Mit Steuereinnahmen erfüllt der Staat zentrale soziale und infrastrukturelle Aufgaben. Vermögensbezogene Steuern würden Investitionen sichern, ohne das Wirtschaftswachstum zu bremsen.
Behauptung: Der Staat saugt uns aus und unsere Steuern verschwinden einfach in einem Loch. Je weniger wir Steuern zahlen, umso besser.
Faktencheck: Steuern und Abgaben sind unbedingt notwendig. Sie haben in einer Gesellschaft wichtige Aufgaben zu erfüllen. Sie geben dem Staat jene Mittel in die Hand, die er braucht, um seine Aufgaben zu erfüllen: zum Beispiel ein funktionierendes Strom-, Verkehrs- und Trinkwassernetz und ein kostenloses, frei zugängliches Bildungssystem. Darüber hinaus werden Steuermittel auch gebraucht: für ein solidarisches Gesundheitssystem, für Pensionen, die den Lebensstandard sichern, sowie für die Betreuung und Pflege für älterer Menschen und Kinder.
Mit Steuern und Abgaben werden Sozialleistungen finanziert, die nicht lukrativ, jedoch für viele Menschen im wahrsten Sinne lebensnotwendig sind. Wer einen gut ausgebauten Sozialstaat mit seinen stabilisierenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen haben will, der muss auch bereit sein, Steuern und Beiträge zu zahlen. Wer reich genug ist, kann sich selbst mit seinem Vermögen gegen wirtschaftliche und soziale Risiken absichern und Dienstleistungen nach Bedarf zukaufen. Die Mehrheit der Bevölkerung erhält diese Absicherung jedoch erst durch den Sozialstaat. Aus Steuern und Abgaben finanzierte staatliche Leistungen erhöhen die Chancengleichheit, indem sie unabhängig von der Herkunft die Aufstiegschancen verbessern. In Österreich muss man nicht – wie beispielsweise in den USA – nach einer schweren Krankheit Privatkonkurs anmelden.
Behauptung: Steuersenkungen führen generell dazu, dass allen mehr Geld übrig bleibt.
Faktencheck: Diese Behauptung stimmt leider nur bedingt, denn es kommt ganz wesentlich darauf an, welche Steuern gesenkt werden. Der ÖGB fordert deshalb ganz bewusst eine Senkung der Lohnsteuer mit Gegenfinanzierung durch vermögensbezogene Steuern. Neben der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen haben Steuern auch eine wichtige umverteilende Funktion. Indem diejenigen, die mehr verdienen, mehr Steuern bezahlen, passiert ein wichtiger gesellschaftlicher Ausgleich. Einkommensunterschiede können so abgemildert und es kann verhindert werden, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander geht. Wichtiger als die generelle Senkung der Steuern ist daher die Verteilung der Steuerlast: zwischen Arm und Reich, zwischen Arbeit und Vermögen und zwischen ArbeitnehmerInnen und Unternehmen. Dass radikale Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung äußert problematisch sind, zeigt das Beispiel der USA. Dort wurde in den 80er-Jahren unter Präsident Ronald Reagan der Spitzensteuersatz auf mickrige 28 Prozent beinahe halbiert. Die dadurch bedingten Einnahmenverluste überforderten das US-Haushaltsbudget massiv.
Bei der vom ÖGB geforderten Senkung der Lohnsteuer geht es daher nicht ausschließlich um die Entlastung, sondern auch um die Umverteilung der Steuern, weg von den ArbeitnehmerInnen hin zu Vermögen und Unternehmensgewinnen.
Behauptung: Österreich hat im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Abgabenquote.
Faktencheck: Die angeblich viel zu hohe Steuerbelastung in Österreich wird hauptsächlich anhand der allgemeinen Abgabenquote kritisiert. Damit ist der Anteil der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Prozent des Bruttoinlandsprodukts gemeint. Bei diesem Wert liegen wir im oberen Mittelfeld der Industriestaaten. Allerdings hat diese Abgabenquote für sich genommen wenig Aussagekraft. Denn sie sagt nichts darüber aus, welche gesellschaftlichen Gruppen in welcher Höhe Steuern zahlen und schon gar nicht, welche gesellschaftlichen Leistungen damit finanziert werden. Dazu kommt, dass auch die internationale Vergleichbarkeit dieser Quote generell in Frage gestellt werden kann. Es gibt Länder, in denen Privatpensions- oder Krankenversicherungsbeiträge verpflichtend geleistet werden müssen. Diese werden jedoch bei der Abgabenquote dieser Länder nicht berücksichtigt. Besonders häufig wird Österreich mit der Schweiz verglichen. Das wohlfahrtsstaatliche Niveau ist in beiden Ländern ungefähr gleich. Allerdings ist das Pensionssystem unterschiedlich strukturiert, weshalb die Pensionsbeiträge in der Schweiz nicht als Abgaben definiert und einberechnet werden.
Behauptung: Hohe Steuern und Abgaben sind ein Wettbewerbsnachteil. Länder mit einer niedrigen Abgabenquote sind daher automatisch erfolgreicher.
Faktencheck: Betrachtet man, welche Länder im internationalen Vergleich eine besonders hohe oder eine besonders niedrige Abgabenquote haben, dann erkennt man sofort, dass diese Behauptung nicht stimmen kann. Eine besonders hohe Abgabenquote haben beispielsweise die skandinavischen Länder. Diese stehen jedoch sowohl was den Lebensstandard als auch was die Wettbewerbsfähigkeit betriff t sehr gut da. Die niedrigsten Abgabenquoten in der EU haben dagegen Rumänien, die baltischen Staaten und Griechenland, also Staaten mit großen wirtschaftlichen Problemen und wachsender Armut. Schädlich für die Wirtschaft ist nicht eine hohe Abgabenquote, sondern im Gegenteil eine niedrige, weil es dann in der Regel an Investitionen in die Bildung und einer strategischen Industriepolitik mangelt. Investoren schauen nicht nur auf Abgabenquote, sondern auch auf Stabilität, Bildungsstand und Forschungsumfeld.
Behauptung: Niedrige Steuern schaff en Wirtschaftswachstum. Höhere Steuern bremsen das Wachstum.
Faktencheck: Beides stimmt in dieser vereinfachten Form nicht. Niedrige Steuern und Abgaben sind kein automatischer Garant für Konsum und Wachstum. Senkt man die Steuern und Abgaben, müssen auch die Versorgungsleistungen des Staates eingeschränkt werden. Für viele Haushalte bedeutet das, dass ihr Einkommen sinkt. Das wiederum führt zu reduzierter Kaufkraft. Selbst wenn bei einigen Besserverdienenden die Nettoeinkommen steigen, stehen dem sinkende Einkommen vieler NiedrigverdienerInnen gegenüber. Gerade die Menschen mit kleineren Einkommen sind es jedoch, die den größten Anteil ihres Einkommens unmittelbar wieder konsumieren (müssen). Eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote kann also zu einer Dämpfung des privaten Konsums führen. Es ist daher wichtig, nicht nur Einkommenssteuern zu senken, sondern die Steuersenkung auch gegenzufinanzieren, damit der Staat seine Leistungen für die Bevölkerung aufrechterhalten kann. Das kann ohne Schaden für die Wirtschaft passieren: durch Steuern auf Substanzvermögen, das gebunkert statt investiert wird.
Behauptung: In Österreich sind die Unternehmenssteuern zu hoch.
Faktencheck: Diese Behauptung ist besonders problematisch. Denn sie hat dazu geführt, dass Österreich sich auf das internationale Steuerdumping bei den Unternehmenssteuern eingelassen hat und 2005 den Steuersatz bei den Gewinnsteuern von 34 auf 25 Prozent gesenkt hat. Gemeinsam mit dem Gestaltungsspielraum durch die Gruppenbesteuerung hat das dazu geführt, dass die Einnahmen aus der Gewinnsteuer in Österreich äußerst niedrig sind: 2012 kamen 5,2 Prozent aller Steuereinnahmen (OECD-Schnitt 8,6 Prozent) aus den Gewinnsteuern. Laut Unternehmensmonitor der AK (einer Analyse der Jahresabschlüsse) beträgt die effektive Steuerleistung österreichischer Großunternehmen nur 19 Prozent. Die durchschnittliche Belastung der Löhne und Gehälter ist im Vergleich dazu doppelt so hoch.