Im Zweifel lieber gut versichert

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Wir verraten dir, warum die Abschaffung der Österreichischen Gesundheitskasse keine so gute Idee ist.

Für Ferdinand C. aus St. Pölten wurde ein vermeintlicher Traumurlaub im Jahr 2021 zur Belastungsprobe. Wollte Herr C. eigentlich die hohen Temperaturen an einem Kärntner See genießen, überkamen ihn plötzlich Bauchschmerzen, die immer heftiger wurden. Ferdinand C. war beunruhigt und suchte einen Arzt an seinem Urlaubsort auf. Dieser diagnostizierte nach einer genaueren Untersuchung eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse und schicke C. sofort ins Spital, wo er Infusionen bekam. C. wurde später operiert, überstand die Operation gut und konnte sich mittlerweile erholen.
Für Ferdinand C. und seine Familie bleibt dieser Tag mit Schrecken in Erinnerung. Viele Sorgen plagten Ferdinand C. und seine Angehörigen auch rund um die Operation. Über einen Punkt musste sich Familie C. allerdings keine Sorgen machen: Nämlich, was der medizinische Notfall finanziell bedeutet.

Historie

Zeitsprung. In den Jahren 1888 und 1889 wird die Unfall- und Krankenversicherung in Österreich eingeführt. Bereits zuvor hatten ArbeiterInnen Geld zusammengelegt, um im Falle eines Unfalls die medizinischen Kosten und die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bezahlen zu können. Daraus gingen schließlich die ersten Krankenkassen hervor. Weil die ArbeitnehmerInnen eben immer ihr Geld selbst einzahlten, war es für sie selbstverständlich, es auch selbst zu verwalten. So wurde mit der Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung auch die Selbstverwaltung bewahrt, also die Verwaltung der Beiträge durch ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Wobei bis zur türkis-blauen Regierung 2018 die ArbeitnehmerInnen stets die Mehrheit hatten, da sie die Mehrheit der Versicherten und den Großteil der Finanzierung stellen.

Heute ist die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) für 7,3 Millionen Menschen, den Großteil der ArbeitnehmerInnen sowie PensionistInnen, in Österreich die gesetzliche Krankenversicherung. Zuletzt wurden politische Vorschläge eingebracht, die ÖGK abzuschaffen und die Gesundheitsversorgung Sache der Länder sein zu lassen. Und das bringt uns wieder zu Ferdinand C. aus St. Pölten, der in Kärnten eine eintzündete Bauchspeicheldrüse hatte.

Die Österreichische Gesundheitskasse verhandelt mit allen Länderärztekammern Verträge aus und der Dachverband der Sozialversicherungen verhandelt mit Pharmaunternehmen die Preise von Medikamenten. Die Länder sind zuständig für den Erhalt der Spitäler. Dass Herr C. also mit seiner E-Card problemlos zum Kärntner Arzt gehen konnte, ist Verdienst der ÖGK, die entsprechende Verträge abgeschlossen hat. Dass die Medikamente, die Herr C. nach der Operation bekam, in ausreichendem Maße vorhanden waren und für die BeitragszahlerInnen einen verträglichen Preis hatten, ist ebenfalls Leistung der Sozialversicherung. Die Länder wiederum kaufen für ihre Spitäler alle selbst ein – es gibt keine gemeinsame Einkaufsorganisation aller Bundesländer, die aufgrund größerer Mengen kleinere Preise erreichen könnte.

Selbstverwaltung

Leistungen aus der Krankenversicherung werden aus den Beiträgen bezahlt, die ArbeitnehmerInnen von ihrem Gehalt einzahlen. Wofür diese Einnahmen verwendet werden, entscheidet die Selbstverwaltung aus ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen.

Die Länder finanzieren die Spitäler aus Steuermitteln. Diese Steuermittel nehmen sie nicht selbst ein, sondern bekommen sie im Zuge des sogenannten Finanzausgleichs vom Bund, an den die Steuern bezahlt werden. Die Spitalsversorgung ist also gleich von zwei Stellen abhängig: Einer Landesregierung, die ausreichend Geld investiert und einer Bundesregierung, die dafür ausreichend Geld zur Verfügung stellt. Bundes- oder Landesregierungen, die einem Sozialstaat kritisch gegenüberstehen oder mehr auf Privatversicherungen und damit gute medizinische Leistungen nur für Gutverdienende setzen, könnten dem Gesundheitssystem erheblichen Schaden zufügen. In Österreich wird alle paar Jahre gewählt, fast in jedem Jahr findet eine Nationalrats- oder Landtagswahl statt. Politische Beschlüsse folgen besonders in Zeiten von Wahlkämpfen nicht immer dem reinen Prinzip der Logik. Die Sozialpartnerschaft in der Sozialversicherung sorgt für Stabilität, weil die VertreterInnen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen nicht dem politischen Tagesgeschäft unterworfen sind.

Einheitliche Versorgung

Ferdinand C. bekam beim Arzt in Kärnten die gleichen medizinischen Leistungen, die er auch zuhause in Niederösterreich erhalten hätte. Wären die Länder für die Versorgung bei ÄrztInnten zuständig, dann wäre das keinesfalls selbstverständlich. In Österreich gibt es nach wie vor 9 verschiedene Jugendschutzgesetze, obwohl sich die Länder nur untereinander einig werden müssten. Wären die Bundesländer auch für die Versorgung durch niedergelassene ÄrztInnen zuständig, dann müssten sich nicht nur die 9 Länder einig werden, sondern sie müssten sich auch mit 9 Ärztekammern einigen.

Selbstverständlich ist auch in der Gesundheitskasse bei weitem nicht alles eitel Wonne. Dass die ArbeitgeberInnen aufgrund der türkis-blauen Gesetzesreform das Sagen in der Kasse der ArbeitnehmerInnen haben, ist ein Skandal. Auch die starke Zentralisierung in allen Belangen, die die Sozialversicherung weiter von regionalen Problemfeldern entfernt und Entscheidungsprozesse verlangsamt, sollte rückgängig gemacht und auf ein intelligentes Maß reduziert werden. Eine Privatisierung der eigenen Gesundheitseinrichtungen der ÖGK ist klar abzulehnen, denn Gesundheitsvorsorge muss in öffentlicher Hand bleiben. Und freilich muss das Vertragsrecht überarbeitet werden: Bei Verträgen mit der Ärztekammer oder anderen VertragspartnerInnen braucht es einen Modernisierungsschub, damit flächendeckend eine gute Gesundheitsversorgung für alle, unabhängig vom Geldbörsel, gewährleistet ist. All das kann die Situation verbessern. Der undurchdachte Ruf nach einer Abschaffung der ÖGK kann das nicht.

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