Täglich acht Stunden arbeiten, fünf Tage die Woche – ein Auslaufmodell? Auch wenn die 40-Stunden-Woche oft noch als die Norm gesehen wird, so wünscht sich inzwischen die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen kürzere Arbeitszeiten. Der Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich beobachtet diese Trends und liefert die Zahlen und Daten dazu.
Seit 25 Jahren analysiert der Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer OÖ die Veränderungen in der Arbeitswelt für die Beschäftigten (siehe Kasten unten). Während in den Jahren vor Corona nur ein kleiner Teil der Vollzeitbeschäftigten lieber Teilzeit gearbeitet hätten, ist dieser Anteil nun kräftig gestiegen: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Vollzeitarbeitskräfte sagen laut Umfrage der AK, dass sie lieber weniger Arbeitsstunden leisten würden.
Alle Beschäftigten in Österreich zusammengenommen, quer durch alle Branchen und Berufe, möchten im Durchschnitt um 2,6 Stunden weniger arbeiten. Die Gründe, warum die Menschen kürzer arbeiten wollen, sind psychischer Stress, Überstunden bzw. überlange Arbeitszeiten sowie mangelnde Unterstützung durch die Führungskräfte.
Beim Pflegepersonal und bei ÄrztInnen ist der Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit besonders groß: Diese Gruppe möchte um mehr als fünf Stunden kürzer arbeiten – nicht überraschend nach 2 Jahren Pandemie und dem zunehmenden Arbeitskräftemangel in dieser Branche!
„Es braucht mehr Geld für den Gesundheits- und Sozialbereich, sowohl für eine bessere Bezahlung, als auch für eine weitere Arbeitszeitverkürzung.“
Barbara Teiber
Auch die GPA plädiert bereits seit mehreren Jahren für eine Reduzierung der Arbeitszeit, insbesondere in den Gesundheitsberufen. Erste Erfolge gab es bereits: Bei den KV-Verhandlungen für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich konnte die Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte auf 37 Stunden verkürzt werden. „Es braucht mehr Geld für diese Branche, sowohl für eine bessere Bezahlung, als auch für eine weitere Arbeitszeitverkürzung“, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber, „Nur wenn wir die Branche attraktiver machen, können wir wieder mehr Menschen für diese Berufe gewinnen und den Arbeitskräftemangel beenden.“
Obwohl die Pandemie insgesamt eine enorme Belastung darstellte, arbeiteten viele gut qualifizierte ArbeitnehmerInnen im Homeoffice oder Kurzarbeit und lernten die Vorteile dieser geänderten Arbeitsbedingungen zu schätzen. Andere wiederum nutzten die Zeit, um die Branche zu wechseln und eine Arbeit zu finden, die mehr Lebensqualität versprach, selbst um den Preis von einem geringeren Einkommen. Besonders Handel, Gastronomie und Tourismus leiden seither unter Arbeitskräftemangel, auch zahlreiche andere Branchen und Unternehmen klagen darüber, keine Fachkräfte zu finden.
Nicht für alle leistbar
Doch während die einen lieber kürzer arbeiten würden oder es bereits tun, können sich andere ArbeitnehmerInnen solche Verbesserungen nicht leisten. Der Arbeitsklima-Index hat errechnet, dass sich die Zahl der geringfügigen Beschäftigten seit den 1990er Jahren mehr als verdoppelt hat, die Zahl der Leiharbeitsverhältnisse mehr als verfünffacht. Im Gegensatz zu den ArbeitnehmerInnen mit gutem Einkommen, die ihre Arbeitsstunden reduzieren wollen, möchte jene, bei denen das Einkommen kaum oder gar nicht ausreicht, Stunden aufstocken: Drei von zehn Teilzeitkräften wollen entsprechend mehr Stunden arbeiten.
Außerdem werden immer mehr Menschen in prekäre Jobs gedrängt, auch Arbeitslosigkeit trifft heute mehr ArbeitnehmerInnen als vor 25 Jahren: In den 90er Jahren waren noch 20 Prozent der Beschäftigten über 50 Jahre irgendwann in ihrem Leben arbeitslos, heute sind es bereits 44 Prozent. Besonders ArbeiterInnen im Dienstleistungsbereich und in der Industrie, Menschen mit geringer formaler Bildung, LeiharbeiterInnen und Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverhältnissen müssen sich deutlich öfter Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen.
Frauen und Männer
Die Wunscharbeitszeit der Männer liegt bei durchschnittlich 37,2 Stunden, jene der Frauen 32,2 Stunden. Frauen stellen auch den weitaus größeren Anteil der Teilzeitbeschäftigten, nämlich 80 Prozent. Dieser Anteil ist in den letzten 25 Jahren kräftig gestiegen. Es sind heute zwar deutlich mehr Frauen erwerbstätig, viele von ihnen sind aber eben teilzeitbeschäftigt, da die traditionelle Rollenverteilung in Partnerschaften trotzdem beibehalten wird. Teilzeitbeschäftigung bietet Frauen bessere Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Andererseits fand der Arbeitsklima-Index heraus, dass 51 Prozent der Teilzeitbeschäftigten nicht mit ihrem Einkommen zufrieden sind und zwei Drittel von ihnen kaum oder gar nicht mit dem Einkommen auskommen bzw. auf die Unterstützung der Partnerin/des Partners angewiesen sind. Die Lockdowns während der Pandemie haben noch dazu Branchen mit hoher Frauenbeschäftigung getroffen.
Neben konkreten Maßnahmen, um die Einkommen von Frauen zu verbessern, braucht es daher auch kulturelle Veränderungen. „Kinderbetreuung darf nicht nur in den Händen von Frauen liegen, sondern muss partnerschaftlich aufgeteilt werden. Ein wesentlicher Faktor, dabei ist die Arbeitszeit. Daher muss es in Richtung allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit gehen. Nur so kann Familienzeit geschaffen werden“, fordert Barbara Teiber.
Neue Erwartungen
Die Daten des Arbeitsklima-Index zeigen, dass sich die Erwartungen der ArbeitnehmerInnen derzeit stark verändern. Immer mehr Menschen denken darüber nach, ihre Jobs aufzugeben und die Branche zu wechseln, weil sie von schlechten Arbeitsbedingungen, schlechter Bezahlung und geringer Wertschätzung genug haben.
„Wenn Unternehmer klagen, dass sie keine geeigneten Fachkräfte finden, sollten sie sich die Ergebnisse des Arbeitsklima-Index zu Herzen nehmen.“
Andreas Stangl
„Wenn Unternehmer klagen, dass sie keine geeigneten Fachkräfte finden, sollten sie sich die Ergebnisse des Arbeitsklima-Index zu Herzen nehmen,“ sagt AK-OÖ-Präsident Andreas Stangl mit Blick auf die Ergebnisse der Umfragen. „Denn wenn sie flexibel genug sind, die Erwartungen der Beschäftigten an einen guten Arbeitgeber zu erfüllen, dann werden sie ihre Beschäftigten halten und bei der Personalsuche erfolgreich sein können.“ Von den Rahmenbedingungen ihrer Arbeit würden sich viele Menschen heute etwas anderes als vor 25 Jahren erwarten, so Stangl weiter. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, mobiles, ortsunabhängiges Arbeiten, wenn möglich ein bis zwei Tage Home-Office, oder eine Viertagewoche. Und das bei fairer Bezahlung – gerade in Zeiten massiver Teuerungen!
25 Jahre Arbeitsklima-Index
Seit 25 Jahren analysiert und beschreibt der Österreichische Arbeitsklima-Index die Trends und Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Arbeiterkammer Oberösterreich fragt regelmäßig nach, was die Beschäftigten belastet, was sie sich erwarten, wie es ihnen in der Arbeit geht und wie sich die Arbeitswelt durch die Corona-Pandemie verändert hat.
Die Arbeitswelt ist in diesen vergangenen 25 Jahren deutlich bunter, älter und weiblicher geworden. Zugleich sind aber auch die stabilen und existenzsichernden Jobs, wie es sie bis Ende der 1990er Jahre überwiegend gab, seltener geworden.
In wirtschafts- und sozialpolitischen Diskussionen wird die Sicht der Beschäftigten viel zu wenig berücksichtigt. Der Arbeitsklima-Index liefert die Daten dazu und ist ein Maßstab für den wirtschaftlichen und sozialen Wandel aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen.
Der Arbeitsklima-Index beruht auf vierteljährlichen Umfragen unter österreichischen ArbeitnehmernInnen, mit einer Stichprobe von mehr als 4.000 Befragten. Er wird zweimal pro Jahr berechnet und veröffentlicht, mehrmals pro Jahr gibt es auch Sonderauswertungen.