftigten nehmen diese Möglichkeit sehr gerne an. Langfristig wünscht sich Scherz, dass die Regelung in mehr Branchen umgesetzt wird, wo es IST-Lohnabschlüsse und Kollektivvertrags-Überzahlungen gibt.
Die zusätzliche Freizeit gebührt als Abgeltung der IST-Erhöhung eines bestimmten Jahres auch in den Folgejahren weiter. Daher kann eine Angestellte auch nur in einem Jahr „umwandeln“. Das Ausmaß der zusätzlichen Freizeit hängt von der Höhe des jeweiligen IST-Abschlusses ab und kann daher von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen.
Zehn Tage mehr Freizeit
Peter Schaludek, Vorsitzender des Angestellten-Betriebsrates der Firma Gebauer & Griller, eines Betriebes in der Elektroindustrie, hat den Abschluss der Freizeitoption bereits zwei Mal erlebt. Im ersten Jahr haben 40 der insgesamt 240 Angestellten am Unternehmensstandort von der Möglichkeit zusätzlicher freier Zeit Gebrauch gemacht. „Vielen MitarbeiterInnen hat das Mehr an Freizeit ganz konkrete Vorteile und Erleichterungen gebracht“, erzählt Schaludek. Ein Jungvater kann nun an Freitagen seine kleine Tochter immer schon eine halbe Stunde früher abholen, was dem Familienmenschen eine riesige Freude bereitet. Eine andere Kollegin spart sich die Freizeit bereits jetzt für den geplanten Hausbau in einigen Jahren auf. Bei der IST-Erhöhung von drei Prozent im Jahr 2013 haben die Angestellten mit Freizeitoption nun – abhängig von der jeweiligen Urlaubsverrechnung in der Firma – bis zu 10 Tage mehr Freizeit pro Jahr zur Verfügung. Die freie Zeit wird auf einem eigenen Freizeitkonto gespeichert und bei Konsumation wie Zeitausgleich abgebucht.
Reges Interesse
Auch Reinhard Schwarz, stellvertretender Vorsitzender des Angestellten-Betriebsrates der Siemens AG in Wien 21, sieht die Freizeitoption als erfolgreiche Maßnahme. In seinem Betrieb ist die Option zur Umwandlung einer Gehaltserhöhung in mehr freie Zeit gleich von Beginn an auf reges Interesse gestoßen: Im ersten Jahr der Vereinbarung haben 800 Angestellte am Standort die Option angenommen. Im zweiten Jahr waren es dann rund 200. Die Inanspruchnahme zog sich quer durch alle Altersstrukturen, Geschlechter und Hierarchien. „Jede ArbeitnehmerIn hat unterschiedliche Beweggründe für die Freizeitoption. Manche wollen einmal im Monat einen zusätzlichen freien Tag genießen. Andere gehen bewusst an bestimmten Wochentagen früher aus der Arbeit um sportliche oder kulturelle Dinge zu tun“, erzählt Schwarz. „Wirklich toll finden unsere KollegInnen, dass die Umwandlung von Geld in Freizeit nachhaltig ist, weil die zusätzliche freie Zeit – wie eine Lohnerhöhung – auch in den kommenden Jahren anfällt.“
Rechtsanspruch wäre toll
Herbert Kepplinger, Betriebsratsvorsitzender der voestalpine Stahl GmbH am Standort Linz, bedauert, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Freizeitoption gibt, sondern diese im Unternehmen in Einzelvereinbarungen umgesetzt werden muss. „Obwohl der Arbeitgeber bei uns die Regelung grundsätzlich unterstützt hat, ist eine konkrete Umsetzung vor Ort oftmals an den Führungskräften gescheitert“, berichtet Kepplinger. Nicht immer war ein klares „ja“ des Vorgesetzten zu bekommen, oftmals wurde gebremst. Gerüchte, dass bei Inanspruchnahme der Freizeitoption nie wieder Überstunden gemacht werden dürften, machten die Runde. So mancher Angestellte befand sich plötzlich in der unangenehmen Rolle eines Bittstellers. „In Produktionsbereichen, wo bereits jetzt ein hoher Arbeitsdruck herrscht, ist es schwierig eine gesonderte Zustimmung für zusätzliche Freizeit zu bekommen, wenn darauf kein rechtlicher Anspruch besteht“, erklärt Kepplinger. Trotzdem haben im vergangenen Jahr rund 16 Prozent der 2.333 Angestellten der voestalpine Stahl GmbH die Freizeitoption in Anspruch genommen.
Die Regelung ist ohne Zweifel ein Gewinn für die Angestellten. Das registriert auch der bei XIMES und an der TU-Wien tätige Arbeitszeitforscher Johannes Gärtner. Er bewertet die Freizeitoption „als innovativ und sehr positiv, da sie Menschen zu Entscheidungen über die für sie gute Gestaltung ihrer Arbeitszeit einlädt.“
Voraussetzungen
Um die IST-Erhöhung in Freizeit umwandeln zu können
1. muss die Freizeitoption als Möglichkeit im jeweiligen Kollektivvertrag verankert sein.
2. muss auf Betriebsebene zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden.
3. muss es eine Einzelvereinbarung zwischen Angestelltem/r und Arbeitgeber geben, in der ausgemacht wird, wann und wie die zusätzliche freie Zeit konsumiert bzw. angespart wird.
4. es besteht derzeit kein Rechtsanspruch auf die Umwandlung der IST-Erhöhung in Freizeit, sie kann aber auch nicht vom Vorgesetzten angeordnet werden. Die Freizeitoption kann nur im Einvernehmen zwischen ArbeitnehmerIn und Arbeitgeber abgeschlossen werden.
5. auch Teilzeitbeschäftigte können die Regelung in Anspruch nehmen.