Es klingt wie „neulich hinterm Mond“, wenn der Karenzwunsch eines werdenden Vaters in der Kündigung mündet – tatsächlich finden sich in der Studie parents@work noch etliche Beispiele von fortschreitendem Rückschritt.
Für das EU-Projekt parents@work interviewte ein ForscherInnen-Team der L&R Sozialforschung 18 Menschen, die sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) gewendet hatten. Alle diese Menschen wurden in ihren Firmen diskriminiert, weil sie ihr Erwerbsleben als Elternteil führen wollten.
Heißt: die berufstätigen Mütter gingen in Karenz oder strebten Teilzeitarbeit an, die Väter suchten um Elternkarenz oder -teilzeit an. „Diese Unternehmen sind nicht in der heutigen Zeit angekommen und wehren sich gegen eine gesellschaftlich allgemein akzeptierte und gelebte Praxis“, erklärt Nadja Bergmann, Soziologin und eine der vier StudienautorInnen. Zwei der Fälle sind Bergmann besonders in Erinnerung geblieben.
Pure Schikane, Rufmord, Demütigung
Eine Mutter arbeitete als Verkäuferin einer Parfümerie-Kette. Nach einer kurzen Karenz, wollte Frau P. in Elternteilzeit in den Betrieb zurückkehren. Mit dem Recht auf Elternteilzeit ist auch die Möglichkeit verbunden, sich neben der Anzahl der Wochenstunden auch die Arbeitszeitlage aussuchen zu können. Ihre Chefin lehnte das entschieden ab, betrachtete auch den Wunsch, in einer für sie günstig gelegenen Filiale arbeiten zu wollen, geradezu als Affront. Die „flexible Regelung“, auf die sich Frau P. dann eingelassen hatte, um der Chefin entgegenzukommen, entpuppte sich als reine Schikane: sie wurde just an jenen Tagen zum Dienst eingeteilt, wo sie für ihr Kind da sein musste. Darüber hinaus wurde sie ausgerechnet in eine für sie schwierig zu erreichende Filiale versetzt.
Der Beginn einer langen Reihe von massivem Mobbing und Beschuldigungen, was Frau P. nicht alles falsch machen würde. Elternteilzeit ist bei ihrer Chefin generell nicht gern gesehen. Die Arbeitnehmerin holt sich Unterstützung bei der Arbeiterkammer und der GAW, klagt schließlich mit Hilfe der AK. Ein Vergleich wird ausgehandelt, Frau P. verlässt den Betrieb. Der unrühmliche Beigeschmack: die Parfümerie-Kette hat die Rechte von Frau P. völlig ignoriert, sie wurde mit allen Mitteln aus der Firma gedrängt. „Das war von der Herangehensweise wirklich ziemlich heftig“, erinnert sich Soziologin Bergmann. „MitarbeiterInnen mobben, schlecht oder runter machen – das zeigt wie Firmen vorgehen, wenn ihnen etwas nicht in den Kram passt.“ Die Strategie, den Menschen als Versager/Versagerin in seinem/ihrem Beruf darzustellen, ist besonders ekelhaft: unterstellt wird u.a. auch, die/der ArbeitnehmerIn hätte sich schon immer unredlich verhalten und sich nicht genug für den Betrieb engagiert. Bisweilen werden KollegInnen unter Druck gesetzt und als ZeugInnen herangezogen, die vor dem Arbeitsgericht aussagen müssen. Bergmann: „Gegen diese heftigen Geschütze müssen sich die Betroffenen erst Mal wehren können“.
„Die KollegInnen in der Firma haben ihn gewarnt, er soll lieber nicht danach fragen, denn Väterkarenz würde dort gar nicht gerne gesehen“
Nadja Bergmann, Soziologin
Nicht weniger bedenklich als die Geschichte von Frau P., verlief auch der Fall eines Vaters, der nach der Geburt seines Kindes drei Monate in Karenz gehen und anschließend 30 Wochenstunden in Elternteilzeit arbeiten wollte. „Die KollegInnen in der Firma haben ihn gewarnt, er soll lieber nicht danach fragen, denn Väterkarenz würde dort gar nicht gerne gesehen“, weiß Nadja Bergmann.
Herr U. ließ sich von den Warnungen nicht abschrecken und konfrontierte den Chef mit seinen Plänen. Der reagierte höchst verärgert, wollte Herrn U. mit einem Monat abspeisen, was dieser ablehnte. Herrn U. wird daraufhin ein Dienstverhältnis von 1 bis 2 Stunden pro Woche für Kopiertätigkeiten angeboten. Es hagelt Vorwürfe von „fehlender Arbeitsbereitschaft“, ferner wird Herrn U. von seinem Chef versichert: bei solch einem Karenzausmaß gäbe es „ohnehin in der Zukunft keinen Platz mehr“ für ihn und er möge doch kündigen. Herr U. hat den Belastungen eines Rechtsstreits die unbeschwerte Karenzzeit vorgezogen, der Betriebsrat handelte eine einvernehmliche Auflösung des Vertrages aus. Herr U. hat inzwischen einen neuen Job.
Unrecht macht krank
Die ArbeitnehmerInnen Frau P. und Herr U. – stellvertretend für die 18 interviewten Väter und Mütter und alle Elternteile, denen jene Art von Diskriminierung am Arbeitsplatz widerfahren ist. Ob ein Wäscheständer mit schmutziger Wäsche neben einem Arbeitsplatz aufgestellt, die ArbeitnehmerInnen mittels Privatdetektiv verfolgt wurden oder eine schwangere Arbeitnehmerin gekündigt und durch einen Security-Mitarbeiter vor die Tür gesetzt wird.
„Bei einer Frau hat sich der Betriebsrat extrem auf die Beine gestellt. Das war der einzige Fall, wo nicht die Beschäftigte selbst die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die AK kontaktieren musste“
Nadja Bergmann, Soziologin
Für MitarbeiterInnen – besonders, wenn die Menschen während des Verfahrens noch im Unternehmen verbleiben – sind diese Schikanen auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Körperlich und psychisch: das reicht von Schlafstörungen und Magen/Darm-Problemen über Burnout bis hin zu Suizidgedanken. Von den 18 Müttern und Vätern sind nur noch zwei in den betreffenden Unternehmen geblieben. Positiv-Beispiel im Ärgernis: „Bei einer Frau hat sich der Betriebsrat extrem auf die Beine gestellt. Das war der einzige Fall, wo nicht die Beschäftigte selbst die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die AK kontaktieren musste“, erinnert sich Expertin Nadja Bergmann. Der Betriebsrat hat für die Arbeitnehmerin gekämpft, sie blieb im Betrieb.
Fürs Recht kämpfen
Hier kämpfen nicht die „Querulanten“, wie missliebige MitarbeiterInnen auch gerne genannt werden, gegen Unrecht, sondern zumeist in der Firma sehr engagierte Menschen. Bloß, weil sie das ganz normale Elternrecht in Anspruch nehmen wollen, wird ihnen ihre Arbeitsmoral abgesprochen, der Boden unter den Füßen regelrecht weggezogen.
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die lange Verfahrensdauer (bis zu drei Jahre) sind nicht gerade berauschend: Beweise müssen vorlegt werden, die Unterstützung von AK und Gleichbehandlungsanwaltschaft eingeholt werden – hier kann es auch immer wieder zu Kapazitäts-Engpässen kommen. „Viele der betroffenen ArbeitnehmerInnen fühlen sich dabei sehr allein gelassen“, sagt Bergmann. „Es wäre wünschenswert, dass Beratungsstellen aufgestockt und damit mehr Kapazitäten geschaffen werden.“
Dem Rückschritt entgegen
„Mich hat erstaunt, wie wenig normal Elternschaft in manchen Betrieben gehandhabt wird und was überhaupt möglich ist“, erklärt Nadja Bergmann. Auch dass Betreuungspflichten in den Firmen meist noch immer als Frauenproblem gesehen werden, hat die Soziologin wirklich überrascht. „Wenn eine Frau schwanger ist, wird automatisch davon ausgegangen, dass sie sich in den nächsten Jahren weniger im Job engagiert, keinesfalls Führungspositionen ausüben oder anspruchsvolle Tätigkeiten in der Firma übernehmen kann.“
Doch Unternehmen müssen sich mit der Elternschaft und den elterlichen Rechten auseinandersetzen. Ein großer Konzern sollte bis in die einzelnen Abteilungen definieren, welche Möglichkeiten Eltern als Karenz-RückkehrerInnen haben und was sie mit den jeweiligen AbteilungsleiterInnen absprechen sollen.
„Wenn eine Frau schwanger ist, wird automatisch davon ausgegangen, dass sie sich in den nächsten Jahren weniger im Job engagiert, keinesfalls Führungspositionen ausüben oder anspruchsvolle Tätigkeiten in der Firma übernehmen kann.“
Nadja Bergmann
Tatsächlich waren in den Fällen der parents@work-Studie auch Unternehmen involviert, die als familienfreundliche Firmen zertifiziert sind. „Von der Konzernleitung wird da eine gute Policy vorgegeben, sie wird aber in den einzelnen Abteilungen nicht immer gelebt“, erklärt Bergmann. Genau dort werden aber die Entscheidungen von den direkten Vorgesetzten getroffen.
Allgemeine Voraussetzungen verbessern
Was den österreichischen Eltern zusätzlich fehlt, ist eine adäquate Kinderbetreuung. Haben die erwerbstätigen Elternteile eine eingeschränkte Kinderbetreuung, wird dieser Umstand oft gegen sie verwendet. Die Corona-Pandemie hat den Eltern jedenfalls keinen guten Dienst erwiesen: Die Gratwanderung Homeoffice-Kinderbetreuung hat die Position vieler Eltern in ihren Unternehmen noch geschwächt.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen gegen Diskriminierung sind auch in skandinavischen Ländern gar nicht so viel besser als bei uns – allerdings ist es üblich, in der Elternschaft erwerbstätig zu sein, Diskriminierungen sind deshalb weniger häufig. Überhaupt wird Elternschaft dort anders gelebt, weil sie auf mehrere Schultern verteilt ist. Dass sich Frauen und Männer die Karenz aufteilen, ist gang und gäbe.
Genau hier wollen die StudienautorInnen einhaken, sie fordern u.a. mehr gesellschaftliche Akzeptanz für erwerbstätige Eltern und eine zwischen den Geschlechtern bessere Aufteilung der Erwerbstätigkeit. Ebenso wird ein niederschwelliger Zugang zur GAW gefordert, denn derzeit wird zu viel Wissen und auch Mut, sich überhaupt an diese Stellen zu wenden, vorausgesetzt. Bisher haben vor allem AkademikerInnen diesen Weg beschritten. Auch ist nicht allen bewusst, dass die GAW kostenlose Unterstützung bietet.
Ein spannendes Feedback bekamen die parents@work-StudienautorInnen auch von einem der befragten Väter: Er zeigte sich schriftlich total fassungslos darüber, was den anderen Vätern und Müttern passiert war. Seine Hoffnung: die Studie, die Arbeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der AK mögen zumindest zu realen Änderungen für die nächste Elterngeneration führen.