Gemeinsamer Aufbruch in digitale Zeiten

Die Anwendung von BYOD sollte in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. (Bild: Nurith Wagner-Strauss)
(Bild: Nurith Wagner-Strauss)

Flache Hierarchien steigern Motivation und Kreativität und verbessern den Informationsfluss von unten nach oben

Der technische Fortschritt und die Digitalisierung machen die Arbeit in vielen Branchen immer flexibler und individueller. Doch auch die ArbeitgeberInnen und die Betriebe selbst müssen sich an die neuen Entwicklungen anpassen. Thomas Kreiml von der GPA-djp Bildungsabteilung meint, oft werde lediglich diskutiert, welche neuen Kompetenzen und Qualifikationen die ArbeitnehmerInnen aufgrund der Veränderungen in der Arbeitswelt haben müssten. Dabei werde außer Acht gelassen, dass es eine ebenso lernende und sich entwickelnde Arbeitsorganisation, sowie Kommunikations- und Führungskultur brauche, damit die digitalen Angebote im Betrieb auch wirksam umgesetzt werden können. Auch das Management muss sich also mit dem digitalen Fortschritt weiterentwickeln.

Schlüsselfunktion Betriebsrat

Eine gute Arbeitsorganisation strukturiert die zu bewältigenden Aufgaben laufend neu. Dabei haben die BetriebsrätInnen eine Schlüsselfunktion, denn diese „vermitteln zwischen Management und Belegschaft und können die notwendigen organisatorischen Veränderungen aus erster Hand einschätzen. Nur in enger Zusammenarbeit mit den BetriebsrätInnen wird es den Betrieben gelingen, die technischen Entwicklungen fair und gerecht umzusetzen“, ist der Experte überzeugt. Das Arbeitsfeld ist groß, denn neue Arbeitsabläufe und die sich verändernden Organisationsprozesse müssen ständig neu bewertet und mit dem Management abgestimmt werden. Dazu braucht es auch eine zeitgemäße Kommunikationskultur. „Änderungen sollten nicht von oben herab vorgeschrieben werden, sondern in einem gemeinsamen Diskussionsprozess erarbeitet werden“, skizziert Kreiml den Idealfall. „Die Beschäftigten wollen die Rahmenbedingungen der neuen Teamarbeit und des mobiles Arbeitens mitbestimmen. Nur so können diese neuen Arbeitstechniken für beide Seiten zufriedenstellend funktionieren.“ Flache Hierarchien und eine starke Mitarbeiterorientierung heben die Motivation und die Kreativität und steigern auch den Informationsfluss von unten nach oben.

Neue Führungskultur

Der Fortschritt verlangt auch eine neue Art der Führungskultur. „Die technischen Neuerungen können die Arbeitsprozesse nur dann verbessern, wenn das Management dazu bereit ist, anstehende Veränderungen gemeinsam umzusetzen“, betont Kreiml. Auch in Bildung sollte mehr investiert werden, denn die betriebliche Praxis zeigt, dass bestehende Segmentierungen durch den digitalen Wandel noch verstärkt werden. „Hier gilt es über Aus- und Weiterbildungen gezielt entgegenzuwirken“, betont Kreiml. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre, dass Betriebe als selbstlernende Organisationen all jene Fähigkeiten und Kompetenzen nutzen, welche die MitarbeiterInnen schon mitbringen. „Die Beschäftigten verfügen in allen Qualifizierungsbereichen über individuelle Begabungen und Talente. So gibt es SachbearbeiterInnen, die eine spezielle Feedbackkultur über digitale Netzwerke pflegen. Andere beherrschen immer die modernsten Kommunikationstechnologien, weil sie sich privat mit damit beschäftigen“. Die Unternehmen sollten diese Innovationspotentiale der MitarbeiterInnen unbedingt ausschöpfen, findet Kreiml.

Beteiligung motiviert

„Dort wo Unternehmen den digitalen Wandel positiv bewältigen wollen, braucht es Beteiligung“, findet auch Eva Angerler, von der Abteilung Arbeit und Technik in der GPA-djp. Zahlreiche Studien zeigen, dass dies vor allem durch kreative Führungsmethoden gelingt, die möglichst viele Beschäftigte in Entscheidungen mit einbeziehen. Auch in Produktionsbetrieben ist dies notwendig, um die Potentiale der neuen Techniken gut nutzen zu können. Angerler kritisiert, dass neue Technologien im Dienstleistungsbereich derzeit hautsächlich dazu benutzt werden, um Standardisierungen – etwa von Arbeitsabläufen oder Anwesenheitserfassungen – einzuführen. Die Expertin sieht auch eine Tendenz dazu, dass oftmals nur das Gefühl einer Beteiligung anstatt echter Teilhabe vermittelt wird: „Die Zielvorgaben, die teils erheblichen Druck auf die Beschäftigten ausüben, werden dann weiterhin hierarchisch von oben ausgesprochen.“ Diese „permanente Beurteilung“ ist eine indirekte Steuerung und läuft auf eine verstärkte Kontrolle hinaus. „So können sich keine Vorteile der Selbstorganisation entwickeln“, kritisiert Angerler. Die fordernde Aufgabe der BetriebsrätInnen besteht nun darin, von diesen Manipulationen wegzukommen um den Weg zu wirklich guter Teamarbeit freizumachen. Diese zeichnet sich durch kreative und eigenständige Leistungen innerhalb festgelegter Zielvorgaben aus: „In die Abläufe und Organisationsprozesse innerhalb dieser Grenzen sollte das Management nicht hineinregieren. Die meisten Teams gleichen mangelnde Ressourcen an der einen Ecke sehr schnell durch andere Fähigkeiten oder Vernetzungen wieder aus.“

Gemeinsamer Umgang mit digitalen Neuerungen

Auch die Vorsitzende des Konzernbetriebsrates des Austrian Institutes of Technology (AIT), Eva Wilhelm, sieht eine Verantwortung der Führungskräfte: „Wenn die MitarbeiterInnen im Rahmen einer wertschätzenden Feedbackkultur gut eingebunden sind, können neue technische Möglichkeiten von Beginn an so implementiert werden, dass alle gut damit zurecht kommen.“ Im Optimalfall schaffen es Führungskräfte ein Klima zu schaffen, in dem auch ausgesprochen wird, was nicht funktioniert und was stört: „Dort, wo wertschätzende Kritik möglich ist, entwickelt sich auch der Mut zum Widerspruch.“ Ein derartiger Führungsstil schafft dann auch die notwendigen Freiräume um Neues im Technologiebereich zu entwickeln. Denn im Optimalfall werden die Neuerung im Team gemeinsam bewertet, besprochen und auch der Umgang – etwa mit neuen Technologien – wird nicht von oben vorgegeben sondern unterliegt einem dynamischen Prozess, der auch verändert werden kann. „Diese Art der Unternehmenskultur funktioniert in manchen Gruppen des Unternehmens bereits sehr gut, wobei immer Potential nach oben vorhanden ist“, so die Betriebsratsvorsitzende. Die jährlich stattfindenden Entwicklungsgespräche können laut Wilhelm auch dazu genutzt werden, um individuelle Probleme oder Grenzüberschreitungen zu bereinigen: „Wenn sich jemand zu stark überprüft fühlt, oder durch eine ständige Erreichbarkeit überfordert ist, dann kann das in diesem Rahmen ausgesprochen und verändert werden.“

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