Rudolf Kortenhof ist Betriebsratschef der Raiffeisen Bank und hält mit seiner Position als christlicher Arbeitnehmervertreter keineswegs hinter dem Berg – weder bei schwierigen Gehaltsverhandlungen noch gegenüber umstrittenen Regierungsbeschlüssen.
Sogar inmitten von „mühsamen“ Verhandlungen über den neuen Kollektivvertrag (KV) für die 73.000 Bankangestellten österreichweit gibt sich Rudolf Kortenhof, Betriebsratschef der Raiffeisen Bank International (RBI), betont ruhig und kontrolliert. Das Problem: Der Finanzbranche geht es extrem gut. Ein Paradoxon. „Wir haben historische Bestergebnisse, und trotzdem war die Arbeitgeberseite zunächst nicht bereit, mehr an die MitarbeiterInnen abzugeben“, erklärt Kortenhof im Interview mit der KOMPETENZ. Waren in den vergangenen Jahren noch Folgen der Krise von 2008/2009 zu spüren, gebe es 2019 „praktisch täglich Erfolgsmeldungen von diversesten Banken über beste Ergebnisse.“ Ihm war es daher wichtig, gerade jetzt eine „spürbare Gehaltserhöhung“ für die ArbeitnehmerInnen zu erwirken.
Vom Kundenberater zum Betriebsrat
Kortenhof hat den Ruf, ein guter Verhandler zu sein. Mit welcher Taktik? Das ist ganz einfach: „Man muss sein Geschäft verstehen, das ist die halbe Miete. Man muss als Betriebsrat Verständnis und Wissen darüber haben, wie das eigene Unternehmen funktioniert.“ Er hat jahrzehntelang im Kundengeschäft gearbeitet. Da kann ihm bei Gehaltsverhandlungen ein Personalist nicht so schnell ein X für ein U vormachen.
Wenn zusätzlich die gesamte Branche mit wirtschaftlichem Rückenwind glänzt, wäre es für die Seite der ArbeitnehmerInnen nicht einzusehen gewesen, sich am Vorjahresniveau von 2,66 Prozent als Gehaltserhöhung zu orientieren, wie von der Arbeitgeberseite ursprünglich angeboten. Eine aufrechte Forderung der Arbeitnehmervertretung bleibt mehr Freizeit und Weiterbildungsmöglichkeiten als Ausgleich dafür, dass immer weniger MitarbeiterInnen immer mehr Aufgaben – aufgrund zunehmender gesetzlicher Vorschriften (höheres Eigenkapital etc.) – erledigen, so der oberste Betriebsrat.
Eurobetriebsrat
Vielschichtig ist auch die praktische Funktionsausübung von Rudolf Kortenhof, der genau genommen Vorsitzender des Europäischen Betriebsrates von RBI ist. Ein Eurobetriebsrat ist in Unternehmen vorgesehen, sobald 1.000 ArbeitnehmerInnen in den Mitgliedsstaaten und jeweils mindestens 150 ArbeitnehmerInnen in zumindest zwei EU-Ländern beschäftigt werden. „Abhängig davon welchen Hut man trägt, hat man unterschiedliche Themen abzudecken als Eurobetriebsrat.“
In Österreich ist die RBI-Gruppe mehr von großen Firmenkunden, weniger vom „Retail Banking“, also Einzelhandelsgeschäft der Banken, geprägt. Trifft sich Kortenhof hingegen im Rahmen des Europäischen Betriebsrates mit den internationalen KollegInnen, geht es schon mal um Filialschließungen oder wie die digitale Umstellung und der Abbau von MitarbeiterInnen zu verkraften sind.
Vor mehr als 20 Jahren stieß Rudolf Kortenhof von der damaligen Creditanstalt zur jetzigen Raiffeisen. Einige Jahre später wurde er Betriebsrat, Vorsitzender des gesamten Gremiums ist er seit 2015. Warum hat er sich dazu entschlossen? Einerseits brauche man ein gewisses (Dienst-)Alter, so der 1961 geborene Banker. Andererseits hat ihn der Sport zum Betriebsrat geführt. Beidem ist er treu geblieben. Angesprochen auf seine Leistungen als Hobbysportler, meint er zunächst charmant, ob das nicht eine Verwechslung mit seinem Sohn sei. Doch Meisterschaften bestreitet er selbst sowohl im Tennis als auch im Skifahren. Und er fährt noch immer Skirennen für die RBI, wenngleich die arbeitsrechtlichen Aspekte überhandgenommen haben.
2019 fanden etwa die 51. Wiener Banken-Skimeisterschaften statt. Alle Bank-Angestellten in Wien sind bei diesem Bewerb startberechtigt. Das 50-Jahr-Jubiläum im Vorjahr hat der Raiffeisen-Betriebsratschef mit seinem Team organisiert. Der jährliche Fixpunkt für die MitarbeiterInnen ist so etwas wie das soziale Sahnehäubchen im Arbeitsjahr. „Das hat verbindenden Charakter.“
„Ich bin nicht mit allem einverstanden, was von der Regierung kommt“
Rudolf Kortenhof, Betriebsvorsitzender der Raiffeisen Bank
Weniger erfreulich war zuletzt freilich das Wahlergebnis in der Arbeiterkammer (AK), was die Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen (FCG) betrifft. „Nicht berauschend“, sagt dazu Christgewerkschafter Kortenhof – gleichzeitig erleichtert, dass die „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ (sic) nicht in dem Ausmaß dazugewonnen haben, wie erwartet, „Gott sei Dank“. Mit einem Minus von 0,5 Prozent ist die FCG in Wien dennoch – hinter der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) mit 60,7 Prozent weit abgeschlagene – zweitstärkste Fraktion (9,8 Prozent) geblieben. Das führt Kortenhof, noch bevor er danach gefragt wird, sehr wohl auf die bisherige ArbeitnehmerInnenpolitik der Bundesregierung zurück.
Über seinem Stehschreibtisch hängt ein schlichtes, aber unübersehbares Kreuz. Der FCGler ist jedoch kein ÖVP-Mitglied. „Ich bin nicht mit allem einverstanden, was von der Regierung kommt“, sagt er klipp und klar. Er habe auch intensive Diskussionen mit ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer gehabt und ihm eröffnet, dass so manche Regierungsmaßnahme „die ArbeitnehmerInnen im Tagesgeschäft ganz anders betrifft, als ihr das glaubt“. Nur: Was macht das mit einem Christgewerkschafter wie Kortenhof? „Ich fühle ich mich als Arbeitnehmervertreter manchmal sehr gefordert“, formuliert er nobel. Man habe das Gefühl, es werde nicht gehört, wenn Betroffene aus der täglichen Arbeitserfahrung Bedenken äußern.
„Wir haben in Österreich – noch – eine Kultur, wo man versucht, sich in einer gemeinsamen Lösung wiederzufinden, und wo man nicht einfach Dinge beschließt, ohne die Sozialpartner einzubinden. Auf die Dauer wird man nichts Gutes erreichen, wenn man so einseitig agiert.“
Rudolf Kortenhof, Betriebsvorsitzender der Raiffeisen Bank
„Wir haben in Österreich – noch – eine Kultur, wo man versucht, sich in einer gemeinsamen Lösung wiederzufinden, und wo man nicht einfach Dinge beschließt, ohne die Sozialpartner einzubinden. Auf die Dauer wird man nichts Gutes erreichen, wenn man so einseitig agiert.“ Ist dieses Vorgehen einer Regierung unter dem Bundeskanzler einer vermeintlich christlich-sozialen Partei noch christlich? „Mit unserem Verständnis von christlicher Gewerkschaftsarbeit hat das wenig zu tun“, meint Kortenhof unverblümt.
Derweil freut sich der Hobbyphilosoph auf das nächste Seminar bei einer privaten Akademie für philosophische Weltdeutung im Juni. Einige Kolloquien etwa zu Skeptizismus oder der Existenz von Gott hat er schon besucht – damit er sich nicht nur mit Bank- und ArbeitnehmerInnenthemen beschäftigt. Das ist für Rudolf Kortenhof „wie Urlaub im Kopf“.
Zur Person:
Rudolf Kortenhof, geboren 1961 ist seit 2015 Betriebsrats-
vorsitzender der Raiffeisen Bank International (RBI) und Mitglied im Verhandlungsteam für den Bankenkollektivvertrag.
Kollektivvertragsabschluss für Beschäftigte bei Banken
Die Gehälter steigen im Schnitt um 3 Prozent. Die Mindestgrundgehälter werden rückwirkend mit 1.4. 2019 um 2,5 Prozent zuzüglich 14,50 Euro erhöht, das ist eine Erhöhung zwischen 2,8 bis 3,37 Prozent.
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