35 Stunden sind genug! GPA-djp und vida kämpfen für eine Verkürzung der Arbeitszeit

Am 12.Februar 2020 streikten Beschäftigte der Sozialwirtschaft vor dem Sozialministerium für eine Arbeitszeitverkürzung. Nach abermals ergebnislosen Verhandlungen folgen weitere Streikveranstaltungen kommende Woche.

Arbeitszeit hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Leben. Nicht zuletzt verbringen viele Menschen einen Großteil ihrer wachen Zeit in der Arbeit oder auf dem Arbeitsweg. Das Ausmaß der Zeit, die wir für unseren Beruf aufbringen, hat also einen direkten Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität.

Es ist daher kein Wunder, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit jeher danach trachten, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Haben unsere Großeltern noch 48 Stunden gearbeitet, gilt jetzt die gesetzliche Wochenarbeitszeit 40 Stunden.

Die Gewerkschaften haben bei der Verkürzung der Arbeitszeit eine zentrale Rolle gespielt. Bereits 1978 erhob der Österreichische Gewerkschaftsbund bei seinem 11. Bundeskongress die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Bereits damals wurde argumentiert, dass eine solche Reduktion nicht möglich sei, dass die Wirtschaft das nicht verkraften könne. Dabei wurden die Reallöhne parallel zu den Arbeitszeitverkürzungen von 48 auf 45 und von 45 auf 40 Stunden zwischen 1958 und 1975 verdoppelt. Von einem Einbruch der Wirtschaft in diesem Zeitraum kann keine Rede sein. Durch den Zuwachs an Produktivität konnte immer mehr in immer kürzerer Zeit geleistet werden. Durch steigende Kaufkraft aufgrund guter Gehaltsabschlüsse stieg auch der Konsum und damit die Nachfrage, was die Wirtschaft weiter wachsen ließ.

Seit der gesetzlichen Verkürzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden hat sich einiges getan. Durch gewerkschaftliche Verhandlungserfolge konnten unterschiedliche Maßnahmen im Bereich der Arbeitszeit zugunsten der Beschäftigten durchgesetzt werden. So beträgt etwa im privaten Gesundheits- und Sozialbereich die kollektivvertragliche Wochenarbeitszeit 38 Stunden und beim Abschluss in der vergangenen KV-Runde konnte eine leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche fixiert werden.

Die Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Sozialbereich sind vielfältig: Stress ohne Ende, zu wenig Zeit mit Klientinnen und Klienten, emotionale und körperliche Schwerstarbeit und reich wird man auch nicht damit. Die KollegInnen suchen bereits oft nach nur kurzer Zeit schon wieder einen neuen Job.

Was tun?

Die Gewerkschaften GPA-djp und vida fordern nun stärker als je zuvor einen Umstieg auf die generelle 35-Stunden-Arbeitswoche im Gesundheits- und Sozialbereich. Davon haben alle etwas: Wer Vollzeit arbeitet hat endlich mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbies. Wer Teilzeit arbeitet, für den bedeutet die 35-Stunden-Woche als Ausgangsbasis für die Gehaltsberechnung mehr Geld. Und zwar bedeutend mehr: Bis zu acht Prozent Gehaltserhöhung sind drin. Auf www.35stunden.at kann sich jeder ausrechnen, was eine solche Arbeitszeitverkürzung bedeutet.

Aber auch insgesamt bietet die Umstellung auf 35 Wochenstunden Vorteile: Der Personalmangel in der Branche kann nur durch attraktivere Arbeitsbedingungen wirksam bekämpft werden. Nur, wenn Kolleginnen und Kollegen nicht bereits nach kurzer Zeit emotional und körperlich am Ende sind, werden sie sich langfristig für einen Beruf im Gesundheits- und Sozialbereich entscheiden. Deshalb umfasst die Gewerkschaftsforderung auch einen vollen Personalausgleich: Erst wenn ausreichend Personal vorhanden ist, kann stressfrei der eigenen Arbeit nachgegangen werden. Da über 60% der KollegInnen in dem Bereich Teilzeit arbeiten, führt die Arbeitszeitverkürzung zu keinem Personalengpass. Durch moderate Erhöhung der bestehenden Beschäftigungsausmaße kann der gesamte MehrBedarf an Personal abgedeckt werden. Damit begegnen die Gewerkschaften auch den Arbeitgebern, wenn sie behaupten, dass sie schon jetzt nicht ausreichend Personal finden. Unter den vorherrschenden Arbeitsbedingungen kann man nur sagen: Kein Wunder!

Internationaler Trend

Der Trend zu kürzerer Arbeitszeit hat längst etliche Unternehmen erreicht. So hat beispielsweise Microsoft ausgerechnet im arbeitswütigen Japan die 4-Tage-Woche getestet – mit beeindruckenden Ergebnissen: Die Produktivität steigerte sich um fast 40 Prozent, die Energiekosten sanken um ein Viertel und 92 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren begeistert.

In Göteborg, der zweitgrößten Stadt Schwedens, wurde 2015 in einem Altersheim die tägliche Arbeitszeit auf sechs Stunden reduziert. 2017 lagen die Erkenntnisse vor: Die Zahl der Krankenstände sank nach einem Jahr auf durchschnittlich 5,8 Prozent, bei einem stadtweiten Schnitt von 12,1 Prozent. Die Beschäftigten fühlten sich gesünder und auch glücklicher. Auch auf die Heimbewohner hatten die entspannteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen positiven Effekt. Das städtische Krankenhaus hatte ebenfalls die 30-Stunden-Woche getestet. Während davor durch unattraktive Arbeitszeiten ein Personalmangel und Leistungsabfall entstanden waren, konnten durch die Verkürzung der Arbeitszeit die Leistungen sogar ausgebaut und die Wartezeiten auf Operationen verkürzt werden. Vorerst entstanden der Stadt Kosten, weil zusätzliche Kolleginnen und Kollegen eingestellt werden mussten. Mittelfristig rentierte sich die Arbeitszeitverkürzung aufgrund von höheren Steuereinnahmen, geringeren Krankenständen, Invaliditätspensionen und Arbeitslosenzahlen aber sogar.

Ebenfalls in Göteborg hatte das Toyota-Werk bereits 2003 auf den Sechs-Stunden-Tag umgestellt – und zwar bei vollem Lohnausgleich. Nicht nur motiviertere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren die Folge, auch die Produktivität erhöhte sich. Im deutschen Bielefeld wiederum testet eine Kommunikationsagentur momentan sogar eine 25-Stunden-Woche. Es zeigt sich bereits, dass Leerläufe, die etwa mit Internetsurfen gefüllt wurden, reduziert werden konnten und die Kolleginnen und Kollegen motivierter und besser arbeiten.

Verankerung im Kollektivvertrag

Die 35-Stunden-Woche wird auch bei den Ende November beginnenden Kollektivvertragsverhandlungen für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich eine wichtige Rolle spielen. Bei solchen Verhandlungen werden Gehälter, Löhne und auch rahmenrechtliche Vereinbarungen wie Arbeitszeit oder Zulagen geregelt. Dort könnte eine 35-Stunden-Woche festgelegt werden. Der Kollektivvertrag (KV) wird von den Gewerkschaften und BetriebsrätInnen gemeinsam mit den Arbeitgebern verhandelt. Die Privatangestelltengewerkschaft GPA-djp und die Gewerkschaft vida stehen jedenfalls voll und ganz hinter den Beschäftigten und hinter der Forderung nach einer 35-StundenWoche.

Alle Kollektivverträge auf einen Blick

Ihren persönlichen Kollektivvertrag können Sie kostenlos auf der Website der GPA-djp suchen und herunterladen.
https://www.gpa-djp.at/kollektivvertrag

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