Valid Hanuna kam im Alter von 29 Jahren nach Österreich. Heute ist er Betriebsratsvorsitzender und engagiert sich leidenschaftlich für seine Ziele.
Seit Beginn der Corona Pandemie hat sich im Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich viel verändert. Die Arbeitsabläufe sind nun komplizierter und umfangreicher geworden. Kurz gesagt: es gibt wesentlich mehr Arbeit, die Zahl der ArbeitnehmerInnen ist jedoch gleich geblieben. „Das Pflichtgefühl lässt viele von uns über Grenzen gehen“, erzählt Valid Hanuna, er ist Betriebsratsvorsitzender der AVS Kärnten (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe). „Bei manchen führt die Bereitschaft zur Selbstaufopferung fast zur Selbstaufgabe“. Das Angebot der AVS Kärnten reicht von mobilen Pflegediensten, Altenbetreuung, Alten- und Wohnheimen, betreutem Wohnen, Förderkindergärten und Frühförderung, Tagesstätten, Kinderphysiotherapie über psychologische Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis hin zu Tagesmüttern.
Enorme Belastung
Hanuna vertritt rund 1800 Beschäftigte. Und seit Corona bedeutet das: Viel mehr Bürokratie, mehr Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen und für einige Zeit auch die Einschränkung menschlicher Kontakte. Bei Betreuungs- und Pflegeberufen stellt das eine enorme Belastung dar. Die Verwaltung arbeitete aus dem Homeoffice, viele Beratungsstellen mussten von persönlicher auf telefonische Beratung umstellen. Die BetreuerInnen leiden besonders unter der FFP2-Maske und der Schutzausrüstung, die den ganzen Tag über getragen werden muss. Die sozialen Dienstleistungen sind dank der notwendigen, aber strengen Maßnahmen wesentlich komplizierter durchzuführen. Etwa, wenn es darum geht, in betreuten Wohngemeinschaften einen Quarantäne-Raum zu schaffen und trotzdem alle BewohnerInnen gleichbleibend gut zu versorgen. Es ist defacto kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Auch die Arbeit mit den KlientInnen ist schwieriger geworden. Bei der Betreuung von Kindern etwa, ist eine gewisse Körpernähe wichtig. „Das Gesicht dabei sehen zu können, wirkt für Kinder beruhigend – eine MNS-Maske nicht,“ erklärt Hanuna.
„Alle, die im Gesundheits- und Sozialbereich tätig sind, haben ein großes Herz, sie denken an all die anderen, bevor sie auf sich selbst schauen. Sie wollen niemanden hängen lassen und das Pflichtgefühl lässt sie immer wieder über Grenzen gehen. Einige von ihnen opfern sich richtig auf“
Valid Hanuna
Doch es gab auch positive Effekte. Besonders zu Beginn der Pandemie sind die MitarbeiterInnen zusammengerückt, über Abteilungsgrenzen hinaus haben die KollegInnen einander geholfen. „Das war eine sehr schöne Erfahrung“, erinnert sich Hanuna. Doch mit der Zeit leiden viele an den angespannten Arbeitsbedingungen. „Alle, die im Gesundheits- und Sozialbereich tätig sind, haben ein großes Herz, sie denken an all die anderen, bevor sie auf sich selbst schauen. Sie wollen niemanden hängen lassen und das Pflichtgefühl lässt sie immer wieder über Grenzen gehen. Einige von ihnen opfern sich richtig auf“, so Hanuna. Da an allen Ecken und Enden Personal fehlt, sind viele von ihnen auf Dauer überlastet und auf dem Weg ins Burnout.
Zeit, um Dinge ordentlich zu machen
Auch für den Betriebsrats-Vorsitzenden hat sich die Arbeit verändert: „Ich telefoniere viel mehr als früher. Viele ArbeitnehmerInnen brauchen gerade jetzt ein Feedback oder wollen beruhigt werden. Oft ist es aber wichtig einfach nur zuzuhören“. Für seine Leute ist Hanuna fast zu jeder Zeit erreichbar. „Man kann mich immer anrufen, auch in der Nacht“. Trotzdem ist er ausgeglichen und lässt sich nicht stressen. „Ich hebe auch deshalb ab, weil es mich mehr belasten würde, wenn ich nicht antworten könnte, und ich nehme mir auch die Zeit um Dinge ordentlich zu erledigen.“ Zum Ausgleich dafür sitzt er oft auf seinem alten Motorrad, einer Yamaha Virago 1100, und er geht auch gerne aufs Segelboot. „Von Kärnten fahre ich nur zwei Stunden ans Meer“, erzählt Hanuna, der vor allem den Inselreichtum Kroatiens als Segelrevier genießt. Auf dem Boot kann er richtig abschalten und seinem Lebensmotto „Nur keinen Stress aufkommen lassen“ frönen.
Schnelle Entschlüsse
Hanuna ist ausgebildeter Physiotherapeut, arbeitet auch heute noch nebenberuflich in dieser Profession. „Ich würde aber für einen Physiotermin nie einen Betriebsratstermin verschieben“, stellt er sofort klar. In Slowenien geboren, wuchs Hanuna in der syrischen Millionenmetropole Damaskus auf, sein Vater ist stolzer Palästinenser, seine Mutter stammt aus Slowenien. Seine Muttersprachen sind Slowenisch und Arabisch. „Meine Matura habe ich noch in Syrien gemacht, zum Studium ging ich nach Ljubljana“, erzählt der studierte Physiotherapeut. Seit Oktober 1989 lebt und arbeitet er in Kärnten, damals mit 27 Jahren sprach er noch kein Wort Deutsch. „Die Sprache habe ich ab dem ersten Arbeitstag gelernt, berichtet er nun in breitem Kärntner Dialekt. „Man muss für eine Sprache offen sein und sie auch lernen wollen, anscheinend habe ich auch die Ohren dafür, das ist nicht nur meine Leistung, sondern auch mein Glück.“
„Denn einer Wahl stellt man sich nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil man was bewegen will“.
Valid Hanuna
In seinem Leben hat er öfter Dinge schnell entschlossen angepackt. So agierte er nicht nur beim Umzug nach Kärnten, sondern auch bei der Frage, ob er Betriebsrats-Vorsitzender werden möchte. „Hätte man mir das eine Woche vorher gesagt, dann wäre meine Antwort gewesen: nie im Leben.“ Er war damals Nummer vier auf der Liste. Da die Listenführerin aus dem Betrieb ausgeschieden ist und die Zweit- und Drittplatzierten nicht wollten, hat Hanuna das Amt des Betriebsratsvorsitzenden übernommen: „Denn einer Wahl stellt man sich nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil man was bewegen will“. Inzwischen sind 19 Jahre vergangen. Die Entscheidung hat er nie bereut, er hat sogar sein Engagement erweitert: „Seit 15 Jahren bin ich auch Mitglied des Kernverhandlungsteams des Kollektivvertrages der Sozialwirtschaft Österreichs und stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches 17 (Gesundheit und Soziales) in der Bundes GPA.“
Auch seinen zwei inzwischen erwachsenen Kindern Jan und Maja würde er nicht vom Weg in den Betriebsrat abraten, wenn sie daran Interesse hätten. „Sie müssen bereit sein, Zeit dafür zu investieren und auch lernen sich durchzusetzen“. Einen Job im Sozialbereich würde er aber seinen Kindern nicht empfehlen: Denn trotz aller Beteuerungen aus der Politik, scheint sich nicht viel zu verändern. „Für die HeldInnen des Tages gibt es Applaus, doch davon alleine kann man nicht leben.“ Zwar ist das Ansehen in den Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsberufen gestiegen, doch es gibt keine Bereitschaft dafür mehr Geld zu investieren.
Endlich Taten setzen!
„Bei uns soll es laufen wie es immer gelaufen ist, heißt es. Das funktioniert aber nicht mehr, egal ob in der Pflege oder in der Kinderbetreuung. Wir haben uns einen höheren Stellenwert verdient, derzeit sind wir am Ende der Nahrungskette“, kritisiert Valid Hanuna. „Doch gerade in der Krise hat man gesehen, dass wir die Gesellschaft tragen.“ Um der Sozialwirtschaft gerecht zu werden, die Sozialleistungen langfristig abzusichern und genügend Fachkräfte für diesen Bereich zu lukrieren, muss der Staat ein ganz neues Konzept erstellen und adäquate Rahmenbedingungen gewährleisten. „An kleinen Rädern zu drehen, reicht nicht mehr!“. Die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden spielt dabei eine genauso gewichtige Rolle wie die Erhöhung des Lohns: „Die KollegInnen sind von ihrer Arbeit so geschafft, dass es vielen einfach um Erholung geht“, erklärt Valid Hanuna. Den Worten sollen endlich einmal Taten folgen.
Worte Reichen nicht – die Forderungen der GPA für den Sozialbereich:
- Ein monatlicher steuerfreier Bonus von 150 Euro für Beschäftigte im privaten Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich als Anerkennung für zusätzliche Schwerstarbeit.
- Generell wird natürlich auch eine bessere Bezahlung gefordert.
- Ein zusätzlicher freier Tag pro Monat für alle. Dieser Erholungstag soll gemeinsam mit der Wochenendruhe konsumiert werden.
- Die GPA-Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bleibt aufrecht.
- Helfende Hände fehlen! Die GPA setzt sich für die Schaffung von 20.000 Arbeitsplätzen im Support-Bereich ein: Jobs werden vom Träger bereitgestellt, von der öffentlichen Hand finanziert. Das qualifizierte Personal soll um 20 Prozent aufgestockt werden.
- Ohne PraktikantInnen gibt es in Betrieben keine reibungslosen Abläufe. Eine faire Bezahlung von zumindest 950 Euro soll endlich Gerechtigkeit schaffen.
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