Mit Hartnäckigkeit haben wir schon oft etwas erreicht

Foto: AK Vorarlberg

Als Betriebsratsvorsitzender der Vorarlberger Landesversicherung kennt Fritz Dietrich den Spagat zwischen Druck machen und taktischer Umorientierung. Das Gespür für den richtigen Zeitpunkt ist ihm ebenso eigen wie das Interesse für die Bedürfnisse der Kollegenschaft. Durch seine GPA-Führungspositionen hat er gelernt, in stockenden Verhandlungen neue Wege einzuschlagen.

Fritz Dietrich ist GPA-Landesvorsitzender in Vorarlberg und seit 2007 Betriebsratsvorsitzender bei der Vorarlberger Landes-Versicherung. Der 62-Jährige ist mit dem Unternehmen eng verbunden, vor mehr als 40 Jahren begann er seine Berufskarriere in der Abteilung für Provisionsberechnungen.

Über die Jahre hinweg kam Dietrich mit zahlreichen der rund 200 KollegInnen in der Zentrale aber auch mit Beschäftigten der sieben Außenstellen in Berührung und gewann einen Überblick über ihre Arbeitsabläufe sowie ihre täglichen Probleme. 1986 wurde Dietrich Gewerkschaftsmitglied und arbeitete im Betriebsrats-Kollegium mit. Da er mit der lockeren und unzuverlässigen Arbeitshaltung des damaligen Vorsitzenden nicht gut zurechtkam, trat Dietrich wieder aus dem Betriebsrat aus und blieb als einfaches Gewerkschaftsmitglied im Hintergrund.

Einstieg als Betriebsrats-Vorsitzender

Als der Betriebsratsvorsitzende 2007 in Pension ging, begann Dietrich gemeinsam mit einem zweiten Kollegen über die Gründung einer eigenen Liste nachzudenken. Danach ging es Schlag auf Schlag. Die Liste von Dietrich und seinen KollegInnen stieß auf große Resonanz, sein Team erreichte beim ersten Wahlgang die Mehrheit von drei Listen: „In meinem Team waren einige KollegInnen, die in ihren Abteilungen und Fachbereichen sehr beliebt sind, daher haben wir uns von Beginn an gute Chancen ausgerechnet. Wir wollten diese Wahl gewinnen.“

Nach der erfolgreichen Wahl stand rasch fest, dass Dietrich Vorsitzender wird: „Die Arbeit als Betriebsrat hat mich immer schon interessiert, es gibt viele spannende Themen und Hilfestellungen, die man aktiv anbieten kann. Für mein Team war ich die richtige Person an der Spitze, die Wertschätzung war da und sie haben mir von Beginn an vertraut.“ Einige KollegInnen anderer Listen wurden ins Team integriert, das 5-köpfige Team nahm ein Coaching-Modell der Arbeiterkammer in Anspruch, das Betriebsrats-Gremien bei Neugründungen unterstützt: „So haben wir alle sehr rasch gut zusammengefunden und uns dann sofort voll in die Thematik hineingeworfen.“

Als Erstes hat sich das Betriebsrats-Team eine übersichtliche Struktur verpasst, so dass für die Beschäftigten eindeutig erkennbar war, welches Mitglied AnsprechpartnerIn für welchen Fachbereich ist. „Mit dieser Zielsetzung haben wir das Mandat gewonnen.“ Fortan hat das Team rund um Dietrich bereits einige große Brocken im Interesse der ArbeitnehmerInnen abgearbeitet: Der Essenszuschuss wurde erhöht und der Sozialfonds neu geregelt, auch in den Bereichen Prämienzuschuss und Bildschirmarbeitsplatz-Brille konnten positive Regelungen umgesetzt werden.

„Ich habe eine recht gute Gesprächsbasis mit der Geschäftsführung – wir können über alles miteinander reden.“

Fritz Dietrich

Die Tatsache, dass es rund um die Bildschirmarbeitsplatz-Brille, deren Kosten der Arbeitgeber per Gesetz tragen muss, bis zu einer Lösung zahlreiche mühevolle Diskussionen mit der Geschäftsleitung gab, regt Dietrich wenig auf: „Als Bereichsleiter war ich es gewohnt mit Führungskräften zu diskutieren und Forderungen zu stellen. Wir haben ein recht gutes Gesprächsklima und können über alles miteinander sprechen. Die Verantwortlichen haben sich lange geweigert, letztlich haben wir die Kostenübernahme aber durchgesetzt.“

Zu Themen, die von der Geschäftsführung konstant anders gesehen wurden als vom Betriebsrat haben Dietrich und seine MitstreiterInnen auch schon einzelne Gruppen von Beschäftigten mobilisiert um ihre Interessen durchzusetzen: „Wir haben die Betroffenen in Betriebsversammlungen über ihre Möglichkeiten und Rechte genauestens informiert, in die Themen intensiv eingebunden und dadurch mobilisiert. Gemeinsam hat unsere Forderung dann viel stärker gewirkt.“ Auf diese Weise wurde beispielsweise eine innerbetriebliche Lösung für einen Raucherbereich durchgesetzt. Auch beim Brillenzuschuss wäre ohne Mobilisierung wenig vorangegangen: „Da sind wir eng zusammengestanden.“

Dietrich sieht sich selbst nicht als „Aufheizer“, durch seine Vorstandstätigkeit in einem Sportverein hat er aber „Erfahrungen gesammelt, wie man Stimmungen beeinflussen kann.“ Mit einzelnen MitarbeiterInnen müsse man eher in die Tiefe gehen: „Manche Probleme betreffen nur einzelne KollegInnen, da muss man sehr konkret werden und versuchen, so viel Positives wie möglich herauszuholen.“ Alle Probleme seien zwar nicht lösbar, für den Vorsitzenden sei aber wichtig, dass es „in die richtige Richtung geht“.

Aktuell beschäftigen sich Dietrich und sein Team mit Bezugsumwandlungsmodellen für Dienst-Fahrräder: „Die Firma kauft ein Rad und stellt es dem Beschäftigten zur Verfügung, der so Lohnsteuer spart.“ Bis zur geplanten Umsetzung im Frühjahr muss das Betriebsrats-Team noch einige Stolpersteine aus dem Weg räumen, bis zu seiner geplanten Pensionierung im Frühjahr 2024 will Dietrich das Projekt aber durchbringen: „Im Moment hängen die Verhandlungen fest. Ich hoffe wir schaffen das!“

Ein großes Anliegen ist es Dietrich, die vielen MitarbeiterInnen der Landesversicherung nach den langen, teils einsamen Homeoffice-Phasen während der Pandemie wieder persönlich zusammen zu bringen. Bei einem dreitägigen Betriebsausflug zum 100-jährigen Firmenjubiläum in die Wachau ist das im Frühjahr gelungen: „Wir wollten wieder mal zusammensitzen, plaudern und gemeinsam unterwegs sein.“

„Ich bin gerne Betriebsrat, plaudere mit KollegInnen und unterstütze sie.“

Fritz Dietrich

Eine Betriebsvereinbarung zu einer modernen Homeoffice-Regelung auf Grundlage der Vorschläge der beratenden GPA trat noch vor der Pandemie in Kraft: „Es war mir ein großes Anliegen, die fixe Gleitzeitvereinbarung durch eine flexible Regelung mit vielen Vorzügen für die KollegInnen zu ersetzen. Wir haben gut verhandelt, die MitarbeiterInnen können nun bis zu drei Tage pro Woche von zuhause aus arbeiten.“

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Aktuell beschäftigt sich der Betriebsrat mit einem Gesundheitsgütesiegel der betrieblichen Gesundheitsförderung, das über bisherige Einzelaktivitäten wie Yoga-Kurse, Gesundheitstage oder Impulsvorträge zu diversen Themen hinausgeht: „Wir sind an diesem Thema schon lange interessiert und haben im Frühjahr gemeinsam mit der Geschäftsführung ein Projekt mit externer Begleitung gestartet. Derzeit laufen die Einzel- und Gruppenbefragungen. Ich freue mich auf die Ergebnisse und die daraus resultierenden Maßnahmen.“

Betriebsrat ist Dietrich mit Herz und Seele, weil er gerne mit Leuten zu tun hat: „Ich bin für die KollegInnen da und helfe wo ich kann. Ich kann mich für die Konzeption von Betriebsvereinbarungen begeistern und setze gerne Projekte um.“ Grenzen sind für Dietrich nichts Abschreckendes, sie sind dazu da, dass „man sie akzeptiert oder überwindet. Ich bin noch nie irgendwo aufgelaufen, ich kann rechtzeitig neue Wege einschlagen oder an Kompromissen arbeiten, wenn ich erkenne, dass die alten Pfade nirgendwohin führen.“

Hartnäckigkeit ist für Dietrich, der auch Mitglied des GPA-Bundesvorstandes ist, eine wichtige Eigenschaft: „Manchmal macht es Sinn, ein heikles Thema nach einiger Zeit aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und wieder aufs Tablett zu bringen. Auf diese Weise haben wir nach vielen Jahren den Brillenzuschuss fixiert ohne uns das Gesprächsklima zur Führungsetage zu vergiften.“ Ein wenig abzuwarten mache manchmal mehr Sinn als, etwa durch einen Musterprozess, ein Exempel statuieren zu wollen: „Wenn es darum geht, den Arbeitgeber zu klagen, machen viele MitarbeiterInnen nicht mehr mit.“

Zur Person

Fritz Dietrich ist 62 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern sowie stolzer Opa von zwei Enkeln. In seiner Freizeit macht er gerne Yoga, geht häufig Rad fahren, hin und wieder Ski fahren und mag es, in schnellem Tempo spazieren zu gehen.

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