Sich gesellschaftlich zu engagieren, ist für Amela Bousaki sehr wichtig. Als Kind musste sie aus ihrer Heimat fliehen und arbeitet nun beruflich für Geflüchtete. Seit letztem November ist sie Betriebsratsvorsitzende und hat ein offenes Ohr für ihre KollegInnen.
Zur Hilfsorganisation Caritas hat Amela Bousaki schon von jeher ein enges Verhältnis: „ Denn meine Mutter hat dort als Flüchtlingsbetreuerin gearbeitet”, erzählt Bousaki, die seit vergangenem November Betriebsratsvorsitzende des Bereiches „Hilfe in Not“ der Caritas Wien ist.
Was „Hilfe in Not“ bewirken kann, weiß Amela Bousaki aus eigener Erfahrung – im Alter von fünf Jahren flüchtete sie 1992 zu Beginn des Bosnienkrieges mit ihrer Mutter aus der stark umkämpften Heimatstadt Brčko – im Norden von Bosnien und Herzegowina – nach Niederösterreich.
Gute Erfahrungen
Angekommen in Österreich war damals „die Situation ein bisschen anders als heute“, erinnert sich Bousaki. „Es wurden uns zwar keine Deutschkurse angeboten, dafür konnte meine Mutter aber gleich arbeiten gehen“. Inzwischen haben die Flüchtlinge keinen freien Zugang zum Arbeitsmarkt, (bei den Geflüchteten aus der Ukraine soll der freie Zugang wieder gelten). Doch in den 1990er-Jahren fühlte sich – zumindest ein Teil des Landes – mit den Vertriebenen verbunden. „Die Leute sagten uns, wir wären Gäste Österreichs, denn schließlich waren wir einst ein gemeinsames Land“. Abweisend und fremdenfeindlich hatte sie Österreich damals nicht erlebt: „Kein Vergleich zu 2017 und wie die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen da gekippt ist“, erklärt Bousaki. Schon bald nach der Flucht, fing Bousakis Mutter mit der Tätigkeit bei der Caritas in Neudörfl (Bezirk Mattersburg) im Burgenland an. „Ich wollte bald auch so wie sie mit Menschen arbeiten“, erzählt die Betriebsratsvorsitzende. Schon als 15-jährige Schülerin absolvierte sie ihr erstes Ferialpraktikum bei der Caritas. Nach dem Studium der Beratungswissenschaften – Bousaki schloss mit einem Master ab – begann sie dann auch hauptberuflich für die Caritas zu arbeiten.
Dort wurde sie dann in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt: Unterbrechungen gab es wegen einer Bildungskarenz und aufgrund eines einjährigen Auslandsaufenthaltes in den USA. Am 1. April 2015 startete sie dann in der mobilen Flüchtlingsbetreuung.
„Durch die Gespräche bekomme ich mit, was die Leute beschäftigt“
Amela Bousaki
Enger Kontakt wichtig
Etwas mehr als 1.400 MitarbeiterInnen vertritt die Betriebsratsvorsitzende bei „Hilfe in Not“. Ihr Engagement im Gremium hat 2019 begonnen. Damals kam der Betriebsrat auf sie zu, nachdem sie ein arbeitsrechtliches Problem hatte und es selber lösen konnte. „Ich glaube, dass hat den damaligen Vorsitzenden imponiert. Er hat mich gefragt ob ich nicht mitmachen möchte, er sieht Potenzial in mir“. Vor Ort bei den MitarbeiterInnen zu sein, und ihnen zuzuhören, das ist für die 35-Jährige ein wichtiger und geliebter Teil ihres Jobs. „Durch die Gespräche bekomme ich mit, was die Leute beschäftigt“, berichtet Amela Bousaki.
Zu viel und zu wenig Arbeit
In den letzten Jahren änderten sich oft die Arbeitsumstände. Gab es vor Corona extreme Arbeitsbelastungen wo zeitweise zwei MitarbeiterInnen ein Heim für 200 Menschen betreuten, so gab es durch die Pandemie bedingt, einen Abbau der Arbeitsplätze. „Durch Corona kamen weniger Flüchtlinge nach Österreich und es mussten daher weniger Menschen betreut werden“, sagt Bousaki. Sie versuchte für die betroffenen KollegInnen neue Arbeit innerhalb der Caritas zu organisieren. „Nicht bei jedem ist das gelungen. Wir haben daher einen Sozialfonds für KollegInnen in Not gegründet.“
Nun haben sich durch die Ukraine-Krise die Vorzeichen in kurzer Zeit verändert. Gemeinsam mit anderen Organisationen wurden Betreuungszentren aufgestellt, Schlafunterkünfte geschaffen, Beratungen angeboten Sachspenden organisiert und verwaltet und zwei Zentren für Geflüchtete eröffnet. Zwar gibt es jetzt Stress pur aber „Andererseits ist die Stimmung gut, weil die MitarbeiterInnen mitbekommen, dass die Caritas Gutes bewirkt“. Doch auch für die Helfenden sind die Schicksale der Geflüchteten belastend und lassen sich nicht einfach so abschütteln.
„Wir haben lange dafür gekämpft und sind auch dafür auf die Straße gegangen. Immerhin bringt die 37 Stunden-Woche etwa sechs Tage Urlaub mehr im Jahr.“
Amela Bousaki
Professionalität in ihrer Funktion als Betriebsrats -Vorsitzende ist Amela Bousaki sehr wichtig. Sie nützt dabei auch die Angebote der ArbeitnehmerInnen-Organisationen. So absolvierte sie auch neben ihrer Arbeit die Gewerkschaftsschule. „Ich investiere viel Zeit in meine Ausbildung und lerne auch viel.“ Der enge Kontakt zum GPA-Regionalsekretär Karl Humpelstetter gehört auch dazu. Bousaki: „Wir sind in regem und intensivem Austausch, er steht uns immer mit Fachwissen zur Seite, bei vielen neuen Regelungen muss aber oft auch das Bauchgefühl mitentscheiden“. Die Vernetzung mit KollegInnen u.a. vom Roten Kreuz oder der Volkshilfe ist ebenfalls wichtig, etwa wenn es um die Umsetzung der seit Jänner möglichen 37-Stunden-Arbeitswoche geht. „Wir haben lange dafür gekämpft und sind auch dafür auf die Straße gegangen.“ Immerhin bringt die 37 Stunden-Woche in einer Branche, die seit jeher unter ihrer Arbeitslast stöhnt, etwa sechs Tage Urlaub mehr im Jahr.
Das gute Gefühl, einfach stolz zu sein
Bis vor kurzem trug die Betriebsratsvorsitzende noch ihren Mädchennamen Musanovic, im letzten Oktober hat sie aber geheiratet. Ihr Mann Milad führt einen kleinen Handyshop in Wien: „Ich bin sehr, sehr stolz auf ihn, denn mein Mann ist als Asylwerber aus dem Iran nach Österreich gekommen und hat hier weder Menschen noch die Sprache gekannt, er war alleine und hat für sich gekämpft“, erzählt Amela Bousaki. In den ersten Monaten ihrer Ehe haben sie sich relativ selten gesehen. Denn beide lebten in Wiener Neustadt und pendelten zu ihrer Arbeit nach Wien. Unter der Woche kamen beide von der Arbeit oft erst um 21 Uhr nach Hause, am Wochenende hatte Amela Bousaki oft Termine als Gemeinderätin (für die SPÖ) wahrzunehmen.
„Als Betriebsrats-Vorsitzende habe ich eine große Verantwortung, diese Arbeit ist intensiv und eine große Herausforderung.“
Amela Bousaki
Dieses Amt legte sie im März zurück. Ihre Schwerpunkte waren Integration, Frauenanliegen und Soziales. „Ich war immer schon politisch aktiv – das habe ich aus meinem Elternhaus mitbekommen. Wir haben sehr darunter gelitten, dass Jugoslawien zerfallen ist“, erzählt die gebürtige Bosnierin „Ich habe die Sozialdemokratie zu Hause erlebt und mich mit 15 Jahren zu engagieren begonnen. Das war mir wichtig. Mir ist immer das Kollektiv wichtig, auch hier. Ich denke mir: Nur gemeinsam sind wir stark und nur gemeinsam können wir viel voranbringen.“ Doch als Integrationssprecherin in Wiener Neustadt war es sehr schwierig, denn das Stadt-Ressort gehört der FPÖ. „Ich wurde oft abgeblockt, konnte wenig Voranbringen“, erklärt Bousaki. Durch die Übernahme des Betriebsrat-Vorsitzes bei der Caritas hat sich nun ihr Dienstort von Niederösterreich nach Wien verlagert. Und deshalb ist das Ehepaar auch nach Wien umgezogen. „Als Betriebsrats-Vorsitzende habe ich eine große Verantwortung, diese Arbeit ist intensiv und eine große Herausforderung. Deswegen habe ich mich als Gemeinderätin zurückgezogen. Ein politischer Mensch bleibe ich aber und ich werde mich weiterhin engagieren.“