„Man will und soll sich nicht ausbeuten lassen“

Gerhard Miko ist seit über 50 Jahren Gewerkschaftsmitglied. Im Gespräch mit der KOMPETENZ erzählt er, wie er all die Jahre immer wieder in arbeitsrechtlichen Belangen vertreten wurde, und erklärt, warum es aus seiner Sicht wichtig ist, der Gewerkschaft anzugehören.

KOMPETENZ: Sie sind seit 1971 Gewerkschaftsmitglied. Was hat Sie denn damals, gleich zu Beginn ihrer Berufstätigkeit, dazu bewogen, der GPA beizutreten?

Gerhard Miko: Das hatte mehrere Gründe. Zum einen hatte ich die Gelegenheit, als 14Jähriger vier Wochen im Jugenderholungsheim „Cap Wörth“ am Wörthersee zu verbringen. Einen Teil hat die Gewerkschaft bezahlt, einen Teil die Krankenkasse, auch wenn man nicht schwer krank war, sondern nur etwas untergewichtig, so wie ich damals und man musste selbst nur die Bahnfahrt und ein paar Schillinge pro Tag zahlen. Und ich habe es in der Folge geschafft, noch weitere vier Male so an den Wörthersee zu kommen. Das war ganz einfach super dort. Und auch die Bildung kam nicht zu kurz. Es gab zum Bespiel ein tägliches Kinoprogramm und einmal in der Woche wurde da auch etwas zur Gewerkschaftsgeschichte und zum Thema Arbeitskampf gezeigt. Für mich wurde damals klar, dass Gewerkschaftsmitglied zu sein ein Muss ist.

KOMPETENZ: Sie meinten eingangs, es gab mehrere Gründe. Was hat Sie denn noch dazu gebracht, der Gewerkschaft beizutreten?

Gerhard Miko: Ich habe immer schon viel Zeitung gelesen, den „Kurier“ zum Beispiel jeden Tag nach der Schule, gleich nach dem Mittagessen, zum Ärgernis meiner Mutter, die meinte, ich solle Hausaufgaben machen. Und auch da kamen die Themen Arbeitskampf und Lohngestaltung immer wieder vor, obwohl es damals nicht jeden Tag eine Wirtschaftsseite gab, die oft sogar nur eine halbe war, und meistens eher fad geschrieben. Aber ich habe es trotzdem gelesen. Und als ich dann an meinem ersten Arbeitsplatz war, habe ich zum Betriebsrat gesagt, ich möchte Gewerkschaftsmitglied werden, und er meinte nein, das machen wir erst, wenn die Probezeit vorbei ist.

Mit 1. Jänner 1971 bin ich dann Mitglied geworden – für damals lachhafte 30 Schillinge pro Monat. Und ich wusste, dass man mehr Vorteile genießen kann, als ins Jugend-Erholungsheim zu fahren, auch wenn ich mit 19 noch ein letztes Mal dort war. Das Lustige war, dass danach der Personalchef zu mir kam, und mir sagte, dass ich dafür keinen Urlaub nehmen brauche, weil das als Krankenstand zähle. Das war im Sparkassen-Verlag, dort war ich schließlich mehr als zwölf Jahre beschäftigt.

KOMPETENZ: Sie haben Ihre Berufslaufbahn als Werbetexter begonnen, waren dann Redaktionsassistent, später auch „Blattmacher“ und im Anzeigenverkauf für mehrere Publikationen tätig, bis sie schließlich zur Finanzberatung und zum Versicherungsverkauf gewechselt haben. Immer wieder haben Sie nach Beendigung eines Dienstverhältnisses den Rechtsschutz der GPA in Anspruch genommen. Worum ging es im ersten solchen Fall?

Gerhard Miko: Da gab es ein Zauberwort, das ich damals auch noch nicht kannte. Ein Abteilungsleiter, ein „Sparmeister“, wollte eine Änderung des Dienstvertrages und daher habe ich mich zunächst dazu bei der Arbeiterkammer erkundigt. Das Zauberwort lautete Nicht-Leistungstage, das war aber nur interessant für Leute, die auch auf Provisionsbasis arbeiteten. Man bekommt also ein Gehalt plus gewisse Prozente für alle Abschlüsse. Wenn man aber krank ist oder auch auf Urlaub, kann man kein Geschäft machen. Es gab einen Kollegen, der wirklich sehr oft krank war, und der Chef wollte daher diesen Passus ändern. So bin ich überhaupt erst darauf gekommen, dass es diese Nicht-Leistungstage gab. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ich mich dann von der Rechtsabteilung der GPA vertreten lassen und wir haben etwas über 35.000 Schilling nachgefordert. Man hat das dann sehr schnell mit einem Vergleich beendet und ich bekam 30.000 Schilling überwiesen. Das war 1983.

KOMPETENZ: In einem weiteren Fall haben Sie 250.000 Schilling erhalten. Worum ging es in diesem Verfahren vor dem Arbeitsgericht?

Gerhard Miko: Ich habe ab Jänner 1983 in einem Verlag gearbeitet, der drei, später vier Zeitschriften herausgab. Ich habe versucht, einen möglichst unkündbaren Vertrag zu bekommen, und konnte einen Passus hineinreklamieren, wonach ich, wenn das Geschäftsvolumen immer um fünf Prozent höher ist als im Jahr davor, der Verlag auf eine Kündigung verzichtet. Und dann kam es dazu, dass der damalige Chef wollte, dass ich auch andere Zeitschriften übernehme, da eine Mitarbeiterin entlassen worden war. Nachdem er dann zwei Mal fallen ließ, dass ich auch gehen könnte, habe ich es dann ernst genommen und mich eben an die Gewerkschaft gewandt. Und um es kurz zu machen: In der zweiten Verhandlung wurde dann bereits der Vorschlag gemacht, mir zwei Mal 125.000 Schilling netto innerhalb weniger Monate zu bezahlen.

KOMPETENZ: In ihrem dritten Verfahren vor dem Arbeitsgericht ging es dann um eine noch höhere Summe.

Gerhard Miko: Auch dabei ging es um eine Vertragssituation. Es handelte sich um ein von drei Personen gegründetes Unternehmen, wo man versuchte, alle Vorteile zu optimieren: Die günstigsten Personenversicherungen waren von einer Schweizer Versicherung abzuwickeln und alle anderen Produkte vom Bausparvertrag bis zu Unternehmensbeteiligungen wurden von der Systemfinanz direkt abgerechnet. Wir unterlagen aber als fix Angestellte, die auch Provisionen bezogen, der Einkommenssteuerpflicht und ein guter Gewerkschaftssekretär wies mich dann darauf hin, dass das nicht erlaubt sei, dass man nicht einen anderen Arbeitgeber vorschieben kann, wenn die Firma bestimmt, wann und wo man arbeitet und was man macht. Es war dann eine sehr kostspielige Sache für das Unternehmen, wo ich mich lange gewundert habe, dass sie so freundlich sind. Es ging ihnen aber nur darum, den Prozess in die Länge zu ziehen. Ich hatte das Arbeitsverhältnis bereits beendet, aber es sollten andere Angestellte nicht auch auf die Idee kommen, zu klagen, sonst wäre das Unternehmen in Konkurs gegangen. Ich habe damals fast 500.000 Schilling bekommen.

KOMPETENZ: In den 2000er Jahren strengten Sie mit Unterstützung der GPA gleich drei Verfahren gleichzeitig an. Wie kam es dazu?

Gerhard Miko: Ich war auch in den Jahren 2003 und 2004 als beratender Verkäufer tätig, ich hatte zuvor auch den Kundenstamm meines Vaters übernommen, der Bausparkassen-Mitarbeiter war. Aufgrund meiner Berufsbildung und langjährigen Praxis konnte ich auch als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig sein und wurde in den zwei Jahren bei insgesamt drei Kanzleien als Geschäftsführer eingesetzt. (Anm.: Man/frau darf max. bei zwei Firmen gleichzeitig (á 20 Wochenstunden)  als gew. GF tätig sein!) Einmal bekam ich 3.000 Euro – und kein zweites Mal! So waren drei Verfahren gegen diese drei Kanzleien nötig. Das hat sich zwar hingezogen, aber ich erinnere mich noch an dreimal ca. 10.000 Euro, die wir erkämpften – auch dank des Insolvenzfonds in den wir (was wenige wissen) ja alle einzahlen. Zum Glück gibt es auch so etwas in Österreich schon lange. Danach arbeitete ich viele Jahre bei insgesamt drei Wiener Versicherungsmaklern, vor und nach dem Pensionsantritt, z.T. „Geringfügig“, wo auch ich noch viel lernen konnte.

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Im Arbeitsrechts-ABC der Gewerkschaft GPA findest du Antworten auf viele Fragen. Du kannst dich aber auch direkt an die Rechtsberatung wenden. Hier findest du alle Kontakte.

KOMPETENZ: Sie empfehlen auch heute jungen Leuten, Gewerkschaftsmitglied zu werden. Warum?

Gerhard Miko: Ich bin sehr für das Sparen, aber nicht am falschen Platz. Der Gewerkschaftsbeitrag ist sinnvoll investiertes Geld und man kann ihn – zum Unterschied von Versicherungen – so wie die Kirchensteuer unbegrenzt auch von der Steuer absetzen.

KOMPETENZ: Und warum ist Ihnen die Gewerkschaft auch aus gesellschaftspolitischer Sicht wichtig?

Gerhard Miko: Man will und soll sich nicht ausbeuten lassen, um es kurz und brutal zu sagen. Dafür setzt sich die Gewerkschaft ein und das seit über 100 Jahren. Das Eintreten für Arbeitnehmerrechte ist heute mehr denn je ein Thema. Viele Menschen werden aber leider erst Gewerkschaftsmitglied, wenn es schon brennt oder zu spät ist. Ich bin der Meinung, Gewerkschaftsmitglied zu sein, war damals, 1971, als ich beigetreten bin, schon wichtig und ist heute wichtiger denn je. Wenn ich mir heute die Debatte um die 32-Stunden-Woche anhöre, denke ich mir: Ich bin zwar kein genereller Verfechter der 32-Stunden-Woche. Aber man hat 1970 die 40-Stunden-Woche gefordert und 1975 auch eingeführt und die Argumente dagegen waren ähnlich wie die heute gegen die 32-Stunden-Woche.

Zur Person

Gerhard Miko, geb. 1953 in Wien, nach dem Abschluss der Handelsschule zunächst zwei Jahre als Werbetexter tätig, im Anschluss bis 1982 Auf- und Ausbau der Fachzeitschrift „WIF – Wirtschaft in Form“ im Sparkassenverlag. Ab 1983 Anzeigenleitung in einem Zeitschriftenverlag und ab 1985 für viele Versicherungen, Bausparkassen, Kanzleien und Kreditinstitute als Versicherungs- oder Finanzberater tätig. 2000 legte er die Prüfung des Bildungswerks der österreichischen Versicherungen (BÖV) ab. Viele Jahre bei insgesamt drei Wiener Versicherungsmaklern – vor und nach der Pensionierung – großteils nur „Geringfügig“ tätig. Mehr als zehn Jahre ehrenamtliches Engagement für die Plattform www.seniors4success.at im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Hobby blieb aber das Verfassen von kritischen Leserbriefen, mit welchen er Verbesserungsvorschläge einzubringen versucht. Miko ist Vater eines erwachsenen Sohnes und lebt seit Herbst 1983 in Wiener Neudorf. Er war vor ein paar Jahren auch Gemeinderat in der Marktgemeinde Wiener Neudorf, in der Liste Umweltforum Wiener Neudorf aktiv seit seiner Gründung. 

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