Angestellte TierärztInnen sind vom Wohlwollen ihrer ArbeitgeberInnen abhängig. Eine Gruppe junger TierärztInnen kämpft um bessere Arbeitsbedingungen und einen Kollektivvertrag.
Es gibt nicht viele Branchen in Österreich, in denen es keinen Kollektivvertrag gibt. Der Bereich Tiermedizin ist jedoch ein solcher: Wer als Angestellte/r bei einem Veterinär arbeitet, dessen Arbeitsalltag wird einzig und allein durch seinen Arbeitgeber, seine Arbeitgeberin bestimmt. Seit 2012 gibt es zwar einen Mindestlohntarif, der inzwischen auch von der Tierärztekammer als Empfehlung an ihre Mitglieder weitergegeben wird. Doch dieser ist niedrig. Wer zu arbeiten beginnt, erhält für 40 Wochenstunden 1.900 Euro brutto, ab dem siebenten Monat gibt es 2.050 Euro brutto, ab dem dritten Jahr dann 2.300 Euro.
Was aber wäre ein adäquates Gehalt? Und wo hakt es sonst noch? 2011 formierte sich die Plattform „Junge Tierärzte“. „Hier versammelten sich junge Tierärzte und Tierärztinnen, die mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden waren“, erzählt Sabine Eigelsreiter. Sie selbst hat viele Jahre in einer Rinderpraxis am Land, später in einer Kleintierpraxis in Wien gearbeitet. Derzeit ist sie in Karenz – sie erwartet in Kürze ihr zweites Kind. Auch ihre Plattform-Kolleginnen Karoline Paschos, sie ist angestellte Tierärztin in einer Kleintierpraxis in Wien, und Bettina Hartl, die an der Veterinärmedizinischen Universität beschäftigt ist, sind junge Mütter.
Mehr Frauen als Männer
Insgesamt wird der Berufsstand immer weiblicher – 80 Prozent der Studierenden sind heute Frauen. Noch sind, vor allem am Land, viele Tierärzte Männer – doch in einigen Jahren wird sich das Geschlechterverhältnis rasch drehen. Rund 1.000 TierärztInnen sind heute über 50 Jahre alt und werden in den nächsten 15 Jahren in Pension gehen, der Großteil von ihnen ist männlich.
Arbeiten nach Bedarf
Österreichweit gibt es heute rund 3.100 aktive Tierärzte und Tierärztinnen. Mehr als 2.150 von ihnen arbeiten selbstständig. 200 sind an der Veterinärmedizinischen Universität Wien angestellt, damit fallen sie unter einen Kollektivvertrag. Jene rund 700 aber, die entweder in einer Ordination oder einer Klinik angestellt sind, für die gilt lediglich das Arbeitszeitgesetz – und der empfohlene Mindestlohn. Die drei Tierärztinnen wissen aber aus der Praxis: Oft ist das Arbeitszeitgesetz leider nur Makulatur. „In vielen Praxen, vor allem Großtierpraxen, richtet sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall. Der Chef erwartet, dass du in der Früh kommst und so lange bleibst, solange Arbeit da ist. Dann kannst du vielleicht um fünf nach Hause gehen oder um sieben oder um elf am Abend“, so Eigelsreiter.
In Kleintierpraxen gebe es wiederum oft ein anderes Problem, nämlich, dass der oder die Angestellte aufgrund kurzer täglicher Öffnungszeiten auf wenige Stunden komme, gleichzeitig aber keinen zweiten Job annehmen könne, da sich hier Arbeitszeiten wiederum überschneiden würden, sagt Paschos. „Und wenn der Chef auf Urlaub ist, muss man zwei Wochen durcharbeiten“, so Hartl. Paschos ergänzt: „Ziel von Tierärzten mit Einzelpraxen ist, sich so eine Vertretung anzustellen, damit sie jederzeit auf Urlaub gehen können. Das spießt sich dann aber mit dem Arbeitszeitgesetz.“ Nochmals anders ist die Situation in Kliniken, erklärt Hartl. „Da gibt es Nacht- und Wochenenddienste, für die man aber keinen Zeitausgleich bekommt.“ Fazit von Paschos: „Entweder du hackelst zu viel, oder du musst schauen, dass du deine Stunden zusammenbringst.“
Die Plattform „Junge Tierärzte“ ist inzwischen nicht nur außerhalb der Tierärztekammer aktiv, sondern auch innerhalb. Mit dem Tierärztekammergesetz von 2012 kam auch eine Vertretung angestellter TierärztInnen in der Kammer. Die größere Mitgliedergruppe sind aber weiterhin die selbstständigen Veterinäre. Und sie sperren sich noch mehrheitlich gegen einen Kollektivvertrag für angestellte MitarbeiterInnen.
Adäquates Einstiegsgehalt
Deren Forderungen lesen sich allerdings alles andere als überzogen: Ein Kollektivvertrag soll einerseits ein für AkademikerInnen adäquates Einstiegsgehalt bringen. Eigelsreiter nennt hier 2.400 Euro brutto für 38 Wochenstunden. Andererseits wünschen sich die drei Tierärztinnen klare Arbeitszeitregelungen. „Wir sind durchaus flexibel und arbeiten auch gerne abends, in der Nacht oder am Wochenende. Aber wir wollen das dann auch abgegolten bekommen – finanziell und mit Zeitausgleich“, sagt Paschos. Sie pocht zudem auf bessere Planung. Wie auch in anderen Branchen üblich, sollen ArbeitnehmerInnen Dienstpläne zwei Wochen im Voraus bekommen. Das sei derzeit nicht Standard.
Freizeit planen können
Dadurch würde Freizeit besser planbar – aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert. Grundsätzlich hätten es aber alle Frauen in diesem Beruf nicht besonders leicht, Kinder und Job unter einen Hut zu bekommen, weder die selbstständigen noch die angestellten. „Die selbstständigen Tierärztinnen können die Kinder allerdings in ihre Praxis bei Bedarf mitnehmen“, gibt Hartl zu bedenken. „Wenn ich angestellt bin, ist es dagegen nicht erwünscht, dass ich meine Kinder mitbringe“, so Eigelsreiter.
Positive Ausnahmen
Es gebe allerdings durchaus TierärztInnen, die ihre MitarbeiterInnen schon jetzt über dem empfohlenen Mindestlohn bezahlen, und wo es gute Arbeitszeitregelungen gibt, betonen die Plattform-Vertreterinnen. Beim Gros sei es aber eben anders. Es wäre zeitgemäß, wenn alle angestellten TierärztInnen nicht von der Gunst eines Chefs oder einer Chefin abhängig wären, sondern es mit einem Kollektivvertrag eine klare Regelung gäbe.