Nach der vernichtenden Kritik am Begutachtungsentwurf der Krankenkassenreform durch etliche ExpertInnen, darunter Rechnungshof und Arbeiterkammer, hat die Regierung im Ministerrat noch Änderungen vorgenommen. Welche das sind, verrät uns Sozialrechtsexperte David Mum.
KOMPETENZ: Die Regierung hat im Ministerratspapier verschiedene Änderungen gegenüber der ursprünglichen Version vorgenommen und damit auf die Kritik reagiert, dass die geplanten Einsparungen unmöglich seien. Was hat sich verändert?
David Mum: Die Regierung ist trotz fundierter Kritik von verschiedener Seite von keinem der Eckpunkte der Sozialversicherungsreform abgegangen. Die angebliche Patientenmilliarde wird durch keine plausiblen Zahlen untermauert. Die Regierung hat Einsparungen von 1 Milliarde behauptet, aber selbst in ihren Unterlagen zum Begutachtungsentwurf 2023 lediglich Einsparungen von 33 Mio. angegeben. Nun sind die „Berechnungen“ so geändert worden, dass in 4 Jahren Einsparungen von 1 Mrd. angenommen wurden. Völlig willkürlich wurde jetzt ganz einfach – bei dem nahezu unveränderten Gesetzesentwurf – statt Einsparungen von 10% im Verwaltungsaufwand 30% angenommen. Außerdem wirken die Einsparungen wundersame Weise auf einmal statt erstmals 2023 schon 2020. Diese sind durch keine Maßnahmen hinterlegt. Es gibt lediglich den Hinweis, dass in den nächsten 5 Jahre mehr Pensionierungen anfallen werden.
KOMPETENZ: Worauf stützen sich die Annahmen der Regierung?
David Mum: Diese Zahlen sind völlig unglaubwürdig. Die Sozialministerin hat ja auch selbst zugegeben, dass es bislang gar keine fundierten Berechnungen gibt. Ministerin Hartinger-Klein meinte in der ZIB wörtlich dazu: „Wenn so viele Experten das schon berechnet haben, brauchen wir nicht auch noch etwas berechnen.“
„Es werden vielmehr hohe Mehrkosten in Kauf genommen, nur um die Machtverschiebung in der Sozialversicherung möglichst schnell über das Knie zu brechen.“
David Mum, Sozialrechtsexperte
KOMPTENZ: Was heißt das für die PatientInnen?
David Mum: Hier wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. Während eine Fusion zu einem Mehraufwand führt, werden schon ab 2020 Einsparungen von knapp 100 Mio unterstellt. Diese sind mit der völlig überhasteten Fusion unmöglich. Es werden vielmehr hohe Mehrkosten in Kauf genommen, nur um die Machtverschiebung in der Sozialversicherung möglichst schnell über das Knie zu brechen. Wenn dieser Einsparungspfad wirklich umgesetzt würde, bedeutet das einen jahrelangen Aufnahmestopp. Das zu Zeiten, in denen wegen der völlig überhasteten Fusion erheblicher Energie in der Organisation nach innen gerichtet sein wird. Die Sozialversicherung hat einen gesetzlichen Leistungsauftrag und kann diesen nicht mit einem Bruchteil des Personals erfüllen. Wenn das so kommt, wird die Leistungsqualität der Sozialversicherung enorm sinken. Längere Bearbeitungsdauern, weniger regionale Bezirks- und Außenstellen, reduzierte Öffnungszeiten wären die logische Folge. Dier Verwaltungskosten machen in der Krankenversicherung nur 2,8 Prozent der Ausgaben aus. Das ist sehr niedrig und zeugt von hoher Effizienz. 30 Prozent weniger Personal sind hier nicht darstellbar. Damit würde die Krankenversicherung nicht effizienter arbeiten, sondern einfach nur schlechter, auf Kosten der Versicherten und der dort arbeitenden Menschen.
ZUR PERSON:
David Mum ist Ökonom. Er ist Mitglied der Bundesgeschäftsführung der GPA-djp und Leiter der Grundlagenabteilung.