Mehr Zeit für die Seele

V.l.n.r. Jennifer Gürtenhofer, Ria Brandlhofer, Christian Hennefeind.

Im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser wird auf die 37-Stunden-Arbeitswoche umgestellt. Die meisten MitarbeiterInnen profitieren davon. Damit aber mehr Menschen in die Pflege- und Gesundheits- Branche wechseln, müssen weitere Rahmenbedingungen verändert werden.

Ab Jänner 2022 gilt auch im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) die 37-Stunden-Arbeitswoche. In das Projekt ist besonders Jennifer Gürtenhofer, interimistische Abteilungsleiterin Personalverrechnung im KWP, involviert. „Die operative Umsetzung im Bereich Human Ressources war massiv“, erklärt Gürtenhofer. „Wir haben die Dienstpläne, die Zeiterfassung wie Zeitbewertung und alle Systeme, die wir benutzen, anpassen müssen.“

KWP-Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Ria Brandlhofer wurde in diese Vorbereitungen eng eingebunden. Mit ihr wurden aktuelle Fragen besprochen, sie kann ihre Anliegen auch bei der Anpassung der Dienstpläne einarbeiten. Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) verfügt über einen hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten – von den rund 4800 Menschen arbeiten 45 Prozent in Teilzeit. Jennifer Gürtenhofer: „Ein großer Teil unserer TeilzeitmitarbeiterInnen wird ab 1. Jänner die Arbeitszeit aufstocken.“ Geschäftsführer Christian Hennefeind verweist auf straffere Arbeitsabläufe, die mittels vereinfachter digitaler Dokumentation erreicht wurden. Dass sich die Optimierung nicht negativ auf die MitarbeiterInnen auswirkt und bloß zu Arbeitsverdichtung führt, darauf achtet auch der Betriebsrat. Die Digitalisierung soll die MitarbeiterInnen dabei unterstützen, mehr Zeit direkt mit den KundInnen zu verbringen. Hennefeind: „Wir werden sicher hier keine Pflegeroboter haben, die den Menschen die Arbeit wegnehmen“.

„Ein großer Teil unserer TeilzeitmitarbeiterInnen wird ab 1. Jänner die Arbeitszeit aufstocken.“

Jennifer Gürtenhofer

Hilfe annehmen und darüber reden

Zwei Monate im Voraus stehen die Dienstpläne fest, die teils von der Belegschaft mitgestaltet werden können, um die Freizeitplanung besser anzupassen. Freilich können auch Dienste getauscht werden. Doch natürlich hat die COVID-Pandemie auch in den Pensionisten-Wohnhäusern zu einer Ausnahmesituation geführt. „Manche KollegInnen wollten so nicht mehr weiter arbeiten, weil ihnen einfach alles zu viel wurde“, weiß Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Brandlhofer. Doch trotz enormer Belastung sind die meisten noch heute beim KWP beschäftigt. In der Pandemie haben die KollegInnen gut zusammengehalten, darauf haben auch die Führungskräfte geachtet. Ria Brandlhofer, diplomierte Sozialarbeiterin und seit 15 Jahren im Kuratorium Pensionisten-Wohnhäuser beschäftigt, versteht ihre KollegInnen: „Wenn die Dienste schlecht besetzt sind, etwa wegen Krankenständen, wird der Ruf nach mehr Personal lauter“.

Gerade in Zeiten mit solchen Stressfaktoren ist die Führung extrem wichtig, deshalb werden Coaching und Supervision angeboten. „Wir unterstützen unsere Führungskräfte mit diversen Programmen, damit sie ihre Rolle auch ausüben können und das Ohr beim Mitarbeiter haben“, berichtet Geschäftsführer Hennefeind. In dieser schwierigen Phase wird die Supervision vermehrt angenommen. Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Brandlhofer: „Wenn es Probleme gibt, darf jeder Mensch Emotionen haben und die müssen bisweilen auch raus – es ist aber wichtig, darüber zu reden“.

„Manche KollegInnen wollten so nicht mehr weiter arbeiten, weil ihnen einfach alles zu viel wurde“

Ria Brandlhofer

BewohnerInnen werden immer älter

Im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser können an 29 Standorten rund 8500 ältere Menschen im betreuten Wohnen, in Apartments und in Pflege-Stationen unterstützt werden. Ziel ist es, dass die Menschen fit und selbstbestimmt alt werden. Das Durchschnittsalter der BewohnerInnen wird immer älter. Deshalb treten im Vergleich zu früher mehr Demenzerkrankungen und psychische Erkrankungen auf. Damit umzugehen ist für alle Beteiligten schwierig, freilich auch für die diplomierten PflegerInnen: sie müssen schnell Entscheidungen treffen, haben damit große Eigenverantwortung und bauen während einer Langzeitpflege auch ein intensiveres Verhältnis auf. Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Ria Brandlhofer: „Mit Unterstützung des Arbeitgebers muss die Distanz trotzdem gewahrt bleiben, Abgrenzung und wie ich damit umgehe ist ein entscheidendes Thema“.

Mit viel Engagement sorgt die Belegschaft für ein gutes Gefühl, Normalität und Geborgenheit bei den KWP-BewohnerInnen, auch in den Hochzeiten der Pandemie wurden die Menschen nicht alleine gelassen. Doch auch immer mehr Angehörige haben eine betreuende Rolle, die Kommunikation mit diesen Verwandten wird damit jedenfalls nicht einfacher, sie ist immer wieder herausfordernd – für das Personal heißt das: Erfahrung in der Gesprächsführung ist unerlässlich. Auch darum: wer in der Sozialwirtschaft arbeitet, muss bereits in der Ausbildung dafür fit gemacht und trainiert werden.

Rahmenbedingungen diskutieren

Die 37-Stunden-Arbeitswoche soll Menschen in den Betrieben halten und ein Anreiz für neue BewerberInnen sein. Dass Vordienstzeiten angerechnet werden, sieht die Zentralbetriebsrats-Vorsitzende ohnehin als attraktiven Bonus des KWP. „In Kooperation mit den Gewerkschaften wollen wir uns auch ansehen, was die 37-Stunden-Arbeitswoche bringt – Ende des ersten Quartals werden wir Ergebnisse auswerten können“, erklärt Geschäftsführer Hennefeind. Um den erhöhten Pflegebedarf, der in Zukunft ansteht, zu meistern, gilt aber auch: „Wir müssen und wollen mit den Gesetz- und Geldgebern über Rahmenbedingungen, also Personal und finanzielle Mittel, diskutieren“, macht es Christian Hennefeind deutlich.

„In Kooperation mit den Gewerkschaften wollen wir uns auch ansehen, was die 37-Stunden-Arbeitswoche bringt – Ende des ersten Quartals werden wir Ergebnisse auswerten können“

Christian Hennefeind

Dafür muss es auch Menschen geben, die sich für diese Berufe überhaupt qualifizieren wollen. Deshalb haben sich Fonds Soziales Wien, FH Campus Wien und der Wiener Gesundheitsverbund zur „Pflege Zukunft Wien“-Ausbildungsoffensive zusammengeschlossen sie schaffen damit 2.000 Ausbildungsplätze.

Wer in Zukunft pflegen wird

Wichtig ist es die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen, die Anpassung der Arbeitszeitmodelle an die Bedürfnisse der Menschen ist dabei ein wichtiger Schritt. „Wir sollten darauf schauen, in welcher Lebensphase unsere MitarbeiterInnen stecken und darauf Rücksicht nehmen, ob die Arbeitszeiten für die Betreuung der eigenen Familie oder für Weiterbildung passen“, ergänzt Geschäftsführer Hennefeind. Praktika sollen an das Berufsbild besser angepasst werden, die zukünftigen KollegInnen sollen in der Ausbildung von Anfang an erfahren, was tatsächlich gefordert wird. Und auch Zentralbetriebsrat-Vorsitzende Brandlhofer hofft auf eine Pflegereform, die schnell umsetzbar ist und auch wirklich funktioniert.

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