Eine schlechte Auftragslage oder Kündigungen im Betrieb müssen nicht zwingend in die Arbeitslosigkeit münden. Wie Sozialpläne, Arbeitsstiftungen und Kurzarbeit den Beschäftigten, die von der Krise betroffen sind, Auswege bieten können.
Die Folgen der Krise machen sich in Österreich verstärkt bemerkbar: Die Zahl der Arbeitslosen steigt, und es sieht nicht so aus, als ob sich das rasch wieder ändern würde. Sind wir dagegen machtlos? Was tun, wenn man selbst plötzlich mit Arbeitslosigkeit konfrontiert ist?
„Immer öfter erreichen uns schlechte Nachrichten von Betrieben, die einen großen Teil ihrer Beschäftigten beim AMS zur Kündigung anmelden oder gar von Insolvenz und Schließung bedroht sind“, berichtet Karl Proyer, stv. Bundesgeschäftsführer der GPA-djp. „Auch wenn es primär darum gehen muss, jetzt eine Wirtschaftspolitik durchzusetzen, die die Kaufkraft stärkt und Investitionen fördert, haben wir als Gewerkschaft auch eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die dabei helfen, negative Auswirkungen auf die Betroffenen abzuwenden“, fügt er hinzu, „Maßnahmen wie Kurzarbeit, Sozialpläne und Arbeitsstiftungen können Rettungsringe sein.“
Kurzarbeit
Durch Kurzarbeit konnte in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze erhalten bleiben, betont Proyer: „ Andernfalls hätte uns die Krise seit 2008 noch deutlich mehr Arbeitslose beschert.“ Kurzarbeit kann Betrieben helfen, eine schlechte Auftragslage oder eine wirtschaftliche Flaute ohne Kündigungen durchzutauchen. Von Kurzarbeit spricht man, wenn in einem Betrieb die Arbeitszeit zeitlich begrenzt herabgesetzt wird. Es braucht dazu eine Kurzarbeitsvereinbarung, der die zuständigen Gewerkschaften zustimmen müssen. Die durch die Kurzarbeit frei werdende Zeit gilt als Freizeit, außer es wird zugleich eine Vereinbarung über Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen getroffen. Die ArbeitnehmerInnen bekommen für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit weiterhin anteilig das vereinbarte Entgelt. Für die ausfallende Arbeitszeit erhalten sie die so genannte Kurzarbeitsunterstützung.
So wurden beispielsweise beim LKW-Hersteller MAN in Steyr nach einem dramatischen Einbruch der Auftragslage im Herbst 2014 2.000 der 2.400 Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt. Sie erhalten 90 Prozent des Nettolohnes für 60 Prozent der Arbeitszeit. Grund waren neben einer schlechten allgemeinen Auftragslage die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland. Ebenso schickte die niederösterreichische Umdasch-Gruppe über 800 Mitarbeiter im Doka-Werk in Amstetten im zweiten Halbjahr 2014 in Kurzarbeit und reduzierte das Arbeitsvolumen um 20 bis 30 Prozent. Grund für die Kurzarbeit war die nicht ausreichend ausgelastete Produktion. Inzwischen arbeiten in dem Unternehmen alle wieder Vollzeit.
„Für die Unternehmen ist es wichtig, gut ausgebildete Arbeitskräfte nicht aufgrund vorübergehender Produktionseinbrüche zu verlieren“, erklärt Proyer. Nicht vergessen sollte man dabei allerdings auch: „Das AMS übernimmt einen anteiligen Teil der Kosten dafür.“
Sozialplan
Ein Sozialplan ist eine Betriebsvereinbarung, die dann abgeschlossen wird, wenn ein Betrieb (oder Teile davon) stillgelegt oder verlegt werden, wenn einer hohe Zahl von Beschäftigten entlassen werden, oder aber auch, wenn neue Arbeitsmethoden oder umfassende Rationalisierungs- oder Automatisierungsmaßnahmen die Arbeit im Betrieb grundlegend verändern. Im Sozialplan werden Maßnahmen festgelegt, die die Folgen dieser Betriebsänderung beseitigen oder abmildern sollen.
„Aufgrund der Auswirkungen der Krise hat die Zahl der Sozialpläne, die wir abgeschlossen haben, in den letzten Jahren zugenommen“, berichtet Proyer. „Allein 2014 haben die Rechtsschützer in der GPA-djp die beeindruckende Summe von 150 Millionen für Sozialpläne für unsere Mitglieder erstritten!“ Die Qualität der Sozialpläne zeigt, dass gerade in schwierigen Zeiten die enge Kooperation zwischen Gewerkschaft und Betriebsräten ein Erfolgsrezept ist. Proyer: „In Unternehmen mit einem Betriebsrat und starker gewerkschaftlicher Unterstützung ist ein entsprechender Erfolg wahrscheinlicher als wenn eine solche Vertretung fehlt.“
Kommt übrigens beim Abschluss eines Sozialplanes keine Einigung zustande, so entscheidet die Schlichtungsstelle am Sitz des Arbeits- und Sozialgerichtes, in dessen Sprengel der Betrieb liegt. „Sozialpläne sind ebenso wie Arbeitsstiftungen einklagbar“, erinnert Proyer. Mögliche Inhalte eines Sozialplanes können sein: Freiwillige Abfertigungen, Überbrückungshilfen, Ersatz von Umschulungs-, Bewerbungs- und Ausbildungskosten, bevorzugte Wiedereinstellung der gekündigten Arbeitnehmer oder die Gründung einer Arbeitsstiftung.
Arbeitsstiftung
Arbeitsstiftungen helfen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Sie bieten die Möglichkeit, sich beruflich neu zu orientieren und auch die finanzielle Unterstützung dafür. „Vor allem wenn in absehbarer Zeit eine größere Anzahl von Beschäftigten in einem Betrieb arbeitslos werden, sind Stiftungen ein gutes Instrument“, ist Karl Proyer überzeugt. Er führt als Beispiel die Steyrstiftung an, die sich bereits seit über zwanzig Jahren bewährt: Bedingt durch die schlechte konjunkturelle Situation im Großraum Steyr wurde 1993 die so genannte „Offene Arbeitsstiftung Steyr“ von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern in Zusammenarbeit mit dem AMS OÖ gegründet. Ziel dieser offenen Arbeitsstiftung: Die berufliche Reintegration von Beschäftigten, die in der Region ihren Arbeitsplatz verlieren.
Den StiftungsteilnehmerInnen wird die Möglichkeit geboten, nach einer Berufsorientierung den Weg der Aus- und Weiterbildung einzuschlagen. Derzeit zählen 21 Unternehmen zu den Mitgliedern der Stiftung, darunter die Austrian Airlines AG und die Lufthansa, die Ennskraftwerke AG, die Flughafen Wien AG, Magna Powertrain Engineering Center Steyr, MAN Truck & Bus Österreich AG, u.a.m.
Ähnlich wie die Steyrstiftung bietet auch die Stiftung Arbeitgeber & Arbeitnehmer (AGAN) in Niederösterreich Ressourcen und Know-How bei Arbeitslosigkeit. „Seit der Gründung 2002 ist es der AGAN geglückt, über 1.500 StiftungsteilnehmerInnen bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen“, berichtet GPA-djp Regionalgeschäftsführer in NÖ, Peter Stattmann.
„Stiftungen“, so Stattmann weiter, „können sowohl für den einzelnen Betroffenen, als auch für ganze Unternehmen in der Krise neue Perspektiven eröffnen.“ Konkret funktioniert das so: Zuerst werden individuelle Wünsche und Möglichkeiten in Beratungen geklärt, dann kann eine neu gewählte Ausbildung begonnen werden. Möglich sind je nach Stiftung bis zu drei ( Ausnahme vier Jahre) Unterstützung in Form von Stiftungsarbeitslosengeld und eines monatlichen Stipendiums. Ziel sind höherwertige Bildungsabschlüsse. Die absolvierten Weiterbildungen reichen vom Lehrabschluss bis hin zu FH-Abschlüssen. Stattmann: „Wichtig dabei ist natürlich, dass gezielt für den Arbeitsmarkt ausgebildet wird.“ Je nach Region können das unterschiedliche Branchen sein, die gute Perspektiven bieten.
Eine Stiftung kann natürlich auch als eine Vorsorgemaßnahme funktionieren, um einen Standort zu sichern: Der WAFF (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds) ist ein Beispiel für eine solche Stiftung, die als Einrichtung der Stadt Wien eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreibt und allen Wiener ArbeitnehmerInnen offen steht, um ihnen eine stabile Beschäftigung und berufliche Entwicklungschancen zu bieten.
Anders z.B. die Arbeitsstiftungen, die für die freigesetzten Beschäftigten der Drogeriekette Dayli (ehem. Schlecker) gegründet wurden. Obwohl es nach dem Aus von Schlecker 2012 so aussah, als könnten knapp 3.500 Beschäftigte in Österreich aufatmen, scheiterte nur ein Jahr später das Konzept der Neuübernahme durch Dayli. Alle Beschäftigten – zum Großteil Frauen in Teilzeit – verloren durch das Ende der Drogeriemarktkette ihren Job. Hier boten Arbeitsstiftungen auf regionaler Ebene Auswege für die Betroffenen. Ähnlich in Kärnten, als Neueigentümer Eckes-Granini Ende 2013 den Pago-Produktionsstandort in Klagenfurt schließt: Dort sind über 100 DienstnehmerInnen betroffen. Auch hier helfen ein Sozialplan und eine Arbeitsstiftung den Betroffenen, sich beruflich neu zu orientieren.
Sehr erfolgreich war die Arbeitsstiftung, in die die ehemaligen Beschäftigten bei Quelle eintraten. Rund 1.300 Beschäftigte waren 2009 von der Insolvenz des Versandhauses betroffen. „Das Ende für die Quelle in Österreich war damals für alle ein Schock“, erinnert sich Felix Hinterwirth, der ehemaliger Betriebsratsvorsitzender, „Für eine kleinere Gruppe von älteren Angestellten konnte eine maßgeschneiderte Lösung für den Übergang in die Pension gefunden wurde. Aber das Gros der Betroffenen, über 600, ging in eine Stiftungsmaßnahme“, berichtet Hinterwirth. Die Qualifizierungsmaßnahmen dieser Stiftung waren äußerst erfolgreich: Eine Befragung , welche die Universität Linz durchführte, ergab, dass 80 Prozent der Beteiligten mit den Maßnahmen zufrieden waren. „Unterm Strich hat sich der Einsatz für die Betroffenen absolut gelohnt“, berichtet Hinterwirth.
GPA-djp-Sekretär Jürgen Handlbauer, der in Oberösterreich und Salzburg die Druckerbranche betreut, sieht gerade für eine Branche wie diese, die kaum neue Arbeitsplätze schafft, die Arbeitsstiftungen als enorm hilfreiches Instrument an: „Bei Betriebsschließungen haben die Betroffenen kaum eine Chance auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der gleichen Branche “, erklärt Handlbauer die Situation, „daher brauchen wir Stiftungen, um neue Wege für sie zu finden.“
Aktuell sieht es z.B. im Fall der Druckerei AGI Media mit Sitz in Thalgau so aus, dass nach Bekanntwerden der bevorstehenden Schließung des Betriebes zunächst mit Hilfe der GPA-djp ein Sozialplan ausgehandelt wurde und nun auch eine Arbeitsstiftung allen 65 von der Werksschließung Betroffenen offen steht. Umgeschult wird auf sehr unterschiedliche Berufe, vom Mechatroniker über den Bierbrauer bis zum Krankenpfleger.
Handlbauer betont auch die wichtige Rolle von Betriebsräten in solchen Prozessen: „Arbeitsstiftungen sind ein Instrument, das nur über Sozialpläne im Zusammenwirken von Gewerkschaft und Betriebsräten eingerichtet werden können.“ Im Rahmen von Sozialplänen, so Handlbauer weiter, sei es immer wichtig, finanzielle Leistungen und Umschulungsmöglichkeiten als gleichwertig zu sehen, bei aller Bedeutung von Geldleistungen (wie freiwillige Abfertigungen etc.) in solch einer schwierigen Situation. „Aber die Betroffenen dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es auch einen Tag nach dem Arbeitsplatzverlust gibt. Und wenn es in der eigenen Branche keine Jobs gibt, dann sind Stiftungen Gold wert.“
Auch wenn es, räumt Karl Proyer ein, „oft eine große Herausforderung ist, sich für eine Weiterbildung zu entscheiden.“ Doch die Rückkehr auf die Schulbank ist zugleich eine enorme Chance für die berufliche Zukunft.
Trotz all diesen erfolgversprechenden Möglichkeiten sollte eins nicht vergessen werden, betont Proyer: „Maßnahmen, die helfen, für den/die Einzelne/n Lösungen für die berufliche Zukunft zu finden, sind kein Ersatz für eine beschäftigungswirksame Wirtschaftspolitik!“ Deshalb traten die Gewerkschaften auch so vehement für einen Steuerreform ein, die Wachstum fördert. „Für den Einzelnen“, ist Proyer überzeugt, „ sind die konkreten Maßnahmen, die Sozialpläne oder Arbeitsstiftungen anbieten, im Krisenfall unerlässlich und zentral, wenn es um den Erhalt von Lebensperspektiven geht. Doch niemand anderer als starke Betriebsratskörperschaften und Gewerkschaften haben dafür die nötige Erfahrung und die Durchsetzungskraft.“