Damit die Rückkehr in den Beruf gut gelingt, sollten Frauen nach der Geburt wieder rasch arbeiten. Die Realität sieht meist anders aus, berichtet GPA-Frauensekretärin Barbara Marx.
KOMPETENZ: Jedes Jahr aufs Neue wird in Österreich erhoben, dass sich die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern nicht schließt. Ist die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ein Hauptgrund dafür?
Barbara Marx: Ich glaube, dass das in Wahrheit immer wieder eine Ausrede ist. Wenn man andere Länder zum Vergleich nimmt, die skandinavischen oder Frankreich, dort bekommen die Frauen auch Kinder. Trotzdem ist die Einkommensschere kleiner und es gibt auch mehr Frauen in Führungspositionen. Ich glaube, dass diese angebliche Unvereinbarkeit von Mutter und Arbeitskraft sein ist etwas zutiefst deutschsprachiges. Auch diese kollektive Abneigung gegen die so genannte ‚Fremdbetreuung‘. Ich drücke ja nicht dem Erstbesten, den ich auf der Straße treffe, mein Kind in die Arme. Das sind hochqualifizierte Fachkräfte, die dafür ausgebildet wurden.
KOMPETENZ: Doch auch wenn Frauen entscheiden, ihr Kind etwa in einer Krippe betreuen zu lassen, sagen viele: ich will nach der Karenz nicht mehr Vollzeit arbeiten. Ich kann mein Kind nicht in der Früh abgeben und abends holen. Teilzeitarbeit trägt aber zur Einkommensschere bei. Wie ist dieses Problem zu lösen?
Barbara Marx: Ich glaube, da ist an mehreren Rädchen zu drehen. Einerseits muss man Vertrauen in die Kinderbetreuungseinrichtungen haben. Andererseits ist auch an der Qualität der Betreuung zu arbeiten. Vor allem haben wir hier aber ein Phänomen, das sich eben zu allererst bei den Frauen zeigt: die Doppel- und Dreifachbelastung schlägt zu. Wir erleben eine enorme Arbeitsverdichtung. Die Arbeitsleistung, die ich heute in einem Vollzeitjob erbringe, kann ich nicht vergleichen mit der Arbeitsleistung von vor 30 Jahren. Es ist ein ganz anderer Druck da. Und wenn ich mich dann auch noch um das Familienmanagement und die Betreuung der Kinder kümmern muss, dann wird es einfach zu viel. Und die Frauen sind die ersten, die das spüren. Man muss hier auf lange Sicht sicherlich beim Thema Lebensarbeitszeit ansetzen.
KOMPETENZ: Liefe das auf eine generelle Arbeitszeitverkürzung hinaus?
Barbara Marx: Ja. Wir müssen grundsätzlich überlegen, ob wir nicht bei der Arbeitszeit etwas ändern. Weil die Zeiten, in denen die Menschen in Frühpension gegangen sind, sind auch vorbei. Die Lebensarbeitszeit wird länger, der Arbeitsdruck wird stärker, die Leute trauen sich auch immer weniger in Krankenstand zu gehen. Ich glaube, dass wir hier grundsätzlich nachdenken müssen.
KOMPETENZ: Ein großer Teil des Drucks auf Frauen kommt aber auch daher, dass sie sich neben ihrem Job auch noch um den Haushalt und die Kinder kümmern.
Barbara Marx: Die Zeit, in der Frauen Kindergeld beziehen, führt sicher auch dazu, dass sich die Verteilung der unbezahlten Arbeit in Paarbeziehungen zementiert. In dem Moment, in dem der eine Überstunden macht und der andere zu Hause ist, ist klar, wer die Wäsche wäscht. Und auch wenn dann für die Frau der Wiedereinstieg gelingt, sind die Aufgaben verteilt. Wir müssen Arbeitszeit umverteilen, bezahlte wie unbezahlte.
KOMPETENZ: Es geht also um die Beteiligung der Väter auch an der Hausarbeit und Kinderbetreuung. Die verschiedenen Kindergeldmodelle sehen bereits eine Teilung vor, wenn man die maximale Auszahlungsdauer ausschöpfen will. Wie kann man Männer mobilisieren, sich da mehr einzubringen?
Barbara Marx: Man muss sicher mit Kampagnen Mut machen. Andererseits wurde bisher niemand davon abgehalten, sich auch um unbezahlte Familienarbeit zu kümmern. Da müssen schon auch die Frauen Druck machen und im Privatleben die veränderten Rollenmodelle einfordern. Und der Teilungsfaktor beim Kindergeld müsste verschoben werden. Jetzt ist es nur selten so, dass der Mann den langen Block nimmt. Je kürzer die Karenz aber ist, desto stärker wird sie als Urlaub empfunden. Wenn man eine Karenzvertretung einstellen muss, erst dann ist es ein wirklicher Cut.
KOMPETENZ: Wenn Väter, die in Karenz gehen, nach der Kinderpause zurückkommen, arbeiten sie in der Regel wieder Vollzeit. Frauen machen meist von der Elternteilzeit Gebrauch. Mit welchen Konsequenzen?
Barbara Marx: Wie schon gesagt – die Zuständigkeit für unbezahlte Arbeit. Ein geringeres Einkommen. Und auch niedrigere Pensionen. Man könnte auch sagen: Teilzeit ist ein Garant für Altersarmut. Frauen, die ein Leben lang arbeiten, sind dann trotzdem auf die Mindestsicherung angewiesen. In dem Moment, in dem ich Teilzeit arbeite, muss ich auch außerdem sehr hoch qualifiziert sein, um Karriere zu machen. Teilzeitkräften traut man meist fachlich nichts zu.
KOMPETENZ: Das Fazit: Frauen sollten nach der Geburt ihres Kindes möglichst bald in den Beruf zurückkehren und Vollzeit arbeiten?
Barbara Marx: Ja, je schneller und desto mehr Stunden desto besser. Ich muss mir natürlich aber trotzdem überlegen, was für mich persönlich das Beste ist. Frauen kämpfen oft mit ihrem schlechten Gewissen, dass sie sowohl im Job als auch zu Hause zu wenig leisten. Deswegen sollte ich mir schon überlegen, welche Risiken meine Entscheidungen mit sich bringen. Man sollte mit seinen Lebensentscheidungen ja auch zufrieden sein.
Buchtipp
Wir verdienen mehr! Gleichberechtigung und faire Einkommen für Frauen.
Barbara Lavaud, Barbara Marx, Eva Scherz. ÖGB Verlag 2013.
Die Schere zwischen den Einkommen von Frauen und Männern ist in Österreich überdurchschnittlich hoch: In der Privatwirtschaft verdienen weibliche Angestellte nur 66 Prozent des jeweiligen Männereinkommens. Das Recht auf „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ ist in Österreich noch lange nicht durchgesetzt.
Woher kommt diese skandalöse Ungleichheit? Gibt es hierzulande für Frauen mehr Handicaps und Nachteile als anderswo? Kann man dagegen etwas tun? Dieses Buch will erklären, wie es zu den großen Einkommensunterschieden kommt, und es werden Lösungswege aufgezeigt, um endlich faire Einkommen für Frauen zu erreichen.
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