Die ÖGB-AK-Hotline läuft seit Wochen heiß, aber auch in unseren Regionalgeschäftsstellen rufen täglich Mitglieder an, die sich im COVID-19-Gesetzesdschungel nicht mehr auskennen und wissen möchten, was denn nun eigentlich gilt.
Eines dieser Mitglieder ist Liliane P., die sich telefonisch meldet. „Ich arbeite an einer Kasse im Supermarkt“, schildert sie ihre Situation, „und trage den ganzen Tag eine Maske, obwohl ich hinter einer Plexiglasscheibe sitze. Das ist äußerst unangenehm, aber mein Chef meint, so wäre das nun einmal vorgeschrieben. Stimmt das?“ „Nein“, lautet dazu die Antwort des GPA-djp-Rechtsberaters, „das war bis 30. April so, seit 1. Mai regelt eine Verordnung, dass Beschäftigte im Kundenbereich von Geschäften und Dienstleistungsunternehmen die Maske nur dann tragen müssen, wenn sie nicht durch andere Maßnahmen wie eben eine Plexiglasscheibe geschützt sind.“ Er erklärt Liliane P., dass sie an der Kasse keine Maske tragen muss, sehr wohl aber für den Fall, dass sie den Kassenbereich verlässt und sich im Kundenbereich aufhält.
„Und wenn mein Chef trotzdem darauf besteht, dass ich eine Maske trage?“, fragt sie. Dann muss der Arbeitgeber darauf aufmerksam gemacht werden, dass dort, wo keine behördliche Maskenpflicht besteht, das Tragen einer Maske nicht einseitig angeordnet werden darf. Vielmehr hat der Arbeitgeber das Einvernehmen mit den Beschäftigten herzustellen. „Und wo steht das?“, möchte Liliane P. wissen. „In der sogenannten Lockerungsverordnung“, erklärt ihr der Rechtsberater. „Ihr Chef findet sie im Internet.“
Das COVID-19-Risiko-Attest
Ein ganz anderes Problem hat Anke G. Sie ruft an, weil sie endlich die ärztliche Bestätigung erhalten hat, dass sie zur COVID-19-Risikogruppe gehört. „Ich kann meine Tätigkeit nicht im Home-Office verrichten“, erklärt sie, „und an meinem Arbeitsplatz sind Kundenkontakte unausweichlich. Habe ich einen Freistellungsanspruch?“ „Ja“, bestätigt die GPA-djp-Rechtsberaterin, „denn Kundenkontakt ist Ihnen nicht zumutbar. Die Ansteckungsgefahr ist zu groß.“ Der Arbeitgeber müsse den Arbeitsplatz so gestalten, dass eine Ansteckung mit dem
Coronavirus mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen sei.
Dabei müsse er auch den Weg zur Arbeit berücksichtigen, denn das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel sei Risikopersonen ebenfalls nicht zumutbar. Könne der Arbeitgeber diese Schutzmaßnahmen nicht treffen und sei auch Home-Office nicht möglich, habe sie Anspruch auf Freistellung mit Entgeltfortzahlung. „Mein Arbeitgeber möchte das Attest durch den Betriebsarzt überprüfen lassen“, sagt Anke G. „Das Attest wird vom behandelnden Arzt ausgestellt“, stellt die Rechtsexpertin klar, „und der Arbeitgeber muss dessen Einschätzung akzeptieren.“ „Muss ich während der Freistellung Urlaub nehmen?“, will Anke G. noch wissen. „Nein“, lautet die Antwort. Der Arbeitgeber habe ohnedies Anspruch auf Ersatz des an sie ausbezahlten Entgelts samt Beiträgen.
„Zwangsurlaub“
Eröd C. wehrt sich dagegen, von seinem Chef auf Urlaub geschickt zu werden. „Ich habe schon drei Wochen Alturlaub verbraucht,“, sagt er am Telefon, „jetzt ist Schluss.“ Er arbeitet in einem Dienstleistungsunternehmen, das nach der vorübergehenden Schließung aufgrund eines behördlichen Betretungsverbotes nun wieder geöffnet hat. „Es kommt weniger Kundschaft als erwartet“, räumt er ein, „weswegen der Chef verlangt, dass alle Beschäftigten je einen Tag arbeiten und einen Tag daheim bleiben. Der Tag daheim gilt als Urlaub, wer keinen mehr hat, soll Minusstunden machen. Mich hat der Chef darauf hingewiesen, dass ich noch zwei Wochen Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr konsumieren muss. Das stimmt doch nicht, oder?“
„Nein, das stimmt so nicht“, beruhigt ihn der Rechtsexperte. „Solange Ihre Arbeitsleistung aufgrund des Betretungsverbotes nicht erbracht werden konnte, hatten Sie tatsächlich die
Verpflichtung, Alturlaub abzubauen. Nun ist aber wieder geöffnet und Sie sind arbeitsbereit. Verzichtet Ihr Chef tageweise auf Ihre Arbeitsleistung, muss er Ihnen trotzdem das volle
Entgelt bezahlen und darf weder Urlaubsverbrauch noch das Anhäufen von Minusstunden verlangen. Dass weniger Kundschaft als erhofft kommt, ist das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers, das nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden darf.“ „Auch wenn wirklich weniger zu tun ist?“, vergewissert sich Eröd C. noch einmal. „Ja!“, lautet die Antwort. Der Arbeitgeber könne beispielsweise Kurzarbeit beantragen.
Sonderbetreuungszeit
Ein völlig anderes Problem hat Anna F. Sie ist Mutter einer 7-jährigen Tochter und ihr Chef hat ihr Sonderbetreuungszeit gewährt, weil in der Schule immer noch kein Normalbetrieb herrscht. Nun sagt er, Anna F. müsse die Sonderbetreuungszeit im Block nehmen, weil er sonst ihr Entgelt nicht ersetzt bekomme. Ihr wäre es aber lieber, sie könnte die Betreuungszeit tageweise nehmen und so die Zeiten ohne Unterricht abdecken.
Die Rechtsberaterin kann sie beruhigen, Annas Chef ist offenbar nicht gut informiert. Sonderbetreuungszeit steht im Ausmaß von maximal drei Wochen zu. Sie kann im Block, wochenweise, tageweise und halbtageweise verbraucht werden. In jedem dieser Fälle erhält der Arbeitgeber 1/3 des ausbezahlten Entgelts ersetzt. Der Arbeitgeber hat also keinen finanziellen Nachteil, wenn die Sonderbetreuungzeit tageweise verbraucht wird.
Die Gewerkschaft GPA hilft
GPA-Mitgliedern steht ein vielfältiges Beratungsangebot zu arbeitsrechtlichen Fragen zur Verfügung. Nicht-Mitglieder können unter 050301-301 eine kostenlose Erstberatung in Anspruch nehmen.