Zuhören und besser werden

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Vom Küniglberg ins Funkhaus und retour – Konrad Mitschka ist Betriebsratsvorsitzender in der ORF-Generaldirektion und berichtet, was in seiner Arbeit zählt und was ein unabhängiger Sender für die Gesellschaft bedeutet.

„Irgendwann sind mir die Ausreden ausgegangen und dann habe ich kandidiert “, sagt Konrad Mitschka, der 51-jährige Journalist ist Betriebsrats-Vorsitzender in der ORF Generaldirektion. „Ich war immer gesellschaftspolitisch interessiert, habe aber lange gedacht, nicht genug Zeit für eine Funktion zu haben“. Die Familie und die Karriere waren da durchaus wichtiger. Als dann die Kinder außer Haus waren und ein paar Stufen auf der Karriereleiter erklommen, entschloss sich Konrad Mitschka vor sechs Jahren für eine Kandidatur. „Mit der Liste, die ich angeführt habe, wurden wir Nummer zwei und haben mit der dritten eine Koalition gebildet.“ Das Ergebnis: Mitschka wurde vom Fleck weg Betriebsratsvorsitzender für die heute rund 300 ArbeitnehmerInnen der ORF-Generaldirektion. Mit nachhaltigem Erfolg: bei der darauf folgenden Wahl konnte er 60 Prozent der Stimmen für sich verbuchen, obwohl zwei Listen gegen ihn kandidierten.

X-Large und Ö3

In den ORF kam er als 18 -jähriger Maturant. Er schrieb einfach einen Brief an die X-Large-Redaktion und wurde als Volontär aufgenommen – der Radiomacher Rainer Rosenberg, damals kurzzeitig beim Fernsehen, hatte das Jugendformat aufgebaut und wurde Mitschkas erster Chef. Es folgten diverse Tätigkeiten etwa als Beitragsgestalter oder als Regieassistent. Vom Küniglberg wechselte er als „Freizeichen“-Redakteur in die Argentinierstraße zu Radio Ö3 (bis 1996 im Funkhaus beheimatet).

„Dort war ich z.B. im Pleiten-, Pech- und Pannendienst die Blondine vom Dienst“, sagt Mitschka.  So wurde er einmal vom damaligen Wirtschaftsminister Johann Farnleitner angerufen. Der wollte sich selber in eine „Freizeichen“ Sendung einladen, erst nach einigen Minuten dämmerte es Mitschka, dass ihn gerade sein Kollege Hary Raithofer mit verstellter Stimme am Schmäh führte. Immerhin war das eine gute Vorbereitung: schließlich wurde Konrad Mitschka Sendungsverantwortlicher für den ClubÖ3, die Mad-Mat-Schuh-Show und den Pleiten-, Pech, und Pannendienst.

Unabhängigkeit muss erkämpft werden

Vom Hitradio Ö3 ging es wieder zurück auf den Hügel im 13. Bezirk, wo ein Radioprofi für die interne Berufs- und Weiterbildungsabteilung gesucht wurde; später verantwortete er die Trainingsangebote des ORF. Mitschka schrieb einige Bücher, trug an Fachhochschulen und Universitäten vor, verfasste nebenher Fragen für die Millionenshow. Nach einigen Jahren wechselte er in die Stabsstelle  der ORF-Generaldirektion für Public Value. Dort ist der nicht freigestellte Betriebsrat u.a. Redakteur des jährlichen Public-Value-Berichts.

„Für unsere Gesellschaft ist es wichtig, den ORF, der nicht von der Werbung abhängig ist, zu erhalten.“

Konrad Mitschka

Dieser unterstreicht die große Bedeutung, die ein funktionierender öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Österreich fürs Gemeinwohl hat, „Die Unabhängigkeit muss man jeden Tag erwerben und verteidigen, die darfst du nie für gegeben erachten“, macht es Konrad Mitschka ganz deutlich. „Für unsere Gesellschaft ist es wichtig, den ORF, der nicht von der Werbung abhängig ist, zu erhalten.“ Wie sehr andere Medien den Unternehmen, die Inserate schalten, ausgesetzt sind, wird bei manchen kommerziellen Medien sichtbar. Konrad Mitschka: „Wir hängen auch nicht am Gängelband von Eigentümern, die ihre Interessen durchsetzen wollen. Uns sperrt auch niemand zu, wenn wir einen Betriebsrat gründen wollen.“

Unabhängigkeit ist der zentrale Wert

Für ihn ist es kein Zufall, dass sich die ZuseherInnen, HörerInnen und Internet-NutzerInnen bei Krisen für den ORF als unabhängiges Medium entscheiden. „Wir merken immer, wenn es kriselt – sei es Ibiza, Neuwahlen, Corona -, die Menschen nutzen dann weniger Medien mit kommerziellen Interessen, sondern mehr den ORF.“  Dass es freilich Einflüsse von Außen gibt, will der Betriebsratsvorsitzende nicht bestreiten.

„Wir merken immer, wenn es kriselt – sei es Ibiza, Neuwahlen, Corona -, die Menschen nutzen dann weniger Medien mit kommerziellen Interessen, sondern mehr den ORF.“

Konrad Mitschka

„Sicher gibt es Druck, aber so, wie es etwa einige Kabarettisten verwitzeln, ist es nicht“, versucht Mitschka zu beruhigen. „Ein Armin Wolf, ein Fritz Dittelbacher, eine Ulla-Kramar-Schmid sind standhaft und gehen nicht in die Knie, egal, wer wann anruft.“ Und er unterstreicht die Wichtigkeit der verankerten Rechte: „Wir haben Gesetze und Richtlinien, die die Kolleginnen und Kollegen schützen. Und vergleichsweise sichere Arbeitsplätze, behütet auch von einer starken Interessensvertretung, vom Redakteurs- und Betriebsrat. Das stärkt sicher das Rückgrat.“

Auch tägliche Probleme sind wichtig

Für die MitarbeiterInnen im ORF verhandelt der Zentralbetriebsrat (hier ist Mitschka Ersatzmitglied) die größeren Aufgaben, etwa die jährlichen Lohnerhöhungen. Als Betriebsratsvorsitzender der Generaldirektion hat er vor allem mit den „täglichen Dingen“ zu tun: „Werden Dir Überstunden bezahlt? Bist Du richtig eingestuft? Passt die Mehrdienstpauschale?“

„Die KollegInnen sind mir ein Anliegen – ich versuche, mich immer um die Leute zu kümmern, nicht bloß vor der Wahl“

Konrad Mitschka

Im ORF gelten eine Reihe von Kollektivverträgen, die unterschiedlichsten Berufe sind im Unternehmen vertreten, und die Generaldirektion ist beinahe wie ein Abbild des ORF im Kleinen: Hier arbeiten JournalistInnen, Klimatechniker, JuristInnen und Hausarbeiter, VerwaltungsspezialistInnen und ÖffentlichkeitsarbeiterInnen unter verschiedenen vertraglichen Bedingungen, einige auch als Leiharbeitskräfte. „Wir schauen, dass wir uns in den KV-Regelungen gut auskennen. In diesem sehr heterogenen Unternehmen gilt unser Service natürlich sowohl für die JournalistInnen als auch für die Menschen, die Möbel schleppen oder Verträge schreiben“, erklärt Konrad Mitschka. Es ist für ihn wichtig, für die Belegschaft präsent zu sein: „Die KollegInnen sind mir ein Anliegen – ich versuche, mich immer um die Leute zu kümmern, nicht bloß vor der Wahl“. Ziel ist es, mit jeder Kollegin, jedem Kollegen zumindest einmal ein persönliches Gespräch gehabt zu haben. „Sich hinsetzen, zuhören und tatsächlich verstehen, was den Menschen beschäftigt, das ist sehr wichtig.“

Stress durch Corona

Wie sehr die Aufgabe eines Betriebsrats auch Berufung ist, konnte Konrad Mitschka gerade mit der COVID-19-Pandemie und den damit steigenden Stresspegel beobachten. „Der Arbeitsaufwand in der Zeit, in der wir die Corona-Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben, war sehr intensiv und wir mussten uns selbst zwingen, Pausen zu machen – wir mussten das einhalten, was wir bei den anderen KollegInnen in dieser Stresssituation immer wieder einmahnen“, berichtet der Betriebsratsvorsitzende. Viel hat sich im ORF während der Zeit der Pandemie getan und „wir lernen immer noch“, weiß Mitschka.

Vom extremen Druck, dem vor allem die Nachrichtenredaktionen ausgesetzt sind – und wo Teams etwa disloziert arbeiten, damit auch immer gesendet werden kann – bis hin zu Kurzarbeit etwa beim ORF Radio-Symphonieorchester Wien (RSO), die Veränderungen sind drastisch, die Aufgaben des jeweiligen Betriebsrats mannigfaltig.  

„Für mich zählt, dass ich bei der GPA anrufen kann und schnell eine Auskunft bekomme“

Konrad Mitschka

Gerade im rechtlichen Bereich gibt es dabei Hilfe von der GPA. Der ORF hat seine Ressourcen, JuristInnen und Personalabteilungen – als Gegengewicht benötigt der Betriebsrat die Expertise der Gewerkschaft. Mit all dem Arbeitsaufwand wird der Betriebsrat nicht im Stich gelassen, weiß Mitschka: „Für mich zählt, dass ich bei der GPA anrufen kann und schnell eine Auskunft bekomme“.

Vor dreißig Jahren in Väterkarenz

Dass seine Tochter als Anwältin für Arbeitsrecht arbeitet (sein Sohn ist in einer Bank tätig) kann auch der Betriebsrat Mitschka für sich nutzen.

Sein gutes Verhältnis zu den heute erwachsenen Kindern, ist auch der Tatsache geschuldet, dass Konrad Mitschka vor gut drei Jahrzehnten in Väterkarenz ging. „Ich wollte einfach Zeit mit meinen Kindern verbringen“, erinnert sich Mitschka. Edgar Böhm, damaliger Chef von Ö3 und Mitschkas Boss, ließ den Vater gewähren: „Böhm hat das zwar ungewöhnlich gefunden, aber irgendwie auch gut und er hat mich unterstützt“, berichtet Mitschka, der daraufhin rund ein Jahr lang daheim Vater und Hausmann war. Mit seinem derzeitigen Leben ist er zufrieden. „Ich arbeite seit über 30 Jahren im selben Unternehmen in unterschiedlichen Positionen, und es ist mir nicht fad dabei. Ich bin noch immer glücklich verheiratet und habe großartige Kinder. Ich habe einfach viel Glück gehabt.“

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