Barbara Koller will als Vorsitzende des Betriebsrates der Volkshilfe Salzburg die Frauen aus der Teilzeitfalle locken und den Beschäftigten bei rechtlichen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Für die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft hat sie ein klares Ziel: Den Menschen muss deutlich mehr Geld im Börsel bleiben.
Barbara Koller begann bald nach ihrer Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten in einem Verein für Kinder mit geistiger und körperlicher Behinderung zu arbeiten. Über eine Arbeitskollegin hatte sie erfahren, dass in einer nahen Sonderschule, in der behinderte Kinder betreut werden, MitarbeiterInnen für die pflegerische Assistenz gebraucht werden. Koller blieb 20 Jahre bei dem Verein, engagierte sich immer stärker als Behindertenbetreuerin und übernahm in einer Ausnahmesituation die Verantwortung als Betriebsratsvorsitzende: „Unser damaliger Vorsitzender wurde von einem Tag auf den anderen gekündigt und war nicht mehr greifbar. Wir waren rund 100 MitarbeiterInnen, ohne jemanden, der rasch einspringt, wäre alles zusammengebrochen.“ Zu Beginn fühlte sich die neue Aufgabe, die sich für Koller „aus heiterem Himmel ergeben hat“ ungewohnt und ein wenig waghalsig an: „Ich hatte sofort die volle Verantwortung, ohne Schulungen oder das nötige Fachwissen.“ Rasch besuchte die junge Vorsitzende den Grundkurs für BetriebsrätInnen, der ihr inhaltliches Basiswissen und die entsprechende Sicherheit im Umgang mit den Problemen der Beschäftigten gab. Auch der kooperative Chef, der „geschaut hat, dass es an den Schulen gut läuft“, war für sie wichtig.
Als der Verein 2013 von der Volkshilfe übernommen wurde, blieb Koller Teil des betriebsrätlichen Teams: „Ich konnte unsere Schule bestens vertreten, weil ich mich sehr gut mit den uns betreffenden Rechtsgebieten wie beispielsweise den Ferienregelungen ausgekannt habe. Wir haben aber auch als Team gut funktioniert.“ In den Folgejahren wuchsen die Anforderungen an die Betriebsrätin, es gab Umstrukturierungen und Koller etablierte sich als stellvertretende Vorsitzende: „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue MitarbeiterInnen haben sich verändert. Ich war immer stärker gefordert zu beraten und zu erklären, was das für jede einzelne KollegIn bedeutet.“
Vertretung für 550 Beschäftigte
Im März 2020 avancierte Koller zur Vorsitzenden des Betriebsrates, war auf einen Schlag für 550 MitarbeiterInnen zuständig und für ihre facettenreiche Arbeit freigestellt: „Wir setzen uns für viele verschiedene Berufsgruppen ein: unsere BüromitarbeiterInnen, Haushaltshilfen, Beschäftigte in der Hauskrankenpflege und der mobilen Pflege, persönliche AssistentInnen an Pflichtschulen und in der Freizeit, Ferienbetreuer sowie für Beschäftigte in der psychosozialen Rehabilitation und im betreuten Wohnen.“
„Die aktuelle Teuerungswelle ist für die Beschäftigten ein großes Problem.“
Barbara Koller
Kollers Arbeitsalltag besteht aus vielen Gesprächen, Kontakten und Vernetzungen: „Ich rede ausführlich mit den KollegInnen, tausche mich intensiv mit den GewerkschaftssekretärInnen in Salzburg aus und habe auch eine sehr gute Basis der Zusammenarbeit mit der Chefetage der Volkshilfe.“ Ein österreichweiter Austausch findet bei regelmäßigen Treffen aller Volkshilfe-Betriebsratsvorsitzenden statt. Als Vertreterin des Wirtschaftsbereiches „Gesundheit und Soziales“ registriert Koller bei den Beschäftigten aktuell wachsende Besorgnis über die stark steigenden Preise in vielen Lebensbereichen: „Unser akutes Problem sind derzeit die explodierenden Spritpreise. Die MitarbeiterInnen im Außendienst spüren diese Teuerungen enorm.“
Auch firmenintern bzw. mit dem Land Salzburg wird derzeit nach Möglichkeiten zur Unterstützung bzw. nach einem Ausgleich der Teuerungen gesucht. Gespräche dazu haben kürzlich gestartet, Koller setzt dabei auf die Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, die ähnliche Probleme haben: „Auch Beschäftigte anderer Träger im Gesundheits- und Sozialbereich leiden unter den steigenden Benzinpreisen. Die Verteuerungen sind ein harter Brocken für die Menschen, wir gehen gemeinsam mit anderen Organisationen in der Branche in die Verhandlungen und hoffen auf Unterstützung durch das Land Salzburg.“
Faire Zulagen für alle
In einigen Bereichen sind Koller bereits Lösungen in Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung gelungen: „Es gab den Unzustand, dass nicht alle Beschäftigten die gleichen Zulagen bekommen haben: Persönliche AssistentInnen, die an Sonderschulen in der Pflege tätig sind, bekamen eine Zulage, jene an den Pflichtschulen nicht.“ Mit Unterstützung ihrer Chefs hat sich Koller beim Land Salzburg um Förderungen bemüht – nun bekommen alle persönlichen AssistentInnen die gleichen Zulagen. Auch für ZeitarbeiterInnen hat die engagierte Betriebsrätin mit Unterstützung des ÖGB Wien Verbesserungen erreicht: „Diese Beschäftigten sind nun alle in Verwendungsgruppe 4 eingestuft, das bringt konkrete finanzielle Verbesserungen.“
Obwohl die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung grundsätzlich gut funktioniert, sieht Koller phasenweise Verbesserungsbedarf im Informationsfluss: „Über manche Themen werden wir sehr spät informiert, im Großen und Ganzen finden wir BetriebsrätInnen aber Gehör.“
„Die Unterstützung der KollegInnen macht mir Freude, wenn Fehler passieren helfe ich, diese auszubügeln.“
Barbara Koller
Die Pandemie hat die Arbeit der Betriebsrätin nicht gerade erleichtert: „Die veränderten Umstände beschäftigen uns immer noch sehr. Themen wie die Notwendigkeit von Kurzarbeit oder Homeoffice-Regelungen haben sich in den Vordergrund gedrängt – viele andere Themen sind liegen geblieben.“ Obwohl die Kurzarbeit beim Land beantragt wurde, wurde die Regelung von den Beschäftigten der Volkshilfe letztlich nicht genutzt: „Das Land hat uns nicht in Kurzarbeit geschickt, alle haben das volle Gehalt bekommen. Die Details der Arbeitsumstände in der Pandemie sind von den Schulen und DirektorInnen geregelt worden.“ Verhandelt wurde die Regelung trotzdem – für Koller eine wichtige Erfahrung, letztlich aber doch leere Kilometer: „Das war ziemlich viel Arbeit.“
Kraftquelle Betriebsratsarbeit
Die Arbeit als Betriebsratsvorsitzende ist für Koller „eine Kraftquelle, die Freude macht: Es ist schön, wenn man die KollegInnen unterstützen kann. Oft geht es nur um Kleinigkeiten, aber wenn jemand ein Problem hat und man schafft, es zu erledigen, das ist ein tolles Gefühl.“ Koller bezeichnet sich selbst als „Probleme-Wälzerin“: „Wenn Fehler passieren möchte ich helfen, diese wieder auszubügeln.“ Oft geht es dabei um rechtliche Fragen, etwa wenn ein Kind krank ist und die Beschäftigten nicht wissen, bis wann und bei welcher Stelle der benötigte Pflegeurlaub zu melden ist. In solchen Fragen gibt Koller den KollegInnen Orientierung, sie will Ansprechperson für alle Fragen sein, bei denen sich die Beschäftigten „akut nicht auskennen“ oder „wenn sie nicht wissen, wie sie sich arbeitsrechtlich am besten verhalten sollen“. Um weiter auf dem Laufenden zu bleiben drückt Koller aktuell wieder die Schulbank und absolviert einen dreimonatigen Betriebsrats-Lehrgang zum Thema Arbeitsrecht.
„Die Kollektivvertragsverhandlungen werden eine spannende Herausforderung – darauf freue ich mich.“
Barbara Koller
Die vielfältige und abwechslungsreiche Tätigkeit als Betriebsrätin hat in Koller die Überzeugung gefestigt, dass es wichtig ist, offen für neue Herausforderungen zu bleiben. So sieht sie den kommenden Kollektivvertragsverhandlungen für die Sozialwirtschaft, die im Sommer starten werden, mit gespannter Neugier entgegen: „Ich war noch nie bei KV-Verhandlungen dabei und weiß nicht genau, was mich da erwartet. Ich habe aber das klare Ziel, ein höheres Gehalt für die sozialen Berufe zu verhandeln um die massiven Teuerungen abzufedern.“ Eine weitere Absenkung der Arbeitsstunden hält Koller in der Branche, in der rund 90 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit arbeiten, für gut, aber nicht für „allein zielführend: Die Leute brauchen mehr Marie im Börserl.“ Grundsätzlich will Koller vor allem Frauen darin unterstützen „aus der Teilzeit rauszukommen und wieder mehr zu arbeiten, sobald es die familiäre Situation erlaubt: Wenn die weiblichen KollegInnen zu lange in Teilzeit bleiben, schlägt sich das in niedrigen Pensionen bis hin zu steigender Altersarmut bei Frauen nieder.“ Kollers Lösungsansatz dazu: ein verpflichtendes Pensionssplitting.
Wie sie sich als Verhandlerin schlagen wird kann Koller nicht einschätzen, sie ist sich aber sicher: „Es macht mir Spaß, in unbekanntes Terrain oder neue Themen hinein zu schnuppern.“
Zur Person:
Barbara Koller ist 57 Jahre alt und wohnt im salzburgischen Köstendorf am Wallersee. Sie hat drei Söhne. In Ihrer Freizeit geht sie gerne Schi fahren.