„Als Betriebsrätin kann ich sehr viel erreichen“ 

Foto: privat

Doris Wietter-Benmoussa setzt sich als Vorsitzende des Betriebsrates der Service Mensch GmbH/Volkshilfe NÖ unter anderem für die Interessen von HeimhelferInnen, KrankenpflegerInnen, AlltagsbegleiterInnen, KinderbetreuerInnen und TherapeutInnen ein.

Bei den Kollektivvertragsverhandlungen und im Austausch mit anderen BetriebsrätInnen ist aufmerksames Zuhören ebenso gefragt wie die Bereitschaft, sozialrechtliche Probleme anzupacken. 

Ende 2014 wurde die ausgebildete Heimhelferin Doris Wietter-Benmoussa gefragt, ob sie sich vorstellen könnte zum Betriebsrat zu gehen: „Es fanden Betriebsversammlungen statt, unsere damalige Vorsitzende Andrea Mezera wollte ihr Team für die Wahlen im folgenden Jahr nachbesetzen. Da bin ich neugierig geworden.“ Aus den Erklärungen der BetriebsrätInnen schlussfolgerte Wietter-Benmoussa, dass sie in ihrem Team „im Kleinen“ bereits tat, was BelegschaftsvertreterInnen ganz offiziell tun: anderen KollegInnen helfen und bei rechtlichen oder organisatorischen Fragen unterstützen. „Da habe ich mich gemeldet, weil ich sehr gerne anderen helfe und auch bereit war, diese Hilfestellungen in einem größeren Umfang zu leisten.“

Neben ihrer beruflichen Tätigkeit in der mobilen Pflege hat Wietter-Benmoussa dann immer mehr begonnen, betriebsrätliche und gewerkschaftliche Arbeiten zu übernehmen: „Eigentlich wollte ich nie eine andere Arbeit, als Heimhilfe machen.“ Doch dann weckte die Aussicht auf den Besuch der Betriebsrats-Akademie ihr Interesse: „Arbeits- und Sozialrecht hat mich immer schon interessiert. Zu lernen, wie ich den KollegInnen noch verlässlicher helfen kann, das hat mich gereizt.“ Nach über 25 Jahren in der mobilen Pflegearbeit begann sie sich mit den Grundlagen zu befassen und wuchs immer stärker in ihre Rolle als Betriebsrätin hinein: „Ich bin nach und nach draufgekommen, wie erfüllend es ist, anderen inhaltlich fundiert helfen zu können und habe gespürt: so kann ich vieles erreichen!“

Den Bezug zur Praxis nicht verlieren

2018 hat Wietter-Benmoussa begonnen, Teilzeit als Betriebsrats-Sekretärin zu arbeiten, jedoch weiterhin auch halbtags als Heimhilfe, um den Bezug zur Praxis nicht zu verlieren. Als 2019 die bisherige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe NÖ, Margit Kral in Pension ging, wünschte sich diese als Nachfolgerin eine KollegIn mit dem gleichen HeimhelferInnen-Hintergrund. Wietter-Benmoussa hat sich als Nachfolgerin herauskristallisiert: „Durch meine Tätigkeit als Betriebsrats-Sekretärin habe ich viel von der Praxis einer Betriebsrätin gelernt und war deshalb gut für diese Position vorbereitet. Die neue Herausforderung hat mir von Beginn an viele Freude bereitet, weil ich den KollegInnen helfen konnte.“ Mit dem Aufstieg kam die Freistellung, rasch absolvierte sie zusätzlich eine Ausbildung zur Konflikt-Lotsin. 

„Durch die gewerkschaftliche Ausbildung kann ich anderen helfen zu ihrem Recht zu kommen.“ 

Doris Wietter-Benmoussa

Zu Beginn der Freistellung fehlte Wietter-Benmoussa der persönliche Kontakt zu den betreuten SeniorInnen extrem, sie hatte teilweise sogar das Gefühl, ihre ehemaligen KundInnen richtiggehend im Stich gelassen zu haben: „Mein Credo war es immer, den Alten, Kranken und Behinderten ihren Lebensabend so schön wie möglich zu machen. Es war mir immer wichtig, den Menschen zu helfen.“

Die Fähigkeit und das Bedürfnis sich für andere einzusetzen fokussierte Wietter-Benmoussa fortan mit vollem Elan auf ihre betriebsrätlichen Herausforderungen: „Durch die arbeits- und sozialrechtliche Ausbildung kann ich den KollegInnen besser helfen, zu ihrem Recht zu kommen. Ich kann sie gut beraten und helfen, wenn sie etwas brauchen oder arbeitsbezogene Sorgen oder Probleme haben.“ 

Der Wechsel an die Spitze des Betriebsrates verlief 2019 unaufgeregt: „Unsere bisherige Vorsitzende Andrea Mezera ging im Mai 2020 in ihren wohlverdienten Ruhestand und deshalb entschieden wir im September 2019, unsere Positionen zu rochieren.“ Die Fußstapfen der Vorgängerin schienen zu Beginn übermächtig groß, Mezera hat den Betriebsrat 1991 mitbegründet, die jetzigen Strukturen unter anderem mit ihrer Stellvertreterin Margit Kral aufgebaut und stand über 30 Jahre lang an der Spitze dieses wichtigen Gremiums. Sie verhandelte Betriebsvereinbarungen, durch welche die Beschäftigten auch heute noch bessergestellt sind, als im aktuellen Kollektivvertrag.

Neue Herausforderungen

Ganz nach der Devise „Wir schaffen das“ ließ sich Wietter-Benmoussa auf die neue Herausforderung ein, „tigerte“ sich in die Betriebsrats-Arbeit und meint heute mit Stolz: „Mich erfüllt meine Arbeit sehr und in dieser Tätigkeit kann ich meinen KollegInnen helfen, ebenso wie ich vorher älteren, kranken und behinderten Menschen helfen konnte. Worüber ich mich auch sehr freue, mit Julia Grusch, habe ich jetzt eine Stellvertreterin, mit der ich super harmoniere und die mich toll ergänzt. Die Mitglieder unseres Betriebsratsgremiums sind sehr unterschiedlich, sowohl in ihrer Arbeit, als auch in ihren Meinungen, und das ist es, was für mich ein gutes Gremium ausmacht.“ 

„Ich fahre sehr gerne in die Dienststellen und höre mir die Probleme der KollegInnen vor Ort an.“ 

Doris Wietter-Benmoussa

Als Vorsitzende des Betriebsrates der Service Mensch GmbH vertritt Wietter-Benmoussa aktuell die Interessen von rund 1.750 MitarbeiterInnen der Volkshilfe in ganz Niederösterreich. Rasch lernte sie den vollen Umfang des betriebsrätlichen Tätigkeitsspektrums kennen, das sie zu Beginn „ein wenig unterschätzt hat: Ich bin durch ganz Niederösterreich gefahren, habe mit den Teams gesprochen und mich umgehört wo es Probleme gibt und wo ich in arbeits- oder sozialrechtlichen Fragen unterstützen kann.“ Die Volkshilfe Niederösterreich beschäftigt MitarbeiterInnen in zahlreichen Bereichen, wie der Mobilen Pflege, in Kinderhäusern, in AMS-Projekten oder bei der schulischen Hausübungsbetreuung. Die Fragestellungen sind entsprechend vielfältig, weshalb für Wietter-Benmoussa der persönliche Kontakt zu den Beschäftigten sehr wichtig ist: „Wir haben 180 Stützpunkte bzw. Teams im Land, ich bin sehr gerne vor Ort bei unseren MitarbeiterInnen und höre mir ihre Probleme und Anregungen an.“

Weniger persönliche Kontakte

Durch die Pandemie sind persönliche Kontakte für Wietter-Benmoussa schwieriger geworden, auch Dienstbesprechungen konnten nicht wie gewohnt ablaufen: „Die KollegInnen in der mobilen Pflege fühlten sich vermehrt wie EinzelkämpferInnen, doch auch die betriebsrätliche Arbeit funktioniert nicht wie gewohnt: Vor der Pandemie war ich fast jeden Tag in den Stützpunkten, der telefonische Kontakt kann das persönliche Gespräch und die Intensität der Beziehung, die ich durch die Teilnahme an Besprechungen oder Begehungen im Rahmen meiner Tätigkeit als Sicherheitsvertrauensperson aufbauen kann, nicht ersetzen.“ Probleme taten sich genügend auf, das ständige Maske Tragen ist im Arbeitsalltag der Sozialberufe sehr belastend. Auch die vielen unterschiedlichen Verordnungen haben die Köpfe der Angestellten rauchen lassen: „Viele KollegInnen waren und sind verunsichert, wie sie sich richtig verhalten, weil die Verordnungen von Seiten des Landes und des Bundes oft sehr spät verschriftlicht an die Träger herangetragen werden. Unsere Geschäftsführung und auch wir als Betriebsrat informieren die KollegInnen immer so rasch wie möglich über mögliche Veränderungen. Nicht nur einmal habe ich mich schriftlich an das Sozialministerium gewandt, weil gerade am Anfang der Pandemie die mobile Pflege in den Verordnungen schlichtweg vergessen wurde.”  Allgegenwärtig waren in der Belegschaft zu Beginn der Pandemie die Ängste vor einer Ansteckung bzw. davor, die betagten KundInnen zu infizieren. 

„Durch die vorausschauenden Betriebsvereinbarungen ist die Belegschaft sehr gut abgesichert.“ 

Doris Wietter-Benmoussa

Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung beschreibt Wietter-Benmoussa als sehr konstruktiv: „In die meisten Themen sind wir BetriebsrätInnen gut eingebunden und werden auch nach unserer Einschätzung gefragt. Alle Anregungen, die wir einbringen, werden von der Geschäftsführung geprüft, diverse auch aufgegriffen. Jedenfalls wird uns immer Gehör geschenkt.“ Insgesamt sieht sie die Belegschaft „durch die alten, vorausschauenden Betriebsvereinbarungen” sehr gut abgesichert. Eines ihrer aktuellen Herzensprojekt in Zusammenarbeit mit dem Dienstgeber ist die Black-Out-Prävention: „Ich habe vor Jahren ein Seminar zu diesem Thema besucht und da wurde mir die Wichtigkeit und Tragweite bewusst.“

Zusätzlich positiv wirkt auch das angenehme Betriebsklima. „Unser Dienstgeber schaut in seinem Ermessen sehr darauf, dass es den MitarbeiterInnen insgesamt gut geht. Das geht soweit, dass KollegInnen, die in finanziellen oder persönlichen Nöten sind oder Probleme im Team oder in der Arbeit haben, eine beratende Arbeitspsychologin, Sozialarbeiterin oder Arbeitsmedizinerin gestellt bekommen: Diese Unterstützungen bezahlt der Dienstgeber. Betriebliche Gesundheitsförderung wird in unserer Firma großgeschrieben.“ 

„Der Austausch mit anderen BetriebsrätInnen bereichert mich.“ 

Doris Wietter-Benmoussa

Drei- bis viermal im Jahr treffen sich alle österreichischen Betriebsratsvorsitzenden und deren StellvertreterInnen der Volkshilfen zum Austausch – für Wietter-Benmoussa eine wertvolle Bereicherung ihres Erfahrungsschatzes: „Wir lernen viel voneinander, weil die Volkshilfen in den einzelnen Bundesländern teils sehr unterschiedlich arbeiten. Wir schauen, wie andere ihre Probleme bewältigen und halten uns gegenseitig auf dem Laufenden.“

Auch an den Kollektivvertragsverhandlungen ist Wietter-Benmoussa beteiligt, als Vorsitzende des Wirtschaftsbereiches „Gesundheit und Soziales“ im Land fühlt sie sich auch ausreichend gehört: „Ich spreche mich vorher mit den anderen Betriebsratsvorsitzenden ab, damit wir an einem Strang ziehen und gemeinsame Aktionen und Forderungen setzen können.“ Obwohl die Verhandlungen oft mühevoll und zeitintensiv sind, entlohnt das Ergebnis meist für den vollen Einsatz: „Wenn wir etwas ganz Tolles für unsere KollegInnen erreicht haben, dann ist das ein Glücksgefühl. Das sind dann auch persönliche Erfolge, die wir gemeinsam erreicht haben. Gerade setzen wir uns vehement für eine Pflegereform ein – wir haben eine Resolution verfasst und diese an die Landes- und Bundespolitiker geschickt. Wir haben schon sehr viele positive Rückmeldungen und Unterstützungsbekundungen bekommen.“ 

Zur Person: 

Doris Wietter-Benmoussa wohnt in Ober-Grafendorf im Bezirk St. Pölten Land, ist 49 Jahre alt, verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes. In ihrer Freizeit bastelt sie „wahnsinnig gerne“. Selbstgemachtes aus Holz stellt sie im Familienverband gemeinsam mit ihrem Vater, der pensionierter Zimmermann ist, ihrer Mutter und ihrem Sohn, der gelernter Tischler ist, her. Die Kunstgegenstände wurden früher bei den Weihnachtsfeiern der Volkshilfe über die Tombola verlost: „Es war mir seit meinem Eintritt in den Betriebsrat eine Herzensangelegenheit, dass jede MitarbeiterIn ein schönes Geschenk bekommt.“ So hat die Familie jährlich rund 800 Tombolapreise wie Holzblumen, Herzen, Teelichter oder Dekoartikel hergestellt und upgecycelt. 

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