In einem Tiroler Betrieb versucht der neue Arbeitgeber einen Betriebsübergang zu nutzen, um Gehaltsbestandteile einzusparen und die Rechte des Betriebsrates zu beschneiden. Die GPA-djp gibt den Beschäftigten Rechtsschutz.
Als die Beschäftigten der Soziale Dienste GmbH Ende April dieses Jahres ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung erhielten, erlebten sie eine böse Überraschung: Sowohl die seit jeher zuerkannte Schmutz-, Erschwernis- und Gefahren-Zulage (SEG-Zulage) als auch der seit jeher bestehende Fahrtkostenzuschuss waren nicht ausbezahlt worden. Unzählige Beschwerden langten beim Betriebsrat ein. Rasch wurde klar, dass der im gleichen Monat erfolgte Betriebsübergang offenbar vom neuen Arbeitgeber benutzt worden war, um die Beschäftigten und auch den Betriebsrat selbst in ihren Rechten zu beschneiden und finanzielle Kürzungen vorzunehmen. Der Betriebsrat wandte sich umgehend an die GPA-djp.
„Ausgerechnet in einem politisch ohnehin brisanten Bereich, nämlich der Flüchtlingsbetreuung, verhält sich der neue Arbeitgeber nicht rechtskonform“, berichtet der Tiroler Regionalgeschäftsführer der GPA-djp, Harald Schweighofer. Der Hintergrund: Die Flüchtlingsheime in Tirol wurden privatisiert. Dabei wurde der bisherige Betrieb, die „Tiroler Flüchtlingskoordination“, mit 1. April dieses Jahres in die „Tiroler Soziale Dienste GmbH“ (TSD) ausgelagert. Rechtlich lief das so ab, dass mit Stichtag 1. April 2015 die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen des Tiroler Beschäftigungsvereins im Sinne des § 3 AVRAG mit allen Rechten und Pflichten auf die Tiroler Soziale Dienste GmbH übergingen. Diese Soziale Dienste GmbH ist eine landeseigene Gesellschaft, die der zuständigen Landesrätin Christine Baur (Grüne) untersteht. Aktuell werden in Tirol in 72 Unterkünften über 3.000 Menschen betreut, Tendenz steigend.
Rechte der Beschäftigten
„In so einem Fall ist die rechtliche Lage eindeutig, es handelt sich um einen Betriebsübergang“, erklärt Rechtsschutzsekretärin Verena Zisler. „Dabei müssen aber grundlegende Rechte der Beschäftigten respektiert werden. Der neue Arbeitgeber tritt mit allen Rechten und Pflichten in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Das heißt, die Arbeitsbedingungen bleiben aufrecht, und dazu gehören natürlich auch die Bezahlung und die Zulagen. Der neue Arbeitgeber muss den Arbeitnehmerinnen jede erfolgte Änderung unverzüglich mitteilen!“
Ansprüche auf Zulagen aufrecht
Die Streichung der SEG-Zulage und des Fahrtkostenzuschusses widersprach somit eindeutig und klar dem Gesetz. Anfänglich ging es aber noch um mehr: „Die Geschäftsführung und auch das Büro der Landesrätin Christine Baur versuchten, den Betriebsübergang dazu zu nutzen, um den bereits vor dem Übergang installierten Betriebsrat nicht nur in seinen Rechten zu beschneiden,sondern diesem überhaupt die Rechtsfähigkeit abzuerkennen. Nach intensiver Intervention von unserer Seite hat sich die Situation in diesem Punkt aber entspannt. Den Beschäftigten will man allerdings nach wie vor andere Dienstverträge übergeben, die eine Verschlechterung der bisherigen wären“, führt Regionalgeschäftsführer Schweighofer aus. Auch die Kürzung und Streichung von weiteren bisher gewährten Zulagen und Zuschüssen steht im Raum.
„Der Betriebsrat hat richtig gehandelt“, betont Verena Zisler. „Er hat die neue Geschäftsführung und auch den Aufsichtsrat der TSD rechtzeitig, nämlich noch vor dem offiziellen Stichtag des Betriebsübergangs, kontaktiert und seine Mitwirkungsrechte geltend gemacht.“ Für die GPA-djp ist die Sache daher eindeutig: Die Beschäftigten werden die ihnen vorgelegten Dienstverträge vorerst nicht unterschreiben, sondern die rechtliche Überprüfung durch Betriebsrat und GPA-djp abwarten. Ziel ist es, Betriebsvereinbarungen auszuverhandeln und auf die Einzelvertragsgestaltung Einfluss zu nehmen.
Betriebsübergang: Meine Rechte als ArbeitnehmerIn
Von einem Betriebsübergang spricht man, wenn ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übergeht. Der neue Arbeitgeber tritt mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Bei einem Betriebsübergang bleiben die Arbeitsbedingungen aufrecht, außer aus den Bestimmungen über den Wechsel der Kollektivvertragsangehörigkeit, den betrieblichen Pensionszusagen und der Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen ergibt sich anderes. Der neue Arbeitgeber muss den ArbeitnehmerInnen jede erfolgte Änderung der Arbeitsbedingungen unverzüglich mitteilen! Der/die ArbeitnehmerIn kann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen, wenn der neue Arbeitgeber den kollektivvertraglichen Bestandsschutz oder die betrieblichen Pensionszusagen nicht übernimmt. Werden durch den nach Betriebsübergang anzuwendenden Kollektivvertrag (oder die anzuwendenden Betriebsvereinbarungen) Arbeitsbedingungen wesentlich verschlechtert, kann der/die ArbeitnehmerIn innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, ab dem er die Verschlechterung erkannte, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder der kollektivvertraglichen Kündigungsfristen lösen. Dem/der ArbeitnehmerIn stehen dann die gebührenden Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung zu. Der/die ArbeitnehmerIn kann auf Feststellung der wesentlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen klagen, und zwar innerhalb eines Monats ab Kenntnis der Änderungen der Arbeitsbedingungen. Ebenso kann ein Feststellungsverfahren nach § 54 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes eingeleitet werden. Hat das Gericht eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen festgestellt, kann der/die ArbeitnehmerIn innerhalb eines Monats ab Rechtskraft des Urteils das Arbeitsverhältnis auflösen.