Das AMS Wien untersuchte die Kompetenzen von 900 Flüchtlingen mit erstaunlichen Ergebnissen: Viele Flüchtlinge verfügen entgegen der von Boulevard und Rechtsparteien verbreiteten Meinung über ein hohes Bildungsniveau.
Das Arbeitsmarktservice Wien hat in den vergangenen Monaten die Kompetenzen von knapp 900 anerkannten Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak, dem Iran und Afghanistan überprüft und festgestellt, dass ihr durchschnittliches Bildungsniveau überraschend hoch ist. Von den überprüften Personen können 23 Prozent einen Studienabschluss vorweisen, weitere 27 Prozent haben in ihrem Heimatland die Matura gemacht. Mit 40 Prozent besonders hoch war der AkademikerInnenanteil bei Flüchtlingen aus dem Irak, bei den SyrerInnen waren es immerhin noch 29 Prozent. Deutlich niedriger ist das Bildungsnivau bei den Menschen aus Afghanistan: Nur 7 Prozent haben studiert, 17 Prozent verfügen über eine Matura. Im Vergleich dazu liegt die AkademikerInnenquote in Österreich bei 15,9 Prozent. Weitere 14 Prozent der ÖsterreicherInnen verfügen über eine Matura als höchsten Abschluss.
Umfangreiche Tests
Der Kompetenzcheck des AMS hat heftige Kritik hervorgerufen. Dem AMS wurde vorgeworfen, die Ergebnisse zu positiv dargestellt zu haben. Den Flüchtlingen wiederum wurde vorgeworfen, ihre Bildungsabschlüsse erfunden zu haben. Außerdem wurde immer wieder betont, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ und damit nicht aussagekräftig wären. Diese Vorwürfe sind jedoch leicht zu entkräften. Die befragten Flüchtlinge wurden fünf Wochen lang in verschiedenen österreichischen Bildungseinrichtungen begleitet und getestet. Neben Gruppentrainings wurden die Kompetenzen in mehreren individuellen Interviews abgefragt und berufspraktische Tests durchgeführt. Dabei wurden nicht nur Bildungsabschlüsse, sondern auch Berufsausbildungen, Sprachkenntnisse, Berufserfahrungen und der Schulungsbedarf der AsylwerberInnen erhoben. AkademikerInnen wurden auch in Kontakt mit den Nostrifikationsstellen bzw. der jeweiligen Universität gebracht. Dass jemand bei so einer Befragung über Wochen falsche Angaben macht, ist praktisch unmöglich, denn die Arbeitsplätze werden entsprechend den Erkenntnissen vermittelt. Es würde also rasch auffallen, wenn jemand lügt.
Richtig ist zwar, dass die Kompetenzchecks nicht repräsentativ waren, denn es wurden mehr Frauen befragt, als dem Durchschnitt der AsylwerberInnen entspricht, und zudem waren nicht alle Nationen proportional zu den gestellten Asylanträgen vertreten. Dennoch hat die Untersuchung Aussagekraft, denn bei qualitativen Interviews reicht schon eine wesentlich kleinere Zahl von Interviews, um seriöse Aussagen treff en zu können.
Die Kompetenzchecks lösen sicherlich nicht alle Probleme arbeitsloser Flüchtlinge. So nutzt etwa die akademische Bildung iranischer Frauen relativ wenig, weil meist die Berufserfahrungen fehlen. Auch haben die Flüchtlinge kaum formale berufliche Qualifikationen, wie sie etwa die Hälfte der ÖsterreicherInnen aufweisen und wie sie am Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Was der Kompetenzcheck aber auf jeden Fall verdeutlicht ist, dass die Menschen, die nach Österreich kommen, nicht nur viele Probleme, sondern vor allem auch viel Potenzial mit sich bringen. Das AMS plant heuer bis zu 13.500 weitere Kompetenzchecks mit Asylberechtigten und verspricht sich davon einen wesentlichen Beitrag für eine raschere Integration in den Arbeitsmarkt.