Arbeitszeitverkürzung ist ein Zeichen unserer Zeit

Foto: Viktor Haunold

Der frisch gewählte Betriebsratsvorsitzende der T-Systems Ulrich Gatterbauer erklärt, wie sein Team auf einen Schlag 50 neue GPA-Mitglieder geworben hat und warum eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit überfällig ist.

Ulrich Gatterbauer hat im Februar als neuer Vorsitzender des Betriebsrats der T-Systems Austria, einer Tochter von T-Systems International, einem der führenden international operierenden Dienstleister für Informations- und Kommunikationstechnologie, einen Generationenwechsel eingeleitet. Mit einem modernen Zugang zu aktuellen Problemstellungen bringt der 39-Jährige frischen Wind in die Firma, ohne den Blick für bewährte Errungenschaften zu verlieren.

Gatterbauer heuerte vor 13 Jahren am Rennweg an und arbeitete zunächst in verschiedenen Querschnittsfunktionen: „Da habe ich mich auch schon oft in herausfordernden und scheinbar konflikthaften Situationen bewegen müssen, konnte aber viele Kolleg:innen gut kennenlernen.“ Seit 2018 diente er auf Vorschlag der damaligen stellvertretenden Vorsitzenden Margot Klein als Reserve im Betriebsrats-Gremium: „Eine Wahl stand an, einige Mitglieder sind in Pension gegangen, da bin ich gerne nachgerückt. Da ich an erster Stelle der Reserve stand, war ich dann auch sehr oft als Nachrücker schon in der täglichen Betriebsratsarbeit eingebunden.“

Aus der Reserve zum Gestalter

Aus dem Nachrücker wurde ein Gestalter als 2020 ein Teil des Unternehmens ausgegliedert wurde und zwei Betriebsräte in die neue Firma wechselten: „Ich wollte von Beginn an, ein aktiver Betriebsrat sein und ordentlich abliefern.“ Also hängte sich Gatterbauer in aktuelle Themen wie Datenschutz und begann sich arbeitsrechtliches Grundwissen anzueignen: „Der Basiskurs der Gewerkschaft hat mir sehr geholfen, mein theoretisches Rüstzeug zu bekommen.“

Die Betriebsratswahl 2023 fiel mit einer weiteren Ausgliederung eines Unternehmensteils zusammen, dessen Belegschaft der Betriebsrat weiterhin vertritt. Gatterbauer erreichte mit seiner Liste bei einer Wahlbeteiligung von 54 Prozent 99,3 Prozent Zustimmung und wurde zum Vorsitzenden gewählt. Die Entscheidung, für das Amt zur Verfügung zu stehen, fiel ihm trotz des Zuspruches nicht leicht, er war der Meinung, dass die „alten Hasen alles gut im Griff hatten: Wir haben lange gemeinsam überlegt, wie wir den Betriebsrat für die kommenden fünf Jahre am besten aufstellen. Viele plädierten für einen Generationenwechsel in unserem nun 11-köpfigen Team, dem ich mich nicht verwehren wollte.“

„Wir agieren als Betriebsrats-Team und nehmen Termine je nach persönlicher Expertise wahr.“

Ulrich Gatterbauer

In der täglichen Praxis agiert der parteipolitisch unabhängige Betriebsrat gerne als Team, auch die beiden Stellvertreter:innen Martina Neunteufl und Andreas Haunold sind stolz drauf „dass wir nicht immer alle einer Meinung sind, aber dennoch in einer einzigen Liste vereint zusammenarbeiten: Es gibt häufig lebhafte Diskussionen, wir finden aber immer einen Kompromiss und ziehen dann an einem Strang für die 700 Arbeitskräfte umfassende Belegschaft: Manche Termine nehmen wir gemeinsam wahr, andere besetzt jene Kolleg:in mit der größten thematischen Expertise.“

Neben seinem Engagement als Belegschaftvertreter arbeitet Gatterbauer weiterhin im Bereich Corporate Quality & License Management: „Ich wollte in die normale Arbeit involviert bleiben, durch die Zusammenarbeit mit vielen Menschen kann ich mir bei wichtigen Themen eine differenzierte Sichtweise verschaffen. Ich habe mir ein verlässliches Netzwerk an stabilen Bezugspersonen aufgebaut.“

Die Zufriedenheit mit dem Betriebsrat ist hoch

Um die Zielrichtung der Arbeit abzuklopfen fragte der Betriebsrat zu Beginn des Jahres die Bedürfnisse der Belegschaft ab. Die Umfrage zeigte eine hohe Arbeitszufriedenheit, die Beschäftigten sind mit ihrer Work-Life-Balance ebenso zufrieden wie mit der Home-Office Regelung, die seit 2021 als Richtwert 50 Prozent Anwesenheit im Büro vorsieht und für Gatterbauer „die größte Verbesserung der letzten fünf Jahre darstellt: War Home Office – und das gleich im Ausmaß von 100 Prozent – zunächst eine der Pandemie geschuldete Notwendigkeit, zeigte sich im Zuge dessen auch, dass Remote-Arbeiten in vielen Tätigkeitsbereichen gut funktionieren kann. Daher haben wir uns entschlossen, von einer vollständigen dauerhaften Rückkehr aller Mitarbeiter:innen ins Büro abzusehen und haben mit der Betriebsvereinbarung ein sehr gutes Rahmenwerk geschaffen, das den meisten Bedürfnissen genügt.“

Beklagt wurde eine zu hohe Auslastung: „Die Arbeit ist in der gesamten Branche stark verdichtet, manche Kolleg:innen haben das Gefühl, ein zu breites Arbeitsfeld zu bearbeiten.“ Wie erfolgreich die betriebsrätliche Arbeit der vergangenen Jahre war, zeigt die Tatsache, dass viele Kolleg:innen im Textfeld „Wünsche für die Zukunft“ geäußert haben, die Belegschaftsvertreter mögen „was sie aktuell tun, weiterhin machen und ausbauen“. Eine tolle Bestätigung für Gatterbauer und sein Team, der zahlreiche persönliche Gespräche als Ergänzung für die anonyme Umfrage sieht: „Heikle Themen oder persönliche Kritik sind über eine Befragung leichter zu artikulieren. Ich bin stolz, der allergrößte Teil der Kolleg:innen stellt uns ein gutes Zeugnis aus.“

„Der Betriebsrat hat eine große ökosoziale Verantwortung und fördert Modelle zur Ressourcenschonung, etwa das Fahrrad-Leasing.“

Ulrich Gatterbauer

Gatterbauer hat ein hohes Bewusstsein für die langfristige Bewahrung vorhandener Ressourcen, dazu gibt es im Betriebsrat eine eigene Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeit: Wir leben unsere ökosoziale Verantwortung und fördern Modelle, bei denen Kolleg:innen ihren Arbeitsweg ressourcenschonend bewältigen können. Aktuell steht nach längerer sorgfältiger Prüfung eine Initiative kurz vor der Ausrollung, bei der Mitarbeiter:innen mit Unterstützung des Unternehmens ein Fahrrad leasen können und dadurch im Vergleich zu einem privaten Kauf rund ein Drittel der Kosten sparen.“

Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung beschreibt Gatterbauer als „auf Augenhöhe: Es gibt keine Alleingänge, unsere Unternehmenskultur ist von Partnerschaft und Wertschätzung geprägt.“ Auch bei kritischen Themen wird der Betriebsrat „so früh wie möglich eingebunden: Wir tragen Konflikte aber nicht auf offener Bühne aus. Veränderungen bewältigen wir gemeinsam und kommunizieren die Lösung, sobald sie gefunden ist.“

Persönliche Infos zur Bedeutung der Gewerkschaften bringen neue Mitglieder

Eine breite Unterstützung ist für Gatterbauer auf allen Ebenen wichtig, zu Jahresbeginn hat der Betriebsrat daher mit Unterstützung der GPA eine große Werbeaktion für neue Mitglieder erfolgreich durchgeführt: „Wir haben in persönlichen Gesprächen informiert und erklärt, warum es sich auszahlt, Gewerkschaftsmitglied zu sein und haben auf einen Schlag rund 50 neue Mitglieder gewonnen, die bislang kaum Berührungspunkte zu Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen hatten. Ein tolles Projekt, das möchten wir nächstes Jahr wieder machen.“

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Mitgestaltet hat der Betriebsrat in der ersten Jahreshälfte auch ein Pilotprojekt zur 4-Tage Woche, die bei vollem Lohnausgleich eine bessere Work-Life-Balance für die Belegschaft, weniger Fluktuation und gesteigerte Attraktivität für jobsuchende Fachkräfte bringen sollte: „Die Soll-Arbeitszeit wurde auf 36 Stunden reduziert, rund 140 Beschäftigte haben mitgemacht.“ Trotz durchwegs positiver Rückmeldungen ist der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung übereingekommen, den Piloten vorerst nicht zu verlängern, sondern „abzuwarten, welche Möglichkeiten zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit im Konzern noch erarbeitet werden: Wir haben einen bestehenden Werkzeugkoffer mit einer Gleitzeit-Betriebsvereinbarung und werden die Kolleg:innen dazu ermutigen, die bestehenden Vereinbarungen so anzuwenden, dass die Verteilung der Arbeitszeit für sie noch flexibler sein wird.“

Flexible Dienstzeiten statt Arbeitszeitverkürzung

Obwohl die Arbeitszeitverkürzung auf betrieblicher Ebene damit vom Tisch ist, honoriert Gatterbauer die Möglichkeit zur flexiblen Einteilung der Arbeitszeit und hofft: „Möglicherweise tut sich hier ohnehin auf gesetzlicher Ebene etwas.“ Intern werde der Pilotversuch noch genau evaluiert, jede Abteilung überprüfe die Auswirkungen: „Der Versuch war nicht umsonst, wir wollen an die Arbeitszeitverkürzung anschließen und versuchen die Arbeitszeiten mit den bestehenden Möglichkeiten so flexibel wie möglich zu gestalten – für alle Mitarbeiter:innen.“

In aktuellen Argumenten gegen eine weitere Arbeitszeitverkürzung erkennt Gatterbauer „starke Parallelen zur Argumentation in den 70er Jahren: Die Begründungen warum es nicht gehen sollte, waren zum Teil wortgleich, die volkswirtschaftlichen Berechnungen identisch. Tatsache ist aber, dass seit Jahrzehnten die Produktivität der Arbeitsplätze im Produktions- und Dienstleistungssektor durch Automatisierung ansteigt und die Löhne sich in den letzten Jahrzehnten bei weitem nicht so stark entwickelt haben, wie die Gewinne der Unternehmen.“ Eine Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich ist für Gatterbauer ein „Zeichen unserer Zeit: Wenn die Gehälter nicht ausreichend steigen, brauchen wir eine Lohnerhöhung durch Zeitreduktion.“

Hier fortschrittlich zu agieren ist für ihn „der Schlüssel zu einer erfolgreichen Personalpolitik: Die junge Generation macht sich ihre eigene Vier- oder Drei-Tage-Woche und kommt mit einem Forderungskatalog in die Bewerbungsgespräche. Hier müssen die Unternehmen beweglicher werden und sich von der Konkurrenz abheben um gute Fachkräfte ans Unternehmen binden zu können.“

Zur Person:
Ulrich Gatterbauer wurde in St. Florian bei Linz geboren und lebt seit 2002 in Wien. In seiner Freizeit entspannt der 39-Jährige bei langen Wanderungen und Bergtouren und reist gerne nach Skandinavien. Als geistigen Ausgleich zur Büroarbeit beschäftigt er sich mit Kultur und besucht kleine Heimatmuseen mit ebensolcher Freude wie große Gemäldegalerien. Sein derzeitiges privates Projekt als begeisterter Klimaticketbesitzer ist es, jede Bahnstrecke in Österreich einmal zu befahren.

Scroll to top