Rechtspopulisten spalten ArbeitnehmerInnen

Natascha Strobl ist Politikwissenschafterin und Skandinavistin. Ihr Schwerpunkt liegt in der Rechtsextremismusforschung.
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl erklärt im KOMPETENZ-Interview, wie rechtspopulistische Politik den Arbeitsalltag beeinflusst und wie man dagegen arbeiten kann.

KOMPETENZ: Rechtspopulistische Politik reagiert auf reale Probleme oft mit Schuldzuweisungen statt mit konstruktiven Vorschlägen. Inwiefern wirkt sich das auch auf den Arbeitsalltag von Menschen aus?

NATASCHA STROBL: In einem Betrieb arbeiten Menschen mit verschiedenen Hintergründen, nicht nur herkunftsmäßig, sondern da gibt es auch Männer und Frauen, Ältere und Jüngere. Durch eine rechtspopulistische Politik werden all diese Leute quasi markiert. Man ist nicht nur Arbeiter, Arbeiterin oder Angestellter, Angestellte, sondern man ist plötzlich „der Ausländer“ oder „die Alleinerzieherin“. Rechtspopulistische Politik ist grundsätzlich keine arbeitnehmerInnenfreundliche Politik. Sie führte dazu, dass ein 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche beschlossen und die ArbeitnehmerInnenvertreterInnen aus der Sozialversicherung hinausgekickt wurde.

Vor allem sucht rechtspopulistische Politik aber Sündenböcke. Am meisten sind das „die Ausländer“ oder „die Flüchtlinge“. Was Rechtsextreme tun, ist, aus einem Kollektiv einzelne Personen zu machen und die haben dann nur mehr eine singuläre Identität. Das hat massive Auswirkungen, nicht nur auf die Personen individuell, sondern auch, wie sich ArbeitnehmerInnen wehren können. Wenn ich damit beschäftigt bin, zu sagen, meine Kollegin ist die mit dem Kopftuch und sie nicht mehr als Kollegin sehe, sondern nur mehr als die mit dem Kopftuch, dann werde ich nicht mehr solidarisch sein. Um sich in einem Arbeitskampf zu wehren, braucht man aber alle KollegInnen.

„Rechtspopulistische Politik führte dazu, dass ein 12-Stunden-Tag beschlossen und die Arbeitnehmervertreterinnen aus der Sozialversicherung hinausgekickt wurden.“

Natascha Strobl

KOMPETENZ: Das, was Sie hier beschreiben, ist das Prinzip der Spaltung. Eine der aktuellen Spaltungslinien in der Gesellschaft verläuft zwischen vermeintlichen Sozialschmarotzern und den Anständigen, die arbeiten. Kombiniert wird das dann zudem mit dem Auseinanderdividieren derer, etwa Geflüchteten, die noch nichts ins Sozialsystem einbezahlt haben, und Erwerbstätigen. Welches Narrativ könnte hier entgegengehalten werden?

Es muss immer gesagt werden, dass es um oben gegen unten geht. Eine Spaltung horizontal einzuführen, führt zu einer Schwächung von denen, die unten stehen. Oben, wo der Kuchen ist, kommt es nie zu einer Spaltung. Aber unten wird es aufgedröselt bis ins Letzte, damit die ja nicht gefährlich werden. Das sieht man an Konstruktionen wie die, die schon eingezahlt haben ins Sozialsystem und die anderen, die das nicht getan haben. Meine Tochter ist sechs Monate alt und hat auch noch nicht ins Sozialsystem eingezahlt. Ich bin sehr froh, dass sie all die guten Sachen herausbekommt, von medizinischer Versorgung bis zur Familienbeihilfe. Dass die, die arbeiten und Steuern zahlen, nichts herauskriegen, das stimmt ja nicht. Jeden Tag, wenn wir mit den Öffis fahren, jeden Tag, wenn wir mit dem Auto Straßen benutzen, kriegen wir etwas heraus, auch wenn es nicht bar auf die Hand ist.

Natascha Strobl: Wenn ich damit beschäftigt bin, zu sagen, meine Kollegin ist die mit dem Kopftuch und sie nicht mehr als Kollegin sehe, sondern nur mehr als die mit dem Kopftuch, dann werde ich nicht mehr solidarisch sein. Um sich in einem Arbeitskampf zu wehren, braucht man aber alle KollegInnen.
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

KOMPETENZ: Leistung muss sich lohnen, lautet ein gängiger Stehsatz. Doch was ist Leistung überhaupt?

Leistung bemisst sich auf keinen Fall an der Höhe des Gehalts. Wenn Eltern bis in den Abend hinein mit den Kindern Hausübungen machen, ist das auch Arbeit, die aber gar nicht entlohnt wird. Leistung kann man aber auch nicht an den Arbeitsstunden festmachen. Es ist ein sehr pragmatisches Argument für eine Arbeitszeitverkürzung, dass man das, was man in 40 Stunden schafft, auch gut in 30 schaffen könnte, weil man bei einem Acht-Stunden-Tag auch immer wieder eine Pause braucht. Und selbst das Resultat sagt nichts aus. Manche strengen sich an, es gibt aber nicht das erwünschte Resultat. Das heißt, auch Leistung ist ein Konstrukt und wir müssen wegkommen von diesem Leistungsbegriff, weil so, wie manche Politiker das meinen, heißt es, man muss noch mehr aus sich herausquetschen, aber nur, damit andere davon einen Profit haben.

KOMPETENZ: Solidarität ist der Wert und Antrieb der Gewerkschaftsbewegung. Solidarität liegt aber auch zu Grunde, wenn freiheitliche Politiker eine Politik für Österreicher und gegen Ausländer machen. Worin liegt der Unterschied?

Der Unterschied liegt im Selbstverständnis als Gruppe. Rechtspopulisten sagen, wir sind solidarisch mit den Österreichern – wer auch immer da dazugehört, weil es wird ja auch nicht am Pass festgemacht. Als Gewerkschaft sagt man, wir sind solidarisch mit allen ArbeitnehmerInnen. Es ist ein unterschiedlicher Fokus und deshalb geht es dann bei Rechtspopulisten um den Kampf der ÖsterreicherInnen gegen diese ganze düster-konstruierte Masse an Leuten, die keine ÖsterreicherInnen sind und bei denen man Angst hat, dass sie einem etwas wegnehmen. Die Gewerkschaft braucht so ein düsteres Feindkonstrukt nicht.

KOMPETENZ: Willi Mernyi, Leitender Sekretär im ÖGB, plädierte kürzlich dafür, zwischen überzeugten Rassisten, Antisemiten, Rechtsextremen und jenen Menschen zu unterscheiden, die sich im Alltag als zu kurz gekommen sehen. Er ermunterte, mit der zweiten Gruppe ins Gespräch zu kommen und dabei herauszuarbeiten, dass etwa das Kürzen von Geldern für Geflüchtete das Einkommen von Menschen, die zu wenig verdienen, nicht erhöht. Und dass es dafür zu kämpfen gilt, dass Arbeit gerecht bezahlt wird. Können Sie dieser Strategie etwas abgewinnen?

Ich sehe das als ureigenste Aufgabe auch von BetriebsrätInnen: Zu reden, reden, reden, im Gespräch zu bleiben. Mit denen, die wirklich überzeugte RassistInnen, AntisemitInnen, FrauenhasserInnen sind – da gewinnst du nichts. Aber dann gibt es viele Menschen, die anradikalisiert sind. Um die muss man kämpfen, weil sonst bleiben nicht mehr viele übrig. Jede einzelne Person, die man zum Nachdenken bringt, lohnt sich.

KOMPETENZ: Die Gewerkschaften spielten in der Vergangenheit eine wichtige Rolle, wenn es um den Kampf gegen Faschismus ging. Welche Rolle können sie hier heute einnehmen?

Die, die sie schon immer hatten. Oft wissen die Gewerkschaften gar nicht, wie groß sie sind und wie viele Menschen sie organisiert haben. Die Leute sind dabei, weil sie sich Service erwarten, aber auch, weil sie sich erwarten, dass man ihre Interessen vertritt. Und die Interessen von ArbeitnehmerInnen zu vertreten ist per se schon antifaschistisch, weil Rechtspopulisten, Rechtsextreme, Faschisten sind immer gegen die ArbeitnehmerInnen. Deshalb kann es keine Gewerkschaft geben, die nicht antifaschistisch ist und daran sollte man sich wieder erinnern.

Zur Person

Natascha Strobl, geb. 1985, ist Politikwissenschafterin und Skandinavistin. Ihr Schwerpunkt liegt in der Rechtsextremismusforschung. Sie ist Mitautorin der Bücher „Die Identitären“ und „Rechte Kulturrevolution“. Auf Twitter analysiert sie regelmäßig politische Diskurse.

Buchtipp:

Julian Bruns, Kathrin Glösel, Natascha Strobl:
Die Identitären: Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa

Die Identitären, deren Anfänge um das Jahr 2002 auszumachen sind, verstehen sich als Jugendbewegung der „Neuen Rechten“ in Europa. Das Buch beleuchtet ihre Verbreitung in ganz Europa, ihre Ideologien und ihren historisch-theoretischen Unterbau.

29,90 Euro
ISBN 978-3-99046-368-0

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